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«Hauptstadt» im Dialog

«Es bräuchte andere Währungen als Geld»

Wo spüren Berner*innen den Klimawandel? Und welche Massnahmen würden sie dagegen ergreifen? Stimmen aus der Ausstellung «Mensch, Erde!» im Naturhistorischen Museum.

Abstimmung in der Ausstellung Mensch, Erde fotografiert am Sonntag, 26. Oktober 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Was würdest du gegen den Klimawandel tun? Im Naturhistorischen Museum können die Besucher*innen abstimmen. (Bild: Simon Boschi)

Wo würdest du ansetzen gegen den Klimawandel? Diese grosse Frage müssen die Besucher*innen der eben eröffneten Ausstellung «Mensch, Erde! Das Klima im Wandel» im Naturhistorischen Museum beantworten.

Ihre Antworten dürfen sie in Form von Kugeln in grossen Zylindern platzieren. Das hat den Effekt, dass auch alle Nachfolgenden sehen, wie bisher abgestimmt worden ist. In den ersten Tagen haben die meisten Besuchenden für «die Wirtschaft neu ausrichten» gestimmt. Doch auch «unsere Abhängigkeit von der Natur sehen» erachten viele als wichtig im Kampf gegen den Klimawandel.

Nur vergleichsweise wenige möchten hingegen «Geschichten erzählen, die Mut machen» und «Betroffene mitentscheiden lassen».

Die «Hauptstadt» hat am Eröffnungsfest am Sonntag einen Tag lang nachgefragt und Gespräche mit etwa zwei Dutzend Besucher*innen protokolliert.

Simone Berta beantwortet Fragen zur Abstimmung in der Ausstellung Mensch, Erde fotografiert am Sonntag, 26. Oktober 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Museumsbesucherin Simone Berta im Gespräch mit der «Hauptstadt». (Bild: Simon Boschi)

Simona Berta aus Bern: «Ehrlich gesagt, bin ich in Bern in meinem eigenen Lebensalltag noch recht wenig vom Klimawandel betroffen. Ich bekomme aber mit, was an anderen Orten auf der Welt passiert und das lähmt mich sehr. Ich stelle mir dann Fragen über meine eigenen Privilegien. Die Schiene in den letzten 40 Jahren war ja, dass die Leute sich individuell ändern müssen. Ich glaube aber, das funktioniert nicht, man muss bei den Grossen ansetzen. Man muss die Wirtschaft neu ausrichten.»

Jerôme Rütsche aus Bern: «Den Klimawandel spürt man in Bern viel zu wenig. Vielleicht mal im Sommer ein Sturm, der heftiger ausfällt. Das sind einzelne Peaks. Ich finde, man sollte die Wirtschaft neu ausrichten. Es bräuchte andere Währungen als Geld, sodass die Sozial- und die Umweltebene gleich gewertet würden. Entsprechend müsste das Geld entwertet werden.»

Hitze und Pflanzen, die früher blühen

Eva Hefti aus Bern: «Meine Kinder trainieren auf einem Kunstrasenfeld im Breitenrain. Im Sommer können sie nicht mehr ins Trainingslager, die Kunstrasenfelder erhitzen sich einfach zu stark. Einmal gingen wir die Temperatur messen, um 18 Uhr war es einen Meter über Boden immer noch 46 Grad. Es gibt einfach kein Hitzeschutzkonzept dafür. Ausserdem kann ich mir vorstellen, dass dieser Rasen auch Giftstoffe ausstösst.»

Valentin Bütikofer aus Bern: «Ja, als Gärtner spüre ich den Klimawandel in Bern. Ich sehe Pflanzen, die früher blühen. Ich sehe mehr und andere Schäden wegen Spätfrost. Und mir ist aufgefallen, dass es mehr Fliegen in der Stadt gibt.»

Beatrice Koett beantwortet Fragen zur Abstimmung in der Ausstellung Mensch, Erde fotografiert am Sonntag, 26. Oktober 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Beatrice Kött spürt den Klimawandel auch als Lehrerin. (Bild: Simon Boschi)

Beatrice Kött aus Bern: «Ich nehme wahr, wie sich die Wetterlagen über das Jahr verändert haben. Früher, als ich Schülerin war, hatten wir alle drei Jahre einen Hitzetag. Als Lehrerin merke ich nun, dass es manchmal mehrere Wochen hintereinander so heiss ist, dass wir den Kindern nichts mehr beibringen können. Es ist nicht möglich, in diesem Umfeld zu lernen. Ich finde, man müsste die Wirtschaft neu ausrichten. Dass es in unserem Wirtschaftssystem mehr darum gehen würde, den Menschen zu helfen und Rücksicht auf Menschen, Pflanzen und Tiere zu nehmen.»

Michael Kohler aus Bolligen: «Wir sollten uns wieder mehr auf die Natur besinnen, nicht immer Beton weiterentwickeln, sondern eher wieder auf Sandstein setzen. Dort, wo man Sandstein entfernt hat, hat es heute viele Tiere und Pflanzen. Es hat der Natur nicht geschadet.»

Mehr Grün in den Städten

Sabine Wohlleber aus dem Liebefeld: «Es gibt nichts Grösseres als die echte Begegnung mit der Natur, das ist meine tägliche Predigt zuhause. Es ist so wichtig, dass Kinder das von Anfang an lernen. Ich glaube nicht, dass man ihnen das später noch überstülpen kann. Wenn sie ein Bewusstsein für die Natur haben, können sie auch real sehen, wenn die Natur nicht mehr intakt ist.»

Kathrin Hartmann aus Untersiggenthal: «Ich finde, man sollte mehr Grün in die Städte bringen. So kann man die Leute für das Gesamtthema Klima sensibilisieren. Ich denke, wenn man die Lebensqualität im Siedlungsraum erhöht, fühlen sich die Menschen wohler und sie haben weniger den Drang, dauernd wegzugehen, was ja auch fürs Klima schlecht ist.»

Alexander Steiner aus Bern: «Die meisten Leute verstehen, dass das Thema wichtig ist. In Gesprächen habe ich aber häufig das Gefühl, sie denken, sie könnten eh nichts machen. Deshalb finde ich Journalismus wichtig, Journalismus, der konstruktive Geschichten erzählt. Darum habe ich auch Abos bei mehreren Medien.»

Marlen Burri beantwortet Fragen zur Abstimmung in der Ausstellung Mensch, Erde fotografiert am Sonntag, 26. Oktober 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Marlen Buri wirft die Frage auf, ob jüngere Menschen mehr mitentscheiden sollten als ältere. (Bild: Simon Boschi)

Marlen Buri aus Bern: «Wer mehr Geld hat, hat mehr Macht. Das müsste man ändern. Man müsste vom Klimawandel Betroffene mitentscheiden lassen, seien das Menschen und auch die Natur. Luft und Boden verbraucht man bisher gratis, das sollte anders sein. Und schliesslich: Warum diskutieren wir nicht darüber, dass jüngere Leute mehr mitentscheiden sollten als ältere? Schliesslich werden sie noch viel länger auf diesem Planeten sein.»

Simone Hopf aus Kehrsatz: «Ich finde, die ganz grossen Firmen sollten mehr machen. Sie machen riesige Profite und davon sollten sie mehr zurückgeben. Bezüglich CO2 sind sie immer noch viel zu wenig transparent.»

Hoffen auf die neue Generation

Daniel Wyss aus der Berner Umgebung: «Wir sind einfach abhängig von der Natur. Es wäre wichtig, dass wir die Augen öffnen und an die Generationen nach uns denken. Zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien, da könnte man viel mehr machen, wenn man wollte. Ich finde, da sind die Behörden viel zu zögerlich und zwar auf kantonaler, städtischer und Bundesebene.»

Mirjam Krieger aus Kirchberg: «Ich hoffe, dass meine Generation ihren Kindern mehr beibringt. Dass wir wieder mehr Bewusstsein dafür entwickeln, dass wir von der Natur abhängig sind. Die Klimaerwärmung spüre ich beim Wetter, in der Wärme. Ich habe mehr Angst davor als früher. Wenn ich zum Beispiel Bilder von Gletschern jetzt und früher sehe.»

Ursula Miranda aus Bern: «Unser Hirn könnte noch positivere Ideen entwickeln, wenn es nicht gebremst würde durch diese negativen Geschichten, denen man überall begegnet. Es ist so wichtig, den Denkmotor positiv zu beeinflussen. Und darüber zu schreiben.»

Dauerausstellung Klimawandel - Naturhistorischesmuseum Bern
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Die «Hauptstadt» im Museum

Vom Sonntag, 26. Oktober, an ist die «Hauptstadt»-Redaktion erstmals Teil einer Ausstellung. Für eine Woche verlagern wir unseren Arbeitsort ins Naturhistorische Museum. Unser temporäres Büro befindet sich direkt in der neuen Dauerausstellung «Mensch, Erde! – Das Klima im Wandel».

Wir erproben während unserer Museumswoche ein Dialog-Format. «Hauptstadt»-Journalist*innen werden im Eingangsbereich der Ausstellung, direkt unter der grossen Erdkugel, präsent sein um ungezwungen mit den Museums-Besucher*innen ins Gespräch zu kommen. Wir diskutieren Fragen wie: Wo spürst du die Klimakrise in Bern? Was macht dir Sorgen, wenn du an die Zukunft denkst? Was können wir hier tun? Kannst du dir eine Erde ohne Menschen vorstellen? Und vielleicht auch: Was erwartest du von der Medienberichterstattung zum Klimawandel?

Wir freuen uns, wenn du zwischen Sonntag und Donnerstag die Ausstellung besuchst und mit uns ins Gespräch kommst. Öffnungszeiten und Eintrittspreise findest du hier.

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Diskussion

Unsere Etikette
Jörn Justiz
28. Oktober 2025 um 08:34

Ermutigend

Ich finde die vielen konstruktiven Stimmen ermutigend. Gleichzeitig vermute ich, dass dies leider nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist, auch wenn ich überzeugt bin, dass die Gefahr der Klimakatastrophe von den meisten erkannt wird. Einen der wichtigsten Hebel zur Richtungskorrektur, der ungenutzt bleibt, wurde bedauerlicherweise von niemandem angesprochen: Wahlen und Abstimmungen. Wenn immer noch die Mehrheit ihre Stimme Parteien gibt, die mit Klimaschutz nicht viel am Hut haben und fast jede ökologische Initiative von der Stimmbevölkerung abgelehnt wird, mindert das meinen Optimismus erheblich.