Nicht normal
Das letzte Flugblatt der SVP setzt den hässlichen Schlusspunkt hinter eine hetzerische Wahl-Kampagne der SVP. – Ein Kommentar.
Anfang Woche verschickte die SVP ein Flugblatt in alle Haushalte. Es ruft zum Wählen der Volkspartei auf, trägt den Titel «Jetzt 10-Millionen-Schweiz stoppen!» und ist mit einer heiklen Bildkombination illustriert.
Eines der Bilder zeigt eine Gruppe herumsitzender junger Schwarzer Männer. Über dem Foto prangt ein grosses rotes Kreuz. Das zweite Bild zeigt eine blonde Familie beim Wandern. Über diesem Foto prangt ein grosses grünes «Gut-Häkchen». Zum Aufnahmeort und -datum der Fotos wird auf dem Flugblatt kein Kontext mitgeliefert.
Das Flugblatt fällt zwar nicht unter die Antirassismus-Strafnorm, wie der Berner Rechtsprofessor Martino Mona auf Anfrage sagt. Im Flugblatt werde nicht zu Hass aufgerufen oder diskriminiert.
Dennoch ist es problematisch. Es setzt den Schlusspunkt hinter eine SVP-Wahlkampagne, die wieder die Ausländer zum Thema machte und die von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus als «rassistisch», «fremdenfeindlich» und «hetzerisch» bezeichnet wurde. Die SVP-Kampagne unter dem Titel «Neue Normalität» verzerre die Realität, weil der Eindruck erweckt werde, nur ausländische Personen seien für Gewalt und Kriminalität in der Schweiz verantwortlich, schrieb die Kommission in einem Brief an die Partei.
Auch die Bildkombination im aktuellen Flugblatt bedient rassistisches Gedankengut. Die bildliche Aussage ist klar:
Was wir wollen: Eine blonde Familie.
Was wir nicht wollen: Eine Gruppe Schwarzer Männer.
Mit der realen Zuwanderung und einer 10-Millionen Schweiz hat das Bild der Schwarzen Männer herzlich wenig zu tun. Im letzten Jahr wanderten 190’000 Personen in die Schweiz ein, davon kamen 5800 aus Afrika, hingegen 120’000 aus der EU. Das Bild passt also faktisch nicht zur Aussage des Flyers. Es passt eher zum Gedankengut, das SVP-Politiker*innen und ihre Sympathisant*innen zum Thema Zuwanderung pflegen.
Verschickt wurde das Flugblatt von der SVP Schweiz. Auf der Hinterseite des Flugblattes aber prangt eine Wahlanleitung der Berner SVP, die sich sonst gerne brüstet, einen anderen Stil zu pflegen als die nationale Partei. Auch diesmal sagt Parteisekretärin Aliki Panayides auf Anfrage der «Hauptstadt»: «Ich erachte die Bildsprache nicht als rassistisch, aber die Berner SVP hätte das Flugblatt anders gestaltet.» In Bern arbeite die SVP nicht mit Negativbildern, sagt Panayides, «sondern mit solchen, wie wir positiv finden – ganz im Sinne unseres Slogans: Damit die Schweiz die Schweiz bleibt.»
Die Berner SVP spielt damit ein hässliches Doppelspiel. Sie lehnt den Stil des Flyers eigentlich ab, toleriert aber eine Verteilung dieses Flyers durch die SVP Schweiz in alle Berner Haushalte. Dazu sagt Panayides: «Wir hatten keine Kenntnis über die Gestaltung. Vermutlich wäre es für die SVP Schweiz zu aufwändig gewesen, von jedem Kanton Inputs zur Gestaltung einzuholen.»
Da ist der Berner Parteipräsident Manfred Bühler ein wenig ehrlicher: «Die Illustration finde ich passend zum Thema des Flyers.» Nicht jede Kommunikation der SVP Schweiz könne mit 26 Kantonalparteien gestaltet werden.
Alles normal also für die SVP.