Roter Angriff – Hauptstadt-Brief #434
Dienstag, 4. März 2025 – die Themen: Wahlen in Köniz; neue Nationalrät*innen; gewandelter Technoclub; Gosteli-Stiftung; Stellvertretungsregelung im Grossen Rat; grosse Kirchgemeindenfusion.
Köniz wächst stark. Mittlerweile hat Köniz fast gleich viele Einwohner*innen wie Thun. Trotzdem nennt eigentlich niemand Köniz eine Stadt. Zu verteilt und unterschiedlich sind die verschiedenen Dörfer und Ortsteile. Städtisch fühlt sich Köniz vor allem an den Ausläufern von Bern an: im Spiegel, im Liebefeld, in Wabern.
Und was auch städtisch anmutet, ist die politische Verschiebung der Wähler*innenanteile. Bei den Wahlen von 2017 lag der Stimmenanteil von Rot-Grün noch bei 40 Prozent, 2021 bereits bei 45 Prozent. Rot-Grün legt zu und droht die eher ländlich geprägte, eher konservativ wählende obere Gemeinde einzuholen. Das macht die Ausgangslage für die diesjährigen Wahlen in Köniz spannend.
Seit 2013 sind die fünf Regierungssitze auf fünf Parteien aufgeteilt: SP, SVP, FDP, Grüne und GLP teilen sich die Macht. Eigentlich kann sich für die Wahlen am 28. September ausser Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP) niemand wirklich sicher sein, dass er oder sie auch gewählt wird.
Das hat auch damit zu tun, dass drei der amtierenden Exekutivmitglieder zurücktreten: Hansueli* Pestalozzi (Grüne), Hans-Peter Kohler (FDP) und Christian Burren (SVP) stellen sich nicht mehr zur Wahl. Thomas Marti (GLP), der erst im Herbst 2024 in den Gemeinderat kam, muss ein wenig um seine Wiederwahl zittern.
Denn die SP greift an: Das verkündet Géraldine Mercedes Boesch im Interview mit der «Hauptstadt». Obwohl sie letzten Herbst noch gegen Marti unterlag, sei die Ausgangslage bei den Gesamterneuerungswahlen jetzt eine andere. Rot-Grün schielt in Köniz auf drei Sitze (zwei SP, einer Grüne) – die SP muss dafür jedoch um einige Prozente zulegen. Wer allenfalls einen Sitz verlieren würde, ist völlig offen.
Was aber jetzt schon klar ist: Köniz wird in Zukunft fast sicher von einer Frauenmehrheit regiert, denn neben der SP setzen auch die SVP und die Grünen auf Spitzenkandidatinnen.
*In einer ersten Version stand fälschlicherweise Ueli statt Hansueli Pestalozzi.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Wechsel im Nationalrat: Heute werden im Nationalrat zwei neue Berner Vertreter*innen vereidigt. Da Matthias Aebischer (SP) und Melanie Mettler (GLP) nach ihrer Wahl in den Berner Gemeinderat zurückgetreten sind, rücken Ueli Schmezer (SP) und Fabienne Stämpfli (GLP) nach. Schmezer ist vor allem als Moderator und Liedermacher bekannt, Stämpfli arbeitet als Umweltingenieurin und wird im Nationalrat eine der jüngsten sein. Die 32-Jährige stammt aus Oberhofen.
- Nachtclub verändert sich: Der Technoclub Kapitel Bollwerk, einer der bekanntesten Nachtclubs in Bern, geht neue Wege. In Zukunft wird der Club, der sich nun «In Transformation» nennt, nur noch samstags klassische Technoparties veranstalten. An den anderen Tagen finden die Anlässe früher am Abend statt und setzen auch auf Kooperationen. So etwa mit dem Theaterfestival «auawirleben», das auch im «In Transformation» stattfinden wird, wie meine Kollegin Andrea von Däniken berichtet.
- Gosteli-Stiftung: Der Kanton Bern unterstützt die Gosteli-Stiftung bis 2028 mit jährlich 450'000 Franken. Der Grosse Rat hat den Objektkredit für vier Jahre gestern ohne Gegenstimme gutgeheissen. Die Gosteli-Stiftung in Worblaufen wurde 1982 von Marthe Gosteli gegründet, einer Vorkämpferin der Frauenrechte in der Schweiz. Sie hat ein umfangreiches Archiv zur Schweizer Frauenbewegung aufgebaut. Seit 2021 gilt das Archiv als Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung.
- Stellvertretung im Parlament: Das Berner Kantonsparlament wünscht sich eine Vorlage für ein Stellvertretungsmodell, bei dem sich Grossrätinnen während des Mutterschaftsurlaubs vertreten lassen können. Eine entsprechende Motion hatte das Parlament bereits 2023 überwiesen. Seither wurde auf Bundesebene geklärt, dass Frauen den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nicht mehr verlieren, wenn sie an Parlamentssitzungen teilnehmen. Das Büro des Grossen Rats wollte die Motion deshalb als erfüllt abschreiben. Das lehnte der Rat gestern knapp mit 73 zu 71 Stimmen bei sieben Enthaltungen ab. Der Tenor lautete: Die Bundesregelung reiche nicht aus. Und die Betreuung von Säuglingen während einer Session sei eine grosse Herausforderung. Wie es gehen könnte, zeigt die Stadt Bern: Dort wurde eine Stellvertretungsregelung fürs Parlament im letzten Monat vom Stimmvolk gutgeheissen.
- Reformierte Kirche: Von jetzt bis zum 18. Mai läuft in Bern und Bremgarten eine beispiellose Abstimmung. Die elf reformierten Kirchgemeinden entscheiden einzeln darüber, ob sie fusionieren und nur noch eine Stadtberner Kirchgemeinde bilden wollen. Als erstes hat nun die Kirchgemeinde Heiliggeist in Berns Zentrum Ja gesagt, wie Journal B berichtet. Sollten insgesamt mindestens neun der elf Kirchgemeinden zustimmen und auch die anschliessende Urnenabstimmung am 18. Mai eine Zustimmung ergeben, kann die Fusion wohl auf Anfang 2027 erfolgen.
PS: Wie du vielleicht weisst, hat die «Hauptstadt» ihr Büro diese Woche nach Köniz ins Liebefeld verlegt. Wir arbeiten im «Workspace & More» (Waldeggstrasse 34). Es gibt hier Arbeitsplätze und ein öffentliches Café. Gerne darfst du uns besuchen – an der offenen Redaktionssitzung (diesen Donnerstag, 10 Uhr) oder wann es für dich passt. Wir freuen uns!