Bye-bye, bebadbar
Das Wort «bebadbar» hält sich so hartnäckig im Berner Sprachgebrauch wie Wespen an einem Glas Sirup. Zeit, sich vom Wort zu verabschieden, findet «Hauptstadt»-Redaktor Nicolai Morawitz.
Wir erinnern uns: Im April 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie, versicherte der Covid-19-Delegierte des Bundes, Daniel Koch, vor Medienvertreter*innen, die Aare sei im Sommer wieder «bebadbar». Ein Wort war geboren und Koch musste selber ein wenig schmunzeln. Denn eigentlich war die kreative Wortschöpfung nur eine Rettung seines vorangegangen Satzes: «Die Schwimmbäder sind sicher benutzbar […], ich nehme an auch die Aare wird be… bebadbar sein.» Das Ganze war daher auch sprachwissenschaftlich spannend – doch dazu später mehr.
Kochs Bonmot entwickelte daraufhin eine Eigendynamik. Der Berner Kommunikationsberater Mark Balsiger druckte es sogar auf T-Shirts und liess die Erlöse der Notschlafstelle Sleeper zukommen. Bei dieser noblen Geste hätte es bleiben können, doch «bebadbar» ist einfach nicht unterzukriegen. Ist es gar unaufhaltbar?
Während sich über die Frage, wann die Aare in der Saison jeweils «bebadbar» ist, trefflich streiten lässt, scheint sich der Begriff längst etabliert zu haben. Und er wird sogar fleissig auf Plakate gedruckt. Wie zum Beispiel auf diejenigen, mit denen die Stadt die Bevölkerung an der Aare zur Reinlichkeit aufruft. Denn die Aare «söu bebadbar blibe».
Raffiniert oder barbarisch?
Die Stadtberner SP hingegen gibt dem Wort eine politische Dimension. Sie «ergeift Partei», damit die Aare «bebadbar» bleibt. Ein entsprechendes Wahlkampf-Sujet war in diesen Tagen zum Beispiel am Eingang des Marzili zu sehen. Das Plakat solle Badibesucher*innen darauf aufmerksam machen, dass wir unser Klima schützen müssen, um damit der Aare, die wir alle lieben, Sorge zu tragen, heisst es bei der Partei auf Anfrage. Ein grüner und nahbarer oder doch ein sonderbarer Schachzug der Sozialdemokrat*innen?
Und was sagt die Sprachwissenschaft – ist «bebadbar» wirklich zumutbar?
Der Sprachkritiker Bastian Sick warnte schon vor 20 Jahren, dass wir uns alle im Bann des Silbenbarbaren befinden – also allzu eifrig neue Wortkonstruktionen mit dem Suffix -bar erschaffen, obwohl das nicht immer einer «baupolizeilichen Prüfung» standhalte.
Im Fall von «baden» ist die Situation ein bisschen vertrakt. Baden in der Bedeutung «ein Bad nehmen» sei intransitiv und kann deshalb kein Adjektiv auf -bar bilden, hält die Sprachwissenschaftlerin der Universität Bern Luise Kempf fest. Doch mit dem Präfix be- kann man Verben transitiv machen – und genau diesen «raffinierten» Zwischenschritt habe Daniel Koch gemacht, erklärt Professorin Kempf. Herausgekommen sei ein Wort, das auch lautlich auffallend sei: Die drei b-Silben sorgen für Stottern, Schmunzeln und Memorierbarkeit, so Kempf.
Wie wärs mit «nudabel»?
Bei allem Respekt vor Daniel Kochs Neuschöpfung und seinem Sprung in die Aare, welcher die «Bebadbarkeit» beweisen sollte – ich finde, es ist Zeit, sich langsam vom Wort «bebadbar» zu verabschieden und es die Aare hinabfliessen zu lassen. Die Kuh ist gemolken, die Zitrone ausgepresst.
Bedienen wir uns als vielsprachiges Land doch bei unseren lateinischen Schwestern und Brüdern. Auf Französisch existiert das Wort «baignable» und es wurde jüngst an den Olympischen Spielen wieder häufiger gebraucht, als sich die Welt fragte, ob denn nun Schwimmer*innen in die Seine springen dürfen – oder nicht. Tessiner*innen suchen nach «acque balneabili» – zugegeben nicht ganz leicht in der Aussprache.
Einfacher haben es da die Rätoroman*innen mit «nudabel», was wörtlich übersetzt «beschwimmbar» heisst. Eine Anfrage bei Lia Rumantscha, dem Dachverband aller romanischen Sprachvereine, hat zwar ergeben, dass das Wort kaum gebraucht wird. Doch das kann sich ja ändern.
Zeit für Schützenhilfe aus der Deutschschweiz, finde ich. Fragen wir uns im Frühsommer also von nun an kollektiv, ob die Aare «nudabel» ist. Vielleicht leisten wir damit sogar noch einen Beitrag zum Erhalt unserer vierten Landessprache.
Viva!