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Freiheit – «Hauptstadt»-Brief #397

Samstag, 30. November 2024 – die Themen: Stiftung Rossfeld; Präsident*innen; Bauernjahr; Reichtum; Züri West; Fussball; Askforce; Generationenhaus.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Gestern Mittag wohnte ich einem feierlichen Moment bei, als ein kleines Stück neue Freiheit entstand. Seit Jahrzehnten befinden sich im Berner Rossfeld-Quartier die Regelschule und die besondere Volksschule der Stiftung Rossfeld für Kinder mit Körperbehinderung nebeneinander. Der direkte Verbindungsweg führte – über eine Treppe. Ein No-Go für Menschen im Rollstuhl.

Die frühere SP-Politikerin Giovanna Battagliero ist seit 2022 Direktorin der Stiftung Rossfeld, dem Kompetenzzentrum für Menschen mit Körperbehinderung. Für die Treppe musste aus ihrer Sicht endlich eine Alternative her. Sie fand in Gemeinderat Michael Aebersold (SP), zuständig für Finanzen, einen Verbündeten. Die Stadt steuerte 25’000 Franken an das Projekt bei. Einwände der Denkmalpflege – das Schulhaus Rossfeld ist inklusive Aussenraum als schützenswert eingestuft – liessen sich ausräumen. Und so wurde gestern Freitag eine rollstuhlgängige Rampe eingeweiht, deren Prunkstück eine elegante Haarnadelkurve ist.

Die Schülerin Anja Imobersteg, die der Rampe eine starke Zeichnunggewidmet hat, findet sie «einfach cool», ihr Kollege Lian Kristensen ist froh, mit seinem Rollstuhl nun nicht mehr Riesenumwege fahren zu müssen. Malea von Niederhäusern freut sich über die perfekte Neigung der Rampe, dank der sie mit ihrem armbetriebenen Rollstuhl problemlos ab- und auffahren kann – und so leichteren Zugang hat zur grösseren Schulbibliothek. Und ja, auch die Pausendisco, die in der Regelschule ab und zu stattfindet, kann ab sofort easy mit dem Rollstuhl angesteuert werden.

Die neue Rampe ermöglicht spontane Begegnungen von Kindern mit und ohne Behinderung. Ihre überfällige Realisierung war weder besonders aufwändig noch teuer. Trotzdem dauerte sie fast zwei Jahre. Das lässt nur erahnen, wie weit der Weg zur hindernisfreien Stadt noch ist. Giovanna Battagliero versteht die Einweihung der Rampe deshalb auch als Aufruf an die letzten Sonntag neu gewählten Politiker*innen, mehr Engagement für die Inklusion zu zeigen.

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Bilderserie von David Fürst (1/12): Chiara am House Cypher unter der Brücke vor der Reitschule.  (Bild: David Fürst)
  • Präsident*innen: Nach dem Verzicht von Alec von Graffenried (GFL) auf einen zweiten Wahlgang ist Marieke Kruit (SP) definitiv ab 2025 neue Berner Stadtpräsidentin, wie die Stadt am Freitag mitteilte. Als Frau im wichtigsten politischen Amt ist Kruit aber in der Agglomeration ziemlich alleine. Nur zwei von 17 Gemeinden um Bern haben eine Präsidentin, wie ein Überblick der «Hauptstadt» zeigt – Tanja Bauer (SP) in Köniz und Marlise Gerteis (SVP) in Neuenegg. Nahe liegt Bern diesbezüglich bei Biel, das ebenfalls von einer rot-grünen Mehrheit regiert wird – und mit Glenda Gonzalez Bassi (SP) ab 2025 neu eine Stadtpräsidentin hat.
  • Bauernjahr: Meine Kollegin Andrea von Däniken hat sich der Aufgabe verschrieben, zum besseren Verständnis zwischen produzierenden Landwirt*innen und konsumierenden Städter*innen beizutragen. Jeden Monat besucht sie einen Betrieb in der Region und diskutiert mit den Landwirt*innen über ihre Herausforderungen. Mir hilft es sehr, beim Einkauf – ob auf den Märit oder beim Detailhändler – besser zu verstehen, was ich als Konsument tue. Lies hier, was sie nach ihrem Besuch im Emmental bei Christoph Stalder schreibt, der seine Schweinemast aus innerer Überzeugung nachhaltiger machen will.
  • Reichtum: Die Wirtschaftszeitung «Bilanz» veröffentlicht jedes Jahr die Liste der 300 reichsten Menschen in der Schweiz. Jedes Jahr erfahren wir: Die Reichen werden noch reicher. Am reichsten im Kanton Bern ist die Familie von Ernesto Bertarelli (Vermögen: 16,5 Milliarden Franken), die in Saanen residiert. An zweiter Stelle für Bern folgt Hansjörg Wyss (7,5 Milliarden Franken), der unter anderem als Unterstützer der Wyss Academy for Nature und der geplanten Erweiterung des Kunstmuseums wichtig ist. In der engeren Region Bern sticht die Familie Inäbnit (1,8 Milliarden) heraus, die das Könizer Medizinaltechnikunternehmen (Augenoptik) Haag-Streit gross gemacht und verkauft hat. Ebenso die Familie Wagner (1,8 Milliarden), die mit der Kunststoffherstellerin Rehau (Muri) reich geworden ist.
  • Musik: Die Berner Rockband Züri West hat dieses Woche zu ihrem 40-Jahr-Jubiläum ein Buch veröffentlicht. Respektive zwei. Einen Bildband mit Texten von Gründungsmitglied und Musikjournalist Sam Mumenthaler sowie ein Songbook mit Skizzen von Sänger Kuno Lauener. Zusammen rund 1000 Seiten. Für Menschen wie mich, die jung waren, als die Band jung war, ist der 5 Kilo schwere Doppelwälzer auch ein – nicht unmelancholischer – Rückblick auf das eigene Leben. 
  • Fussball: Nach dem Champions-League-Debakel gegen Atalanta Bergamo spielen die Young Boys am Sonntag (16.30 Uhr, Wankdorf) gegen St. Gallen. Mit einem Sieg könnten sie sich wenigstens im Mittelfeld festkrallen. Bei den Frauen gibt es Action neben dem Spielfeld: Sandra Betschart, General Managerin der YB Frauen, gehört zu den fünf Gründerinnen des neuen Netzwerks «Fussball kann mehr», das für mehr Sichtbarkeit des Frauenfussballs sorgen will.
  • Askforce: Wie unterscheidet sich die Mangellage von der Seitenlage oder von der Steisslage? Die Askforce entdeckt neue Dimensionen der energiepolitischen Diskussion.

PS: Morgen Sonntag beginnt der Advent. Und das Berner Generationenhaus hat sich einen besonderen (und vom letzten Jahr bewährten) Adventskalendernamens «Lametta für alle» ausgedacht. Bis Weihnachten geht im Kappellenhof (Innenhof hinter dem Restaurant Toi et Moi) jeden Tag ein Türchen auf – und heraus kommt eine kulturelle Live-Darbietung: Musik, Theater, Film oder Literatur. Samstag und Sonntag um 16 Uhr, wochentags um 17.15 Uhr, Eintritt frei.

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