«Immer wieder verwischen die Grenzen zum Familienleben»
Fotoporträt #24: Ernestyna Orlowska (37) schwärmt als vielseitige Künstlerin von der Wärme, Energie und Kraft der handgemachten Ästhetik.
«Ich mag es, mit den Händen zu arbeiten, schöpferisch zu sein, mit Materialien zu experimentieren und mich vom Material leiten zu lassen.
Die handgemachte Ästhetik hebt sich ab von der industriellen Ästhetik. Sie hat eine andere Wärme, Energie und Kraft. Zum Beispiel, wenn ich eine Perücke verfremde, sie mit Giessharz, Silikon und Farbe forme. So etwas könnte man niemals im Mainstream kaufen, weil es überhaupt nicht dem kapitalistischen Konsumideal entspricht. Eine solche Perücke birgt eine zerstörerische Kraft in sich, mit der geflirtet und gespielt wird.
Wenn ich die Möglichkeit habe, mir ein neues Projekt auszudenken, finde ich das sehr aufregend. Für mich, aber auch für andere. Es geht Hand in Hand. Ich glaube, wenn man der eigenen Freude und Intuition folgt, dann können andere davon profitieren. Vor allem in einer Welt, die von Rationalität und Optimierung beherrscht wird.
Natürlich bin ich als Mutter, Unternehmerin und Künstlerin auch selbst Optimierungen und Produktivitätsdiktaten unterworfen. Immer wieder verwischen bei mir die Grenzen zum Familienleben. Aber andererseits ist das auch eine Inspirationsquelle für mich. Zum Beispiel setze ich mich über mehrere Projekte hinweg mit der Ästhetik des sich Abmühens auseinander und untersuche wie der Neoliberalismus unser Privatleben formt.»
Ernestyna Orlowska (37) arbeitet als Künstlerin, Performerin und Kostümbildnerin. Ursprünglich kam die gebürtige Polin 1989 nach Biel und zog 2010 nach Bern, um an der Hochschule der Künste zu studieren. Nach ihrem Abschluss 2013 ist sie hier geblieben. Orlowska ist dreifache Mutter und befindet sich momentan im Mutterschaftsurlaub.