Ostermundigen Spezial

«Wir wollen keine Stadterweiterung Bern Ost»

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten sagt, die aktuelle Dynamik seiner Gemeinde habe nichts mit den Fusionsverhandlungen mit Bern zu tun. Im Gegenteil: Iten fühlt sich von der Stadt nicht ernst genommen und bevorzugt eine Politik der kurzen Wege.

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten, Mai 2022
«Ich höre aus der Stadt und aus der Gemeinde immer wieder, dass ich der Gamechanger sei»: Ostermundigens Gemeindepräsident vor dem «BäreTower». (Bild: Jana Leu)

Thomas Iten, wo befindet sich das Herz von Ostermundigen?

Thomas Iten: In Ostermundigen schlagen ganz viele Herzen, es gibt nicht nur eines. Jemand hat mir einmal gesagt: Ostermundigen hat kein Zentrum, aber wir haben einen Dorfplatz, und das sind die Vereine. Sie sind die Herzen einer Agglo-Gemeinde wie Ostermundigen.

Für Sie persönlich, wo liegt das Herz?

Das ist stimmungs- und zeitabhängig. Heute gerade befindet es sich bei der Theatergruppe Madame Bissegger, die im Steingrüebli von Ostermundigen ihr Freiluftstück einstudiert, das sie ab Mitte Juni spielen wird.

Ostermundigen wächst, es wird gebaut wie wild. Was fehlt, sind Begegnungsorte für die Menschen.

Mit der Geschichte, die Ostermundigen hat, ist es unmöglich, ein Ortszentrum zu konstruieren. Deshalb ist ein zentraler Gedanke unserer Entwicklungsstrategie von «O’mundo»: Wir verändern unter anderem die pulsierende, heute sehr stark befahrene Bernstrasse zu einem Korso. 

Das heisst?

Künftig sollen vor allem die baufälligen Liegenschaften an der Bernstrasse ersetzt, ein paar Meter von der Strasse zurückversetzt und mit einem überhohen Erdgeschoss für öffentliche Nutzungen ausgestattet werden. Das soll die Begegnungszone der Zukunft werden, wenn das Tram fährt. Der Zeithorizont, bis diese Planung vollständig umgesetzt ist, beträgt aber mindestens 20 Jahre. 

Die Menschen möchten Begegnungsorte bald, nicht erst für die nächste Generation.

Bei diesem Thema sind wir erst am Anfang. Der Prozess von der Durchgangsstrasse zur Begegnungszone, den etwa die Mittelstrasse in der Länggasse durchgemacht hat, steht uns erst bevor.

Warum hat man diese Entwicklung bis jetzt verpasst?

Unter anderem, weil die Agglo, nicht nur Ostermundigen, sehr zufällig entstanden ist. Bei uns wurden diese Gedanken erst ausgelöst durch die grossen Arealentwicklungen und die Arbeiten von «O’mundo» der letzten Jahre. Wir sind erst auf dem Weg zu den urbanen Ideen. Konkretes Beispiel von letzter Woche: Der Gemeinderat hat einen Kredit genehmigt, um ein Konzept für die Einführung von Tempo 20 und 30 in den Quartieren zu erarbeiten.

Im Oberfeld wurden und werden grosse Siedlungen neu gebaut. Man könnte alles gestalten und trotzdem geht der Wunsch der Bewohner*innen nach einem Quartierzentrum bis jetzt unter. 

Vielleicht ist die Vernetzung von Nachbarschaften ein Thema, dem wir bis jetzt zu wenig bewusst Beachtung geschenkt haben. Das Quartierzentrum Oberfeld beschäftigt mich, seit ich Gemeindepräsident bin. Die Gemeinde hatte das Vorkaufsrecht für das ehemalige Schützenhaus, um einen zentralen Quartierort einzurichten, schaffte es aber politisch und finanziell nicht, die Idee umzusetzen. Jetzt befindet sich dort ein Velogeschäft mit einem kleinen Café, einer Kita und einem Kindergarten.

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten, Mai 2022
«Die aktuelle Dynamik in Ostermundigen hat mit der Fusion dreimal nichts zu tun», stellt Thomas Iten klar. (Bild: Jana Leu)

Das Quartierzentrum ist damit vom Tisch?

Eine Parzelle gibt es noch, die die Gemeinde kaufen könnte, um ein Quartierzentrum zu bauen. Aber im Parlament gibt es Stimmen, die der Auffassung sind: Wir machen nicht etwas nur für das Oberfeldquartier, sondern wenn schon für die ganze Gemeinde an zentraler Lage.

Man kann es wohl nicht allen recht machen?

Das ist eine von vielen Herausforderungen, nicht nur in der Agglomeration. In einer Vorortsgemeinde wie Ostermundigen prallen unterschiedliche Lebenswelten aufeinander. Überspitzt gesagt: Menschen, die nur mit dem Velo unterwegs sind, auf der einen, SUV-Fahrer*innen, die zeigen müssen, dass sie es zu etwas gebracht haben, auf der anderen Seite. Ein Quartierplatz bringt da nicht viel, die Lösung dafür, diese unterschiedlichen Lebenswelten zu versöhnen, habe ich noch nicht. Genau aus diesem Grund erarbeiten wir zurzeit ein Gesellschaftsleitbild.

Im Gemeinderat prallen diese Ansichten auch aufeinander. Sie fahren meist Velo, Ihre SVP-Regierungskollegin Aliki Panayides fährt mit dem BMW.

Wir reden miteinander. Wir suchen den Kompromiss, damit es für beide Platz hat. Ich bin überzeugt, dass die Agglo das Scharnier zwischen städtischen und traditionellen Haltungen ist.

Ostermundigen befindet sich zwischen Stadt und Land, zwischen Stuhl und Bank. Was ist das Gute daran, hier zu leben? 

Wir haben alles, was wir zum Leben brauchen, in Fuss- oder Velodistanz. Wir sind schnell im Grünen, aber auch schnell in der Stadt. Was fehlt, ist bloss ein Kleider- und Schuhladen.

Ist für all diese Herausforderungen einer Agglo-Gemeinde die mit der Stadt Bern derzeit geplante Fusion überhaupt wichtig?

Die aktuelle Dynamik in Ostermundigen hat mit der Fusion dreimal nichts zu tun. Es gibt auch Stimmen, die sagen: Für die Entwicklung, die in Ostermundigen gerade angelaufen ist, ist eine kleine Struktur mit kurzen Wegen zielführender.

Die Planung der städtischen Siedlung Viererfeld dauert schon 25 Jahre, die Entwicklung des «BäreTower» ging wohl etwa halb so lang.

Das stimmt. Die Idee zum Tower entstand vor zwölf Jahren. Ich will nicht die Stadt gegen die Agglo-Gemeinden ausspielen. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass wir viel schneller agieren. Wenn wir ein Problem haben, telefoniert ein Gemeinderat mit einem andern, mit der Verwaltung und dann wird gehandelt. In der Stadt ist das nicht möglich, weil die Verwaltung gross und die politischen Instanzen vielfältig sind.

Das spricht also gegen eine Fusion.

In der Fusionsdebatte wird oft thematisiert, was Ostermundigen von der Stadt erhält. In der Politik fragt kaum jemand: Wo könnte die Stadt von Ostermundigen profitieren? An dieser Frage müssen wir auch arbeiten. Der Umgang mit den Vereinen zum Beispiel ist mittlerweile eine zentrale Frage für die Fusion.

Der FC Ostermundigen zum Beispiel sei gegen die Fusion, hört man.

Ich weiss nicht, was der FCO letztlich denkt. Aber: Wir haben eine Leistungsvereinbarung mit vielen Vereinen. Da helfen zum Beispiel zwanzig Fussballjunioren, den Wald zu putzen. Im Gegenzug erhält der Verein die Infrastruktur kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Stadt Bern kennt ein solches System in dieser Form nicht. 

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten, Mai 2022
«Meine Vision wäre eine Fusion, bei der nicht nur Bern und Ostermundigen mitmachen»: Iten trauert einer Grossfusion nach. (Bild: Jana Leu)

Sie sind nun mitten in den Verhandlungen mit der Stadt. Warum wollen Sie fusionieren?

Jetzt kommt die typische Politiker-Antwort: Wir haben vom Parlament den Auftrag, Vor- und Nachteile einer Fusion aufzuzeigen. 

Die Verhandlungen führt man ja mit einem klaren Ziel. Warum will Ostermundigen eine Fusion? 

Der Auslöser im Parlament für ein Ja zu Fusionsverhandlungen war damals die finanzielle Situation. Wir sind nach wie vor nicht auf Rosen gebettet, denn das Pro-Kopf-Einkommen ist tiefer als in den umliegenden Gemeinden. 

Sind Sie persönlich für eine Fusion?

Wir äussern uns als Gemeinderatsmitglieder nicht vor Ende der Verhandlungen. Das ist eine klare Abmachung, an die sich alle halten. Ich bin mir bewusst, dass das nicht die Antwort ist, auf die Sie gewartet haben. 

Diese Haltung macht einen total unentschlossenen Eindruck gegenüber der eigenen Bevölkerung und gegenüber der städtischen. Warum sind Sie von der Fusion nicht überzeugt?

Ich sage nicht, dass ich nicht überzeugt bin. Ich sage auch nicht, dass ich dagegen bin.

Mit Ihrer zögerlichen Haltung droht diese Fusion schon im Keim zu ersticken. An einer Podiumsdiskussion in Bern hat kürzlich der Luzerner Alt-Regierungsrat Paul Huber, der die Fusion von Luzern und Littau begleitet hat, gesagt, die politischen Verantwortlichen müssten für eine erfolgreiche Fusion mit Leadership vorangehen, sonst könne man es vergessen.

Wir agieren nicht zögerlich. Wenn dem so wäre, würden wir auf Zeit spielen. Wir wollen im vierten Quartal 2023 einen Volksentscheid, so dass die Fusion bei einem positiven Entscheid der Stimmberechtigten der beiden Gemeinden per 1.1.2025 umgesetzt werden könnte.

Paul Huber sagte auch, Kleinfutter könne man regeln, die Kehrichtabfuhr, die Kitas, etc. Aber die Vision muss man zu Beginn schon haben. Was ist Ihre Vision?

Meine Vision wäre eine Fusion, bei der nicht nur Bern und Ostermundigen mitmachen. Wenn, dann müssten wir einen grösseren Wurf machen. Aber die ist vom Tisch. Ich habe es ausserordentlich bedauert, als die anderen Gemeinden sich anders entschieden haben, respektiere aber deren Volksbeschlüsse.

Parteiloser Bähnler

Thomas Iten ist seit 2013 Gemeindepräsident von Ostermundigen. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. Die ganze Familie sei aktiv in Ostermundiger Vereinen, betont er auf seiner Website. Vor seiner Wahl zum Gemeindepräsidenten war Iten beruflich in leitender Stellung in der Abteilung Personenverkehr der BLS tätig. Davor war er lange Jahre bei der SBB. Seine Bähnler-Karriere gestartet hatte er als Bahnbetriebsdisponent im SBB-Bahnhof Murten. Iten ist parteilos. Er trat aus der SP aus, da er 2013 als wilder Kandidat unter anderen gegen einen SP-Kandidaten antrat.

Sie könnten jetzt mit Leadership vorangehen und eine Fusion Ostermundigen-Bern ermöglichen. Aber das wollen Sie offenbar nicht, wenn man Sie jetzt reden hört.

Das sagen Sie. Nochmals: Wir haben im Gemeinderat entschieden, dass wir uns erst dann äussern, wenn das Gesamtergebnis vorliegt. Es wird keine Einzelstatements von mir oder anderen Mitgliedern des Gemeinderats geben, bis der Prozess abgeschlossen ist.

Laufen die Verhandlungen mit Bern gut oder harzig?

Wir sind am Verhandeln.

Geht die Stadt entschieden genug voran?

Ich vergleiche es gerne mit BLS und SBB. Als ich bei der BLS arbeitete, hat man sich im Betrieb noch gekannt. Man hat auch den «grossen» Chef mal gesehen. Bei der SBB war das kaum möglich. Für die Stadt Bern ist die Fusion eines von vielen Projekten, was aber aus meiner Sicht bei der Fülle an Projekten auch nachvollziehbar ist. 

Sie sagen also, für Bern sei die Fusion nicht prioritär. In Bern sagt man hinter den Kulissen, Ostermundigen bremse.

Da hören Sie mehr als ich.

Was denken Sie: Will Bern die Fusion wirklich?

Was ich aus der Bevölkerung immer wieder höre, ist: Es reicht nicht, wenn man sagt, man sei offen für Ostermundigen.

Was müsste von Bern noch kommen?

Bei den Punkten, die für unser Parlament zentral sind, müsste von Bern ein positives Signal kommen. 

Das wäre also ein sechster Sitz im Gemeinderat, ein Sondersitz für Ostermundigen. Warum ist der so wichtig?

Es geht darum, dass man in den vier Jahren Übergangszeit die Wichtigkeit von Ostermundigen anerkennt. Dass man einen bewussten Sonderstatus hat und dadurch die Transformation umsetzen kann. Ob die Lösung ein Sondersitz oder eine fusionsdelegierte Person ist, können wir erst abschätzen, wenn die Fusionsdokumente vorliegen. Letztlich sind Verhandlungen aber auch eine Vertrauensfrage: Die Situation vergangenen Herbst, als von Berner Seite Entscheide an die Presse gelangten, die anders abgemacht waren, hat bei vielen Menschen in Ostermundigen ein Misstrauen ausgelöst. Und auch wichtig: Unsere Ortsplanungsrevision, die Schulraumplanung, die ÖV-Projekte, der Richtplan Energie, der Besitzstand für unsere Mitarbeitenden und die Stadtteilkommission sind unverhandelbar.

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten, Mai 2022
«Wenn mich das Fusionsprojekt nicht interessieren würde, hätte ich den Stecker gezogen», sagt Thomas Iten. (Bild: Jana Leu)

Wo ist die Ortsplanungsrevision bei der Fusion umstritten?

Inhaltlich haben wir aus meiner Perspektive keine Differenzen. Wir wollen den eingeleiteten Prozess abschliessen. Diese Revision ist für Menschen in Ostermundigen viel wichtiger als die Frage, wer den Kehrichtsack abholt. 

Warum betonen Sie diese Ortsplanungsrevision?

Wir wollen die geplanten Begegnungsorte schaffen, die Siedlungsentwicklung nach innen stärken, die Biodiversität fördern, die Mobilität für die Bedürfnisse aller Mundiger*innen verbessern, eine dritte Allmend schaffen und vieles mehr. Es geht auch um den Schutz von Kulturland. Wir wollen letztlich keine Stadterweiterung Bern Ost, wie das in Langfristplanungen von übergeordneten Planungsinstrumenten vorgesehen wurde. 

Sie haben zu Beginn begeistert von Ostermundigen gesprochen. Wir haben den Eindruck, die Fusionsthemen erscheinen Ihnen im Vergleich dazu nur mühsam.

Sie sind anspruchsvoll, klar, aber auch spannend, intensiv, lehrreich, und ich bin trotz der Komplexität voll dabei. Die Gemeindeschreiberin und ich arbeiten täglich effizient für das Fusionsprojekt. In der Ortplansungsrevision «O’mundo» ist wohl mehr Power drin als in der Fusion, weil es viel sichtbarer ist. Wenn mich das Fusionsprojekt nicht interessieren würde, hätte ich den Stecker gezogen. Ich höre aus der Stadt und aus der Gemeinde immer wieder, dass ich der Gamechanger sei.

Das heisst?

Wenn ich aus der Fusion aussteigen würde, wäre die Luft draussen, heisst es. Aber es ist letztlich ein so zentrales Projekt, bei dem nicht meine persönlichen Präferenzen wichtig sind, sondern die Haltung des Gemeinderates, und die Luft ist alles andere als draussen.

Wäre der sechste Gemeinderatssitz nicht etwas für Sie?

Ich werde das häufig gefragt. Ein guter Bekannter sagte mir: Du würdest vermutlich nicht in eine so grosse Organisation passen. Du wärst dadurch zu weit weg von den Menschen. Offen gesagt, ich weiss es nicht.

Sie wollen am liebsten Gemeindepräsident bleiben?

Das wollte ich damit nicht sagen. Den Job als Gemeindepräsident sollte man aus meiner Sicht 10 bis 14 Jahre lang machen. Ich mache diesen 24-Stunden-Job seit etwas mehr als neun Jahren und das jeden Tag mit Herzblut und grossem Respekt vor der Verantwortung. Und eines ist klar: Politische Karrieren kann man nicht planen.

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten im Interview, Mai 2022
Würde das Freibad bei einer Fusion gratis? Thomas Iten hat darauf noch keine Antwort. (Bild: Jana Leu)

Wenn man überlegt, die Fusion käme und Sie stiegen aus der Exekutive aus, dann wäre Grossrat eine Option. Aber in Ihrer Position als Parteiloser wird das schwierig, oder? 

Ja, das wäre wohl schwierig. Mir wird vielfach die Frage gestellt, ob ich wieder in eine Partei eintreten werde. Was meine nächste Position sein wird, weiss ich schlicht noch nicht. Vielleicht habe ich in einem halben Jahr die Erkenntnis – wenn die Fusionsdokumente vorliegen –, dass ich in der Lage sein könnte, diese Fusions-Transformation zu begleiten. Wir haben intern kürzlich eine Analyse gemacht, wo die grössten Risiken bezüglich des Knowhow-Verlustes bei einer Fusion zu orten sind. Resultat: Was den Wissentransfer anbelangt, bin ich das grösste Risiko, wenn ich meinen Job ohne vorbereitete Übergabe aufgeben würde.

Dann sind Sie aber auch das grösste Risiko in dieser Fusion, denn Sie müssten vorangehen. Was braucht es im nächsten Jahr, damit eine Fusion gelingt?  

Wir müssen das Gesamtpaket, das vergleichbar mit einem Blumenbouquet ist, kennen. Vorher wird es weder von mir noch vom Gesamtgemeinderat ein Statement dazu geben. Das spricht nun aber nicht für oder gegen die Fusion. Aber Ja: Vielleicht müsste ich mit unserer etwas hemdsärmeligen Art eine andere Kultur in die Stadtberner Politik einbringen.

Das haben schon ein paar andere versucht.

Bei uns sind die Prozesse in der Regel schlanker. Beispielsweise der Vorlauf bis ein Geschäft in der Legislative behandelt wird. Wir können uns solche langen Abläufe gar nicht leisten. Darum sind wir ein wenig hemdsärmeliger unterwegs als Bern. Vielleicht komme ich also plötzlich mit einer ganz anderen These und sage: «Doch, wir übernehmen die Stadt Bern!» Diese Aussage mache ich mit einem Augenzwinkern und will damit nochmals auf den Punkt zurückkommen, dass für eine erfolgreiche Fusion beide Projektpartner voneinander lernen und profitieren sollten.

Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten, Mai 2022
«Ich bin ein rechter Linker oder ein linker Rechter.» Thomas Iten legt sich nicht gerne fest. (Bild: Jana Leu)

Interessant wäre in diesem Fall ja folgende Frage: Sind Sie ein Linker oder nicht? 

Ich bin parteipolitisch unabhängig. Ich befinde mich irgendwo zwischendrin, ein rechter Linker oder ein linker Rechter wahrscheinlich.

Aber kein GLP-Mitglied in spe?

[lacht] Diese Frage höre ich nicht zum ersten Mal. Ich versuche im Moment lieber Lösungen im Sinn der Sache zu finden, als ein Parteigeplänkel zu haben. Wir müssen endlich wieder lernen, miteinander zu sprechen und aufeinander zuzugehen. Die Pandemie hat auf schmerzhafte Weise gezeigt, dass wir nicht mehr in der Lage sind, Kompromisse zu schmieden. Ich bin dezidiert der Auffassung, dass die parteipolitischen Extreme Lösungen verhindern. Ich bin im Jahr 2000 in die Politik gekommen, weil ich Mitglied des Jugendparlaments war. Wenn mich die CVP gefragt hätte, wäre ich vielleicht dorthin gegangen. Die SP war halt schneller. Zudem ist man als Eisenbahner per se Gewerkschafter. Aber schon damals war ich kein typischer Parteipolitiker. 

Aber Sie sind ein geborener Politiker. Falls sie durch die Fusion kein Amt mehr haben und als Parteiloser auch nicht Grossrat werden können: Was machen Sie dann?

Dann suche ich mir einen neuen Job. Ich sage immer wieder, dass ich ein Mandat bis 31. Dezember 2024 habe – Fusion hin oder her. Letztendlich hat der Gemeinderat den Auftrag, nicht nur für die Fusion zu arbeiten. Es könnte ja auch sein, dass wir ein super Fusionsprojekt haben und dann sagen die Stimmberechtigten Nein. Was ich damit sagen will: Wir sind angehalten, alle anderen Projekte der Gemeinde nicht zu vernachlässigen.

Zum Schluss die wohl meistgestellte Frage zur Fusion: Würde bei einer Fusion das Mundiger Freibad gratis?

Das ist eines der emotionalsten Themen. Ich weiss noch nicht, wie das bei einer Fusion herauskäme.

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Wie erlebst du die Debatte um die Kooperation der Gemeinden? Sollen Bern und Ostermundigen fusionieren? Kommentiere unten oder schreibe uns eine Mail auf [email protected] oder [email protected].

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Mitarbeit: Sandro Arnet

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Diskussion

Unsere Etikette
Christian Studer
21. Mai 2022 um 04:33

Merci fürs Fragen Re: Schwimmbad. :-)

Ich bin gespannt auf den Abstimmungskampf. Das könnte auf der emotionalen Linie noch lustig werden (Diskussionen um Ortsschilder, Wappen, Postleitzahlen, Badi-Eintritte...).

Rolf Helbling
17. Mai 2022 um 20:03

Wirklich scharf auf die Fusion scheint niemand zu sein. Ich kenne aber auch in Bern niemanden persönlich, der klar dagegen ist. Es scheint einfach den meisten egal zu sein. So wird wahrscheinlich mindestens eine Gemeinde NEIN sagen.