Berner Boulder-Boom: Neue Halle in Köniz

In Köniz soll mit dem «Chübu» bald eine neue Boulderhalle eröffnen. Damit entsteht bereits das fünfte neue Angebot für diese Trendsportart im Raum Bern innert kurzer Zeit.

Chübu Köniz
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Das Material für die geplante Boulderhalle hat der Verein «Chübu» aus einer alten Halle in Zug ausgebaut. (Bild: Danielle Liniger)

Am Montagabend versammeln sich in einem Industriegebäude an der Gartenstadtstrasse in Köniz rund 50 Menschen. Sie lauschen einer sorgfältig vorbereiteten Präsentation.

Unter dem Namen «Chübu» soll hier, in der leerstehenden Industriehalle direkt neben dem Könizer Bahnhof, auf 1000 Quadratmetern eine neue Boulderhalle entstehen. Der gleichnamige Verein, bestehend aus rund 15 Menschen aus der Region Bern, stellt an diesem Abend seine Pläne vor.

Das Material, um die Halle auszustatten, lagert schon vor Ort: Dicke Schaumstoffmatten, Holzbalken, Planen. Es stammt aus einer Halle in Zug, die kürzlich den Betrieb einstellte. Alles Material sollte entsorgt werden. Als der Berner Kletterer und Sozialtherapeut Raphael Melliger davon erfuhr, dachte er sich: «Kletterelemente gehören nicht in den Müll, sie lassen sich wiederverwenden.»

Innert Tagen fand sich eine Gruppe aus der Berner Kletterszene zusammen, die im Schichtbetrieb die Zuger Halle abbaute und das Material mit fünf Sattelschleppern nach Köniz transportierte. Sie gründeten den Verein und mieteten die leerstehende Industriehalle an der Gartenstadtstrasse. 

Nun steht der Verein «Chübu» kurz vor der Baueingabe. «Wenn alles nach Plan läuft, werden wir die recycelten Kletterwände im Sommer aufbauen und die Halle im Oktober eröffnen», sagt Melliger. Das Team arbeitet bisher rein ehrenamtlich, der Verein ist gemeinnützig. 

Trendsportart Bouldern

Beim Indoor-Bouldern geht es darum, Kletterrouten ohne Seil an niedrigen Wänden von maximal viereinhalb Metern Höhe zu bewältigen. In Hallen finden sich Routen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden, für Anfänger*innen und Fortgeschrittene. Die Landung dämpfen Matten am Boden.

Da es weniger Material und technisches Know-How benötigt als das Klettern am Seil, ist das Bouldern eine niederschwellige Sportart – abgesehen von den nicht ganz günstigen Hallen-Eintrittspreisen, die im Raum Bern zwischen 14 und 27 Franken pro Einzeleintritt betragen.

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Raphael Melliger hat innert Tagen eine Gruppe von Helfenden mobilisiert, die das Material in Zug abbaute und nach Bern verfrachtete. (Bild: Danielle Liniger)

Früher diente das Bouldern oft eher als Ergänzungstraining für ambitionierte Sport- und Fels-Kletterer*innen. Heute schätzen viele Menschen die Sportart als Alternative zum Fitnesstraining und als soziale Aktivität mit Breitensport-Charakter. Das hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Hallen vor allem in den Wintermonaten und am Abend oft regelrecht überlaufen sind.

Viele neue Angebote in Bern

Kein Wunder also, dass mit der Nachfrage auch das Boulderangebot wächst. Viele Anbieter*innen haben ihre Hallen erweitert und aufgerüstet. Mit dem «Chübu» entsteht im Raum Bern bereits das fünfte neue Angebot innerhalb von eineinhalb Jahren. Die Berner Boulderfläche wird sich mit der Eröffnung der Könizer Halle in kurzer Zeit fast verdreifacht haben.

Wie lange ist dieses Wachstum nachhaltig? Droht eine Übersättigung der Berner Boulderwelt? Die «Hauptstadt» hat bei den kommerziellen Anbieter*innen nachgefragt.

Das Bimano am Zentweg verfügt über kein Kletterangebot, sondern setzt ausschliesslich auf Bouldern. «Wir verzeichnen im Jahresschnitt 100 bis 200 Eintritte pro Tag», sagt Ramon Trachsel, der den Betrieb 2017 mitgegründet hat. Im letzten Sommer hat das Bimano seine Halle erweitert. Es seien 500 Quadratmeter hinzugekommen, so Trachsel. Damit verfüge man jetzt über eine Grundfläche von 1300 Quadratmetern, auf der sich die Boulderwände und Trainingsbereiche befinden. Trachsel schätzt, dass die Region Bern mit den gegenwärtigen Bouldermöglichkeiten «gesättigt» ist. 

Das Bimano sieht sich beispielsweise mit dem «Boulderbad Muubeeri» konfrontiert, in dem seit Anfang 2024 auf 300 Quadratmetern im alten Hallenbad Hirschengraben gebouldert werden kann. In der städtischen Liegenschaft hat die O’Bloc AG aus Ostermundigen als Zwischennutzung für drei Jahre einen Trainingsort in Bahnhofsnähe mit vergleichsweise moderaten Eintrittspreisen geschaffen. 

Auch in seiner Ostermundiger Kletterhalle hat O’Bloc die eigene Boulderfläche jüngst massiv vergrössert: Mit dem Ende August 2024 eröffneten Erweiterungsbau verdoppelte sich die Boulderlandschaft auf über 1400 Quadratmeter auf zwei Etagen.

Trotzdem sehen die Verantwortlichen des O’Bloc vorerst kein drohendes Boulder-Überangebot in Bern. Beginne eine Person im Sommer mit dem Bouldern, habe diese womöglich den Eindruck, es sei eine Randsportart. Komme jemand dagegen an einem regnerischen, kalten Sonntag in eine Boulderhalle, sei das komplette Gegenteil der Fall. So oder so komme man in Bern mit den bestehenden Angeboten «fast immer auf seine Boulder-Kosten».

Das «Magnet» in Niederwangen ist die älteste Kletterhalle der Region. Auch sie hat durch einen Umbau in den vergangenen Monaten ihre eher kleine Boulderfläche ungefähr verdoppelt. Dies scheint allerdings in der Szene noch nicht angekommen zu sein, denn regelmässige Bouldergäste gebe es aktuell nur wenige, so die Betreiber*innen des Magnet-Teams. Sie schätzen diese auf weniger als zehn Personen pro Tag.

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Noch gibt es viel zu tun: Als Nächstes steht ein Crowdfunding an, um das Projekt zu realisieren. (Bild: Danielle Liniger)

Das Boulder-Angebot in der Stadt Bern sei mit der Vergrösserung von Bimano und O’bloc «sicher nicht schlecht gedeckt», so die Betreiber*innen. Demgegenüber sehen sie allerdings eine grosse und «möglicherweise noch steigende» Nachfrage. Was sie in dieser Ansicht bestärkt: Bouldern sei ein Sport, den sowohl Kinder als auch Erwachsene auf ganz unterschiedlichen Niveaus mit geringem Materialaufwand ausüben können.

Crowdfunding für einen sozialen Treffpunkt

Ein Realitätstest hinsichtlich der Berner Boulder-Nachfrage steht dem Könizer «Chübu»-Team bevor. Mit einem Crowdfunding will der Verein innerhalb eines Monats 75’000 Franken zusammenbringen, die noch für die Umsetzung ihrer Vision fehlen. Auch über Stiftungen, lokales Gewerbe und Organisationen sucht die Gruppe zusätzliche Finanzierungsmittel.

Der Verein will nicht bloss ein Sportzentrum erschaffen, sondern einen «sozialen Treffpunkt für Köniz», sagt Projektleiter Raphael Melliger. Der «Chübu» solle ein Ort sein für ambitionierte Kletternde, aber vor allem auch einer für Familien, Schüler*innen oder Personen mit geringen finanziellen Mitteln. Geplant ist auch ein Kinderspielplatz.

Mittels viel ehrenamtlicher Arbeit und günstigen Mietkonditionen will der «Chübu» vergleichsweise tiefe Eintrittspreise von rund 15 Franken für Erwachsene anbieten und attraktive Konditionen für Kinder oder Schulklassen. 

Raphael Melliger wünscht sich, in der Halle auch Arbeitsplätze für Menschen aus dem zweiten Arbeitsmarkt zu schaffen. «Ich wünsche mir einen Mix aus Freiwilligenarbeit, bezahlten Stellen wie etwa im Routenbau, sozialer Arbeit und integrativen Stellen.» Der 42-Jährige arbeitet selbst als Sozialtherapeut bei der Stiftung Terra Vecchia. 

Zuerst stehen aber noch bürokratische Hürden und viele Stunden Bauarbeiten an – sowie das Crowdfunding. Raphael Melliger ist zuversichtlich, dass sich genügend Menschen finden, die sich «auf dieser Seite von Bern» eine neue Boulderhalle wünschen. «Als gemeinnütziger Verein sind wir ein wenig anders unterwegs als andere Anbieter. Wir wollen einen Raum schaffen, der Menschen in der nahen Umgebung auf unterschiedliche Weise anspricht», sagt er. Auch Events oder Konzerte sollen in der umgenutzten Halle stattfinden können.

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