Das hektische Leben der Hausspitzmaus

Sie ist kein Nagetier – und wird von den Katzen zwar getötet, aber nicht gefressen. Warum wir zur Hausspitzmaus mehr Sorge tragen sollten, schreibt unsere Wildtier-Kolumnistin.

Illustration Tierkolumne
(Bild: Natalie Neff)

Nicht jede Maus ist auch tatsächlich eine richtige Maus. Nehmen wir die Hausspitzmaus. Sie gehört trotz der Maus im Namen nicht zu den Nagetieren, sondern zu den Insektenfressern. Sie bedient sich weder an Graswurzeln noch an Baumrinden. Nein: Die Hausspitzmaus knabbert am liebsten an Asseln, mampft Spinnen und jagt Insekten, Schnecken und Regenwürmer.

Mit ihrer Körperlänge von fast 8 Zentimetern ist sie nicht gerade ein Riese unter den Säugetieren, doch für eine einheimische Spitzmaus ist das recht gross. Dieser kleine Spitzmauskoloss wiegt durchschnittlich 9 Gramm; ein grosses Exemplar bringt es gar auf 16 Gramm. So ein Body muss unterhalten werden. Tatsächlich ist die Hausspitzmaus unersättlich.

Stets auf der Suche nach Futter

Knapp die Hälfte ihres Körpergewichts benötigt sie an Beutetieren – und das täglich. Dabei hilft ihr die lange Nase, wie sie allen Spitzmäusen eigen ist. Damit kann sie gut Beute erschnuppern – und das bis zu einer Tiefe von 5 cm im Boden. Doch auch ihr gutes Gehör hilft bei der Jagd, sowie die Tasthaare am Gesicht.

Eine Hausspitzmaus ist rastlos. Doch wer will ihr das verdenken? Wer so viel Futter benötigt, nagt stets am Hungertuch. Wahrscheinlich denkt die Hausspitzmaus schon beim Aufwachen an ein saftiges Insekt. Das passiert ihr übrigens mehrmals täglich, denn Hausspitzmäuse schnüffeln durchschnittlich eine halbe Stunde in ihrem Streifgebiet herum, um sich danach für gut eine Stunde aufs Ohr zu hauen. Anschliessend geht es hastig weiter. Ob es Tag oder Nacht ist, ist ihr einerlei.

Apropos Ohr. In der Schweiz gibt es zwei Unterfamilien von Spitzmäusen mit jeweils mehreren Arten: Die Weisszahn- und die Rotzahnspitzmäuse. Zugegeben, die Namen sind nicht sehr originell, dafür treffend. Neben der Zahnfarbe gehört auch die Ohrgrösse zu den Unterscheidungsmerkmalen. So ragen die Ohren bei den Weisszahnspitzmäusen – zu denen auch die Hausspitzmaus gehört – deutlich aus dem Fell heraus.

Ein Gast in naturnahen Gärten

Hausspitzmäuse findet man in unterschiedlichen Lebensräumen. Wälder und Waldränder, Brachland, Felder, Wiesen und andere Kulturlandschaften sind ihr Zuhause. Auch in der Stadt kommt die Hausspitzmaus vor, wobei sie Standorte mit vielen Versteckmöglichkeiten bevorzugt, wie zum Beispiel naturnahe Gärten und Brachen.

Wo immer sie ist: Sie bevorzugt es warm und trocken. Ihren Namen verdient sie sich vor allem im Winter, wenn sie in die Häuser hereinspaziert. Drinnen lässt sich ein kalter Winter besser überstehen. Und sie wird so richtig gesellig. Obschon die Hausspitzmaus normalerweise am liebsten alleine unterwegs ist, kuschelt sie sich in der kalten Jahreszeit gerne an andere Hausspitzmäuse, die mit ihr das winterliche Nest teilen. So lässt sich Energie sparen.

Das ist ihr zu gönnen, denn alt wird man als Hausspitzmaus nicht. Gerade mal 45 Prozent der Tiere überleben den ersten Winter, 5 Prozent den zweiten. Wer 32 Monate alt wird, gilt in der Szene als Methusalem.

Stinkendes Sekret

Nicht nur ihr hektisches Leben lässt die Hausspitzmaus schnell altern. Sie ist auch ein Beutetier. Vor allem Greifvögel wie die Schleiereule mögen Snacks in Form von Hausspitzmäusen. Als Abwehr vor Raubtieren verlässt sich die Hausspitzmaus unter anderem auf ein stinkendes Sekret, das von Drüsen an den Flanken abgesondert wird. Nur hilft ihr das nicht sehr viel.

In Siedlungsnähe sind Hausspitzmäuse beliebte Beutetiere von Hauskatzen, die sie töten, aber wegen des stinkenden Geruchs nicht fressen. Katzen können lokale Bestände von Hausspitzmäuse stark dezimieren. Die Hausspitzmaus ist wie alle anderen Spitzmausarten schweizweit geschützt. Es lohnt sich daher, für diese kleinen wilden Stadtgenossen eine Vielzahl von Verstecken wie Asthaufen, Holzstapel und Steinlinsen anzulegen. Damit wird die Jagd für die Katzen erschwert und ermöglicht vielleicht das Überleben einer Hausspitzmausfamilie im Quartier.

Zur Autorin

Die Bernerin Irene Weinberger ist als Biologin spezialisiert auf einheimische Wildtiere und das Konfliktmanagement zwischen Natur und Mensch.

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