Sinkende Sozialhilfequote setzt Arbeitsintegration unter Druck

Seit zehn Jahren sinkt die Sozialhilfequote im Kanton Bern, so auch bei der letzten Erhebung 2023. Die Arbeitsintegration von Sozialhilfebezüger*innen muss deshalb ihr Angebot neu ausrichten.

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(Bild: Silja Elsener)

40’430 Personen haben 2023 im Kanton Bern Sozialhilfe bekommen. Das sind 1’655 Personen weniger als im Vorjahr, schreibt die kantonale Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI). Die Kosten für die Sozialhilfe beliefen sich im vergangenen Jahr auf 396 Millionen Franken. Auch sie fallen geringer aus als im Jahr zuvor. 

Mit dafür verantwortlich ist laut GSI die «verbesserte Erwerbssituation» – sprich: mehr Menschen, die vorher Sozialhilfe bezogen haben, haben wieder eine Anstellung gefunden.

Ist damit auch die Armut im Kanton Bern auf dem Rückzug?

Claudia Hänzi leitet das städtische Sozialamt. Für die Stadt Bern beobachtet sie, dass Menschen, die vorher länger keine Anstellung gefunden haben, nun wieder zu Arbeit kommen. «In manchen Branchen wird händeringend nach Leuten gesucht», so Hänzi. Das habe unter anderem dazu geführt, dass Arbeitgeber*innen mehr Geduld für Menschen aufbringen, die mehr Vorbereitung und Integration brauchen, bevor sie voll arbeitsmarktfähig sind.

Dass diese positive Situation, begünstigt durch den robusten Arbeitsmarkt, ewig so weitergehen wird, glaubt Hänzi dagegen nicht.

Versteckte Armut

Ohnehin gibt sie zu bedenken, dass die Sozialhilfestatistik nur bedingt Aussagen über die Armutssituation in der Stadt zulässt – denn gewisse Teile der Bevölkerung, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen, tauchen schlicht nicht in den Statistiken der Sozialhilfe auf. «Spätestens die Pandemie hat uns gezeigt: Es gibt versteckte Armut», so die Sozialamtsleiterin.  Das betrifft Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Kontakt zu Behörden haben, zum Beispiel weil sie ohne gültige Papiere in der Schweiz leben oder Angst haben, ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren. «Brennpunkte» sieht Hänzi aktuell bei den Notschlafstellen und den kirchlichen Hilfsangeboten. Diese seien stark ausgelastet.

Dass die Anzahl an Sozialhilfebezüger*innen zurückgeht, bekommen auch die Fachstellen für Arbeitsintegration zu spüren – sie müssen mit weniger Programmteilnehmenden auskommen als auch schon. In der Stadt Bern ist dafür das Kompetenzzentrum Arbeit (KA) zuständig. Claudia Hänzi, die diesen Bereich ebenfalls verantwortet, sieht derzeit «immer mehr Druck» für interne Betriebe. 

Arbeitsintegration weniger ausgelastet

Zum Beispiel für das Restaurant «S-Kultur» in der Lorraine oder für die Velostationen der Stadt, in denen es auch Werkstätten gibt. Derzeit könne man dort zwar alle Aufträge erfüllen, so Hänzi. Allerdings müssten die dort tätigen Arbeitsagog*innen vermehrt selbst Arbeiten verrichten, anstatt Programmteilnehmende beim Verrichten der Aufträge anzuleiten. Im Restaurant «S-Kultur» mussten laut Hänzi schon vereinzelt Betriebszeiten verkürzt werden – dies soll aber nur vorübergehend geschehen. Es gelte, bestehende Angebote anzupassen und wenn nötig zu überdenken, so Hänzi.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Fachstelle für Arbeitsintegration in der Region Bern, der Farb AG: «Wir haben in den letzten vier Jahren 25 Prozent weniger Zuteilungen durch die Sozialämter verzeichnet», sagt Geschäftsführer Roland Hegnauer. Das sei ein «massiver Rückgang». Daraus resultierten sinkende Zuwendungen durch den Kanton, was bei der Farb AG laut Hegnauer dazu führte, dass die internen Betriebe von 12 auf 7 reduziert wurden und Stellen abgebaut werden mussten. Heute bietet die Farb AG unter anderem Integrationsleistungen bei der Gartenarbeit, in der Küche und im Recycling an.

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