Tanz-Akrobat*innen mit Humor
Die Styleacrobats sind eine junge vierköpfige Tanz- und Comedygruppe mit Wurzeln in Bern West. Am Donnerstag treten sie für die «Hauptstadt» im Café Tscharni auf. Ein Trainingsbesuch.
«Gehört das jetzt schon zum Interview?», fragt Nicolas Kuran-Pellegatta nach der Begrüssung. Er wartet mit Melanie Weber und Noëmi Kuran-Pellegatta vor dem Fitnesscenter Fitalis in Bümpliz. Auf dem kurzen Weg in den Trainingsraum fallen ständig Scherze. Die Stimmung ist entspannt, aber die Lockerheit ist nicht aufgesetzt.
Die drei gehören zur vierköpfigen Tanzgruppe Styleacrobats Comedy. Das vierte Mitglied ist Joram Weber, er ist an diesem Tag verhindert. Alle vier sind in Bümpliz-Bethlehem aufgewachsen. Nicolas und Noëmi sind Geschwister, Melanie und Joram sind – trotz desselben Nachnamens – nicht verwandt. Und alle vier kennen sich vom Tanzen: Melanie, Nicolas und Noëmi tanzen Akrobatik Rock'n'Roll, seit sie 5 Jahre alt waren. Joram und Nicolas kennen sich vom Breakdance und Hip Hop und sind seit langem Nachbarn.
Zurzeit nutzen sie den Raum weniger zum Trainieren, sondern klären Organisatorisches oder entwickeln neue Ideen. Für die Fotos zeigen sie aber gerne, was sie können. «Soll ich eine Human Flag machen?», fragt Nicolas, als der Fotograf vorschlägt, sie sollen etwas Verrücktes an der Sprossenwand zeigen. Er probiert es gleich aus und ist erfolgreich. Stolz lächelt er in die Kamera. Er hat das noch nie vorher gemacht.
Sie haben sich vor langer Zeit für eine Anfrage zu einer Show zusammengetan. Geplant war ein einmaliger Auftritt, doch sie merkten schnell, dass daraus mehr werden könnte. Aus den verschiedenen Tanzstilen gelang es ihnen, Neues zu kreieren, das auch beim Publikum gut angekommen sei. So gründeten sie Styleacrobats.
Erst später fügten sie das Wort Comedy ihrem Namen hinzu. Weil sie immer mehr Komik in ihre Auftritte einbauten.
Der Blick auf Bern West ist oft verstellt von dessen schlechtem Image. Doch, täuscht der Eindruck? Die «Hauptstadt» schaut hin – und verlegt von 20. bis 25. Februar 2023 ihre Redaktion ins Quartierzentrum Tscharnergut und publiziert eine Reihe von Artikeln aus dem und über den Berner Stadtteil Bümpliz-Oberbottigen.
Der Name ist Programm
Auf die Frage, wie sie eine Show ihrer Gruppe beschreiben würden, nimmt Nicolas kurzerhand sein Handy und tippt etwas ein, bevor er antwortet. Noëmi flüstert «affegeil» und alle drei lachen. Nicolas liest aus dem Handy vor: «Frisch, kreativ und» – Melanie spricht mit – «spektakulär». Genauso steht es auf ihrer Webseite, von der er abgelesen hat. Sie versuchen die Frage ernster zu beantworten:
Nicolas: «Es ist sehr unterhaltsam.»
Noëmi: «Abwechslungsreich.»
Nicolas: «Man lacht und staunt abwechslungsweise.»
Melanie: «Es ist eine Kombination, die es nicht so oft gibt.»
Nicolas: «Die es nicht gibt.»
Melanie: «Also. Die es nicht gibt.»
Nicolas: «Weltweit nirgends.»
Melanie: «Nirgendwo! – Wir ziehen das Publikum in unseren Bann. Es sieht ein Spektakel, und wir bringen es immer wieder zum Lachen.»
Und klar: Am allerliebsten lachen sie selbst.
Von Tanz und Komik
Ihre erste abendfüllende Show Delay! organisierten die Styleacrobats Ende 2019 im Sternensaal in Bümpliz. «Für das 3027/3018 Gen» hätten sie den Ort ausgewählt, sagt Nicolas und spielt dabei auf die Postleitzahl von Bümpliz und Bethlehem an, wo alle vier aufgewachsen sind. Er fügt hinzu: «Wir kennen den Besitzer. Und wir wollten unsere Wurzeln zeigen.» Diese Show wurde zum Highlight – für ihn und die ganze Gruppe.
Mit dieser Erfahrung planten die vier eine weitere Show im Mai 2020, doch Corona kam dazwischen. Sie waren zum Pausieren gezwungen. Erst im Dezember 2021 konnten sie Delay! ein zweites Mal aufführen. Dieses Mal im «Das Zelt». Nach dem Auftritt fragte sie «Das Zelt» für die Schweizer Tournee mit anderen Young Artists an. Die Gruppe sah darin sofort eine grosse Chance.
Nicht nur, was das grosse Publikum angeht. Sondern auch für die eigene Entwicklung. Zusammen mit dem Regisseur hätten sie entdeckt, dass sie mit nonverbaler Komik einen neuen Teil ihrer Identität zum Ausdruck bringen können. «Wir werden ja auch älter. Da hat man nicht mehr so viel Puste, um lange zu tanzen. Das ist anstrengend», sagt Melanie.
Die Komik helfe, dem Publikum näher zu sein – und das Publikum näher zu ihnen zu holen. «Wir haben mega Spass daran gefunden, andere Menschen zum Lachen zu bringen», sagt Nicolas. Die Komik in den Auftritten habe sich langsam eingeschlichen und immer mehr Platz eingenommen, fügt Melanie hinzu. «Es ist sicher ein Weg, den wir zukünftig immer stärker einschlagen werden.»
Eine Sache des Timings
Bei dieser Entwicklung haben die zahlreichen Auftritte mit «Das Zelt» geholfen. Die Gruppe konnte immer wieder etwas Neues für die Auftritte planen und testen, wie es beim Publikum ankommt. Das seien teilweise Details gewesen, wie zum Beispiel, bei einer Pointe dem Publikum zwei Sekunden länger Zeit zu lassen.
Das habe die Gruppe gepusht: «Wir wussten, in drei Wochen haben wir die nächste Show und haben uns vorgenommen, einen neuen Teil auszuprobieren», sagt Melanie. Das habe Motivation und Effizienz gesteigert.
Hilfreich seien auch die Feedbacks des Regisseurs gewesen. «Comedy ist vor allem Timing», sagt Nicolas. Daran konnten sie viel arbeiten in dieser Zeit.
«Wenn wir unsere ersten Auftritte anschauen würden, würden wir jetzt denken: Nein!» Das Publikum habe keine Chance gehabt, etwas zu verarbeiten, sagt Melanie. Sie seien viel zu schnell von einer Pointe zur nächsten geschossen. «Dem Publikum Zeit lassen und es aushalten, wenn es einen Moment still bleibt», das sei am Anfang schwierig gewesen. Denn in den Trainings könnten sie oft kaum glauben, dass eine Pause so lange sein muss. Auf der Bühne zeige sich dann, dass es die Pause gebraucht habe, damit die Komik ankommt.
Mehr als ein Hobby
Alle haben einen Job, obwohl «Styleacrobats auch arbeiten ist», sagt Nicolas. Es sei mehr als ein Hobby. Er ist Tänzer, Tanzlehrer und gibt Workshops. Auch Joram ist Tanzlehrer und gibt als Lehrperson Stellvertretungen. Noëmi ist Lehrerin mit Teilzeitpensum und Melanie arbeitet in einem Fitness. Daneben trainieren sie jede freie Minute für die letzten Aufführungen von Delay!. Wenn möglich zu viert, aber auch zu zweit, je nachdem, wer Zeit habe. Oder jede*r mache für sich etwas, wenn es nicht anders gehe.
«Wir sind zu ehrgeizig, als dass wir uns mit einer Show zufrieden geben und sie ein Jahr lang genau so zeigen würden», sagt Melanie. Es gäbe immer was zu optimieren, merkt Nicolas an.
Es sei erstaunlich, wie wenig sie einander auf den Geist gehen. «Wir sehen uns so oft und haben es eigentlich immer lustig zusammen. Das schätze ich sehr», sagt Melanie. Aber auch bei ihnen gebe es manchmal Unstimmigkeiten. «Dann sprechen wir darüber.»
Styleacrobats mit Arbeit und Privatleben zu vereinbaren sei schon ab und zu eine Herausforderung. Aber die Gruppe hat für alle einen hohen Stellenwert. «Dafür schiebe und tausche ich bei der Arbeit auch meine Schichten ab. Styleacrobats haben bei mir immer Vorrang», sagt Melanie. Und Nicolas ergänzt: «Mit unseren Jobs sind wir zum Glück alle flexibel.»
Man habe in intensiven Phasen wenig Zeit, um Freundschaften zu pflegen, sagt Melanie: «Aber wenn ich auf der Bühne unsere Arbeit zeigen kann, weiss ich, dass es sich gelohnt hat, auf die anderen Dinge zu verzichten.»
Träume und Pläne
Es gehe ihnen aber nicht unbedingt darum, von ihren Auftritten leben zu können. «Wir möchten an möglichst vielen Shows tanzen können, Leute erreichen und begeistern», sagt Melanie. «Und wenn wir davon leben könnten, wäre das toll», fügt Noëmi an.
Der nächste Schritt – nach der letzten Aufführung ihrer Show Delay! im April – sei die Erarbeitung eines neuen Stücks. Die Gruppe träumt von einer Europatournee. «Unsere Komik ist nonverbal, so wäre das auch in anderen Sprachräumen gut möglich», sagt Melanie. Dass ihnen die Puste ausgeht, kann man sich bei so viel Energie nicht vorstellen.
Wer einen Vorgeschmack auf ihre Show am 15. April in Zürich oder am 28. April in Bern sehen will, kann die Gruppe am Donnerstag, 23. Februar, 19.15 Uhr, im Café Tscharni bei einem «Hauptstadt»-Fübi sehen. Eintritt frei!