Wahlen 2024

Zwischen Stuhl und Bank

Bettina Jans-Troxler kämpft für die EVP im Mitte-Rechts-Bündnis um einen Sitz im Berner Gemeinderat. Ein Gespräch über Eigenverantwortung, Finanzen und den politischen Spagat.

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© Danielle Liniger
Bettina Jans-Troxler im Garten des Stadtklosters. (Bild: Danielle Liniger)

Donnerstagmorgen im Stadtkloster Frieden im Berner Mattenhofquartier. Bettina Jans-Troxler sitzt im Aufenthaltsraum und hat eine Stunde Zeit, bevor sich die Bewohner*innen zum Morgenkaffee treffen. Ein festes Ritual, bei dem sie nicht fehlen darf.

Jans-Troxler ist ihr Glaube wichtig, darum politisiert sie auch in der christlichen EVP. Seit 11 Jahren sitzt sie für die Partei im Stadtrat. Für die Wahlen vom 24. November hat sich die EVP der Mitte-Rechts-Liste «Meh Farb für Bärn!» angeschlossen. Bettina Jans-Troxler präsidiert diese Partei. Und sie kandidiert gleichzeitig auch als Gemeinderätin. Eine Wahl, die praktisch chancenlos ist, wie sie selber weiss. Doch was treibt sie dabei an? Die EVP-Politikerin sitzt vor einem Glas Wasser und sagt: «Ich wünsche mir eine Stadt, die mehr auf Inklusion setzt und das Kollektiv stärkt.»

Seit anderthalb Jahren lebt sie im Stadtkloster Frieden, eine christliche Community, Arbeits- und Lebensgemeinschaft. Insgesamt elf Erwachsene und acht Kinder teilen sich das ehemalige Pfarrhaus, das Sigristenhaus und die Friedenskirche als Lebensraum. Ein «kirchliches Versuchslabor» sei das, so Jans-Troxler. 

Die Zwischennutzung ist vorerst auf fünf Jahre befristet. Bis dann soll die evangelische Kirche zu einem hybriden Ort zwischen Gebet, Gemeinschaft und Arbeit gewachsen sein. Dafür sei viel Engagement nötig, auch von ausserhalb, sagt Jans. Freiwillige kämen immer wieder an sogenannten «Ora et labora»-Tagen, um zum Beispiel auf dem Areal Unkraut zu jäten oder Laub zu fegen. 

Gemeinsinn abhandengekommen?

«Hier bekommt man nicht schon alles serviert, das Feld ist noch nicht bestellt», sagt Jans. Es ist diese Form des eigenverantwortlichen Engagements, das der Präsidentin der städtischen EVP in der Gesellschaft immer häufiger fehlt. Staatsgläubigkeit und Verantwortungslosigkeit dominierten stattdessen, findet sie.

Dabei sei es doch erfüllend, selber anzupacken und «Teil von etwas zu sein». Der Kollektivgedanke, traditionell in der Linken verankert, gerät in ihren Augen in Bern in Gefahr – und das ausgerechnet in Zeiten ungebrochener rotgrüner Dominanz. 

Die Abkehr der EVP vom politisch linken Block erfolgte zwar schon vor vielen Jahren, doch hört man Jans heute zu, ist die Enttäuschung über die Stadtberner Linke ungebrochen – unerfüllte Ideale und mangelnde Kompromissbereitschaft beklagt sie. Man habe sich deshalb «durchgerungen», es zusammen mit dem bürgerlichen Lager zu versuchen, um ein Gegengewicht zu schaffen.

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Zusammen mit Debora Alder-Gasser sitzt Jans-Troxler im Berner Stadtrat. (Bild: Danielle Liniger)

Die 44-jährige langjährige Stadträtin sieht eine neue Politiker*innengeneration heranwachsen, die in ihren Augen sehr stark in ihrer «Bubble» lebt. Dabei komme es doch in der Politik darauf an, alle Menschen einzubeziehen – auch jene älteren Semesters oder mit Behinderungen, argumentiert Jans.

Schlankheitskur für die Verwaltung

Geht es um die Finanzen, politisiert Jans-Troxler ganz auf der Linie der bürgerlich geprägten «Meh Farb für Bärn»-Liste. 

Wo der Rotstift angesetzt werden müsste? Jans-Troxler hält fest, dass die Stadtverwaltung stärker als die Bevölkerung gewachsen sei. Vieles gehe effizienter, ist sich die EVP-Politikerin sicher. Als positives Beispiel führt sie Pinto an, die aufsuchende Sozialarbeit der Stadt. Bei einem Besuch habe sie sich davon überzeugen können, dass starke Improvisation und Einsatzwille auch ein beschränktes Budget wettmachen können.

Beim Thema Umwelt tickt Jans jedoch linker als das Mitte-Rechts-Bündnis. So war sie zusammen mit den grünen Parteien, den Grünliberalen und Vertreter*innen von AL und PdA diesen Sommer Erstunterzeichnende einer Motion, die einen Ausstieg aus der Erdgasversorgung auf Stadtgebiet forderte. Die Forderung ist mittlerweile eingelöst worden.

«Ganzheitliche Sicht» in der Regierung

Auch beim Thema Verkehr offenbaren sich die Unterschiede zwischen der EVP-Politikerin und den übrigen «Meh Farb für Bärn»-Exponent*innen. Jans tritt dafür ein, Parkplätze in der Stadt abzubauen, viele Bürgerliche sind skeptisch. «Da stehen wir zwischen Stuhl und Bank», sagt Jans. Für die Verkehrswende hat sie ein paar bekannte Rezepte parat: Elektrofahrzeuge fördern, Ladestellen ausbauen und weniger Parkkarten ausstellen. Ausserdem solle in gute Veloverbindungen investiert werden.

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Schreiner*innen, Logopäd*innen, Gärtner*innen – Jans-Troxler lebt mit ganz unterschiedlichen Menschen im Stadtkloster zusammen. (Bild: Danielle Liniger)

Unabhängig von ihren geringen Wahlchancen ist sich Jans-Troxler sicher, dass sie ihre Forderungen auch in einem Exekutivamt umsetzen kann. Dafür spreche ihre «ganzheitliche Sicht», die sie in den Gemeinderat einbringen könnte, so die ausgebildete Heilpädagogin, die heute als Beraterin für natürliche Empfängnisregelung arbeitet. In die Waagschale wirft sie ausserdem ihre Führungserfahrung von kleineren Gruppen – sei es in der Jugendarbeit des Evangelischen Gemeinschaftswerks oder in der Präventionsarbeit.

Jans-Troxler, die schon seit neun Jahren im Kirchenparlament sitzt, kennt ausserdem Institutionen im Wandel. «Die Kirche muss sich gerade orientieren und neu finden», sagt die EVP-Politikerin. 

Ein Beispiel dafür ist das Stadtkloster Frieden, in dem sie lebt: Vieles ist noch im Umbruch, einiges noch nicht genau definiert. Geht es nach den Vorstellungen der Klosterbewohner*innen, könnten zu Gebeten und Meditationsangeboten schon bald einfache Übernachtungsmöglichkeiten oder ein «Escape Room» hinzukommen. Ein bisschen Start-up-Vibe zwischen Kirchturm und Kanzel.

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Diskussion

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Christine Minder
08. November 2024 um 09:35

...und wie steht sie zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen, resp. LGBTQI+Inklusion? Würde dieses Thema wirklich nicht angesprochen?