Kleine Konzerte, die verbinden
Seit elf Jahren organisiert Alaina Janack unter dem Namen «Hush Hush» Konzerte in Bern. Was als spontane Aktion anfing, ist heute eine kleine Institution in der Berner Veranstaltungsszene.
Alaina Janack steht umringt von Menschen im Veranstaltungskeller des Café Kairo und übersetzt die Speisekarte auf Englisch. Es ist ein Dienstag im Frühling, bevor Janack den Sommer über in die USA reisen wird. Mit ihr über die Karte beugen sich drei der vier Mitglieder der Band Daiistar aus Austin, Texas, die später am Abend hier ein Konzert spielen werden.
Nachdem sie die Essenswünsche der Musiker*innen an die Küche weitergegeben hat, eilt Alaina Janack zum Licht- und Mischpult. Der Kollege, der sie heute unterstützt, mischt zum ersten Mal im Café Kairo und braucht noch Instruktionen.
Wer sich in Bern für amerikanischen Rock, Folk oder Indie interessiert, ist Alaina Janack – oder Aline, wie sie sich als Wahlbernerin nennt – fast sicher schon einmal begegnet. Seit April 2013 organisiert die 37-Jährige Konzerte in Bern, seit 2016 laufen ihre Veranstaltungen unter dem Namen «Hush Hush». Das Konzert des heutigen Abends ist Teil einer Zusammenarbeit mit dem Café Kairo, die Anfang Jahr begonnen hat.
«‹Hush, Hush› ist doppeldeutig», sagt Alaina Janack. Englisch gelesen meint sie damit «Psst», im Sinne von «es ist ein Geheimnis», Deutsch ausgesprochen «beeil dich, wer weiss, wie lange es dauert». Dass sie ihre Konzertreihe über Jahre weiterführen würde, hatte sie nie geplant. «Zu Beginn war es eine sehr spontane Aktion», erzählt Janack.
Per Zufall in der Schweiz gelandet
2012 kam die Amerikanerin aus Burlington, Vermont in die Schweiz. «Es war eher Zufall. Ich habe einen Saisonjob als Trainerin für Polopferde angeboten bekommen und bin dann hier hängengeblieben», erzählt sie. Sie begann ein Studium in Weltliteratur an der Universität Bern, das sie sich als Englischlehrerin, private Pferdetrainerin und mit anderen Nebenjobs finanzierte.
In Amerika hatte Janack als Radiomoderatorin, -produzentin und -DJ gearbeitet und für eine Bar- und Restaurantkette Konzerte organisiert. Die Kontakte zur Musikszene, die sie dort geknüpft hatte, wollte sie auch in der Schweiz weiter pflegen. Sie schrieb den Musiker*innen, dass sie sich doch bei ihr melden sollen, wenn sie in Europa touren.
Ihre ersten Konzerte in der Schweiz organisierte Alaina Janack in besetzten Häusern und auf Wagenplätzen in der alternativen Szene. «Die Leute dort hatten immer Lust auf Kultur und Musik», sagt sie.
Klein- und Kleinstkonzerte in Lokalen wie beispielsweise der Zar Bar oder dem Voodoo Rhythm Hardware Store sind bis heute ihr Markenzeichen geblieben. Immer wieder veranstaltet sie auch sogenannte «Secret Shows»: Geheimkonzerte in Privathaushalten, auf einem Estrich, einem Schiff oder in einer Garage. Die genauen Adressen dieser Shows erfahren nur angemeldete Besucher*innen. Die Ankündigungen dafür macht sie über Facebook, ihren Instagram-Kanal und über ihre WhatsApp-Gruppe «Bern Konzerte».
An den Geheimkonzerten gibt es jeweils Platz für 30 bis 40 Personen. Auch die anderen Veranstaltungslokale, in denen Janack Konzerte organisiert, sind eher klein. «Ich möchte, dass die Leute über die Musik miteinander ins Gespräch kommen», sagt sie. Wenn sie ein Konzert veranstalte und feststelle, dass eine*e Besucher*in allein gekommen sei, dann stelle sie die Person jemandem vor.
Ein-Frau-Betrieb
Zurück im Café Kairo. Mittlerweile hat Alaina Janack die Tafel mit dem Konzerthinweis bemalt und nach draussen getragen, die Bühne vorbereitet, die Abendkasse aufgebaut und mit den Musiker*innen zu Abend gegessen. Die Konzertbesucher*innen trudeln nach und nach ein. Janack scheint die meisten von ihnen zu kennen, oder sie begrüsst auch diejenigen herzlich, die sie nicht kennt, so genau ist das nicht auszumachen.
Zwischen den Beinen der Musikbegeisterten hindurch schlüpft immer wieder Janacks Appenzeller-Mischlingshündin Sirona. Sie bewegt sich ebenso gewandt zwischen den verschiedenen Menschengruppen wie ihre Besitzerin, bis sie von dieser überzeugt wird, sich unter der Bank zuhinterst im Lokal hinzulegen.
Alles, was «Hush Hush» zum Klingen bringt, hat Alaina Janack sich selbst beigebracht. Sie bucht die Bands, fragt geeignete Lokale an, macht Werbung und baut vor Ort das Equipment auf; sie zieht Kabel, bedient Licht- und Tonmischpult und ist Gastgeberin. «Eigentlich braucht es nicht so viel, um ein Konzert zu machen», sagt sie, «ausser Kraft und viele Menschenstunden». An den Geheimkonzerten unterstützen sie jeweils Freunde und Bekannte bei Aufbau, Barbetrieb und Technik. «Ohne diese Unterstützung ginge es nicht», sagt Janack.
Manchmal gibt es zwei «Hush Hush»-Konzerte pro Monat, manchmal zwei pro Woche. Es ist viel Arbeit, die Alaina Janack in ihre Leidenschaft investiert. Wie sieht es dabei mit dem Geld aus? «Schwierig», sagt sie. Die Kollekte, die sie an den Geheimkonzerten einnimmt, gibt sie vollumfänglich an die Musiker*innen weiter. Im Kairo und im Atomic Café Biel, wo sie ebenfalls seit Anfang Jahr eine Konzertreihe veranstaltet, erhält sie eine Aufwandsentschädigung. Den genauen Betrag will sie nicht nennen, aber sie müsste quasi jeden Tag ein Konzert durchführen, um davon leben zu können.
«Ich will eine Community pflegen»
Geld ist ein Thema, das Alaina Janack im Moment beschäftigt. Nach dem Abschluss ihres Studiums habe sie die letzten zwei Jahre «mit Nebenjobs jongliert». Ihre Anstellung als Englischlehrerin hat sie im Frühling verloren, weil die beiden Sprachschulen, an denen sie arbeitete, geschlossen wurden. Nun ist sie auf Stellensuche. «Es wäre schön, eine Anstellung zu finden, bei der ich mein Können und mein Netzwerk nutzen könnte, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen», sagt sie. Allerdings widerstrebe es ihr, Konzerte aus rein kommerziellen Gründen zu organisieren. «Ich will eine Community pflegen, wo sich Menschen austauschen, vernetzen und darüber sprechen, dass uns mehr verbindet als uns trennt», sagt sie.
Oft wird Alaina Janack gefragt, welcher Musikstil an ihren Konzerten vorherrsche. Doch sie denke nicht gerne in Kategorien: «Das Schwierige an Genres ist, dass sie auschliessend sind, und das möchte ich nicht», sagt sie. Obwohl sie hauptsächlich Konzerte amerikanischer Musiker*innen veranstaltet, sei sie immer offen für neue Musik.
Im März dieses Jahres hat sie im Café Kairo einen Auftritt für die feministische Punk-Rock Band Haze’evot aus Israel organisiert. Dafür sei sie aus linken Kreisen kritisiert worden. Das Konzert nur aufgrund der Herkunft der Künstlerinnen abzusagen, kam für Janack aber nicht in Frage: «Die Band singt davon, was es heisst, Mensch zu sein in unserer Gesellschaft. Das ist es, was ich vermitteln möchte: Dass wir hier als Menschen zusammen sind.» Und immer wieder scheint es ihr zu gelingen, wie an diesem Frühlingsabend im Café Kairo.
Nun ist Alaina Janack zurück aus den USA. Mit vielen Konzertplänen. «Ich habe eine unglaubliche Reihe für Herbst/Winter», schreibt sie in einer Nachricht an die «Hauptstadt». Ab Ende September geht «Hush Hush» wieder los – als Geheimnis, in das in Bern mittlerweile viele Musikbegeisterte eingeweiht sind.
Die nächsten «Hush Hush»-Shows sind: 28. September: Acid Tongue (psych-rock, Seattle) & Film School (shoegaze, LA), Secret Show, Bern; 4./5. Oktober: Ryan Sambol (folk/roots/western, Texas), Atomic Café Biel/Café Kairo Bern; 10. Oktober: Tea Eater (indie-rock/punk, NYC), Secret Show, Bern. Weitere Konzertdaten und die Durchführungsorte der Secret Shows findest du über Alaina Janacks Facebookseite.