Eine Welt ohne beste Ideen – Askforce-Selection #9

Kommen uns mit der Strommangellage nicht nur die warmen Duschen, sondern auch die Ideen abhanden? Die Askforce kann – frisch geduscht – differenziert entwarnen.

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Der fragende Denkzustand der Askforce, wie ihn die Illustratorin Pia Zibulski sieht. (Bild: Pia Zibulski)

«Bekanntlich kommen einem die besten Ideen ja unter einer ausgiebigen, möglichst warmen Dusche»: Dies schreibt uns Brigitte F. aus Röschenz, und sie fragt: «Was passiert, wenn wir uns wegen der Krise bezüglich Warmduschen werden einschränken müssen? Gehen den Menschen dann die Ideen aus, besteht gar eine Gefahr für den Innovationsstandort Schweiz?»

Hauptstädter*innen fragen Askforce

Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im «Bund» und erarbeitete sich den soliden Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Im Angesicht der Fusion von Bund und BZ im Herbst 2021 verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf. Bis Weihnachten kuratiert die Askforce in der «Hauptstadt» jeden Montag eine spezielle Selection. Das hat Hauptstädter*innen bereits motiviert, die Askforce mit neuen Fragen zu beliefern. Weiter so, und zwar hier: [email protected].

Bei dieser Frage hat uns – trotz drohender Strommangellage – ein Wort elektrisiert und die nassen Haare zu Berge stehen lassen: das Wort «bekanntlich». Ist es tatsächlich bekannt, dass einem beim Warmduschen die besten Ideen kommen, Frau F.? 

Wir fragen Sie das ganz ernsthaft und ohne jede Ironie. Denn für den Autor dieser Zeilen ist der Fall seit Jahrzehnten klar, auch wenn er sich noch nie gefragt hat, ob es allgemein bekannt ist: Wenn ihm bei geschlossenen Augen das warme Wasser über den Schädel rinnt, ist sie plötzlich da: die Idee. Die Idee für eine Pointe zum Beispiel.

Der Effekt stellt sich so zuverlässig ein, dass unser Autor sich vor Jahren einmal überlegte, am Arbeitsplatz eine Dusche einzurichten – also direkt am Schreibtisch. So wie in einem Labor, wo man mit Hilfe fix montierter Gummihandschuhe in Kästen hineingreifen und gefahrlos mit giftigen Substanzen hantieren kann. Nur umgekehrt. – Es wurde nie etwas daraus. Denn gute Ideen sind ja auch an Sitzungen oder beim Smalltalk in der Pause gefragt. 

Ihre Fragen, Frau F., sind somit einfach zu beantworten: Ja, wenn wir uns beim Duschen einschränken müssen, ist das für den Innovationsstandort Schweiz eine schlechte Nachricht. Die Ideen werden den Menschen aber nicht gänzlich ausgehen. Die Frage ist nur, wie eine Welt ohne beste Ideen aussehen wird.

Hinter dieser Frage wiederum lauert eine Frage, die noch weiterführt: Wie sähe die Welt aus, wenn das Duschen schon viel früher Verbreitung gefunden hätte? Wie würden die ersten Takte von Beethovens «Fünfter» klingen? Und überhaupt: Wie stünde es heute um uns, wenn Gott am Anfang nicht Himmel und Erde, sondern zuerst einmal eine Dusche erschaffen hätte? Denn unter uns gesagt, Frau F.: So wirklich überzeugend ist das Konzept mit Geschöpfen, die sich andere Geschöpfe einverleiben müssen, damit sie überleben können, ja auch wieder nicht.

Askforce-Selection #9, 7. November 2022

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