Der ungelöste Fall des Honigbrots – Askforce-Selection #10
Warum fallen Butter- und Honigbrote immer auf die bestrichene Seite, wenn sie aus der Hand gleiten? Die Askforce liefert empirische Daten zum ungeklärten Fall.
Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welches ist der Sinn des Lebens? Wann ist Feierabend? Warum heisst es nicht «Fussgängerinnenstreifen», wo doch die Mehrheit der zu Fuss Gehenden weiblich ist? Kurz: Der Askforce werden vertrauensvoll immer wieder – in Variationen – die besonders existenziellen Fragen des menschlichen Daseins unterbreitet. Zum Repertoire aufwühlender Fragen gehört auch: Warum fallen Butterbrote immer auf die bebutterte Seite?
Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im «Bund» und erarbeitete sich den soliden Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Im Angesicht der Fusion von Bund und BZ im Herbst 2021 verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf. Bis Weihnachten kuratiert die Askforce in der «Hauptstadt» jeden Montag eine spezielle Selection. Das hat Hauptstädter*innen bereits motiviert, die Askforce mit neuen Fragen zu beliefern. Weiter so, und zwar hier: [email protected].
Diesmal quält sich Nanette E. aus dem fernen I. mit bestrichenem Backwerk. Allerdings gibts bei ihr Honig aufs Brot. Aber am Fall ändert sich nichts: Auch bei ihr landet die Scheibe auf der bestrichenen Seite. Sie kann sich damit nicht abfinden und fragt: Was ausser der Schwerkraft ist dafür verantwortlich? Ist in der DNA des Honigs der Flugtrieb der Biene gespeichert?
Viele werden nun denken: Hier liegt bloss ein klarer Fall von Murphy’s Law vor, wonach schiefgeht, was schiefgehen kann! Aber das ist ein allgemeiner Schwarmirrtum. Das Askforce Empirical Research Department (AFERD) hat die Murphy’s-Law-These experimental widerlegt! Versuchsweise wurde ein mit Honig bestrichenes Brot über eine Tischkante hinaus geschoben. Ziel des Versuchs war: Die Scheibe möge mit einem satten Plopp unbedingt auf der bestrichenen Seite landen. Sie tat es. Gar nichts ging schief. Murphy irrt.
Sich klug Wähnende behaupten, Butter und Honig verschöben halt den Schwerpunkt des Brotes. Deshalb drehe es sich während des Sturzes. Auch diese These ist widerlegt. AFERD hat zahllose Brote – bestrichene und unbestrichene – über Tischkanten bugsiert und stellt fest: Die Scheiben vollziehen bei dieser typischen Fallhöhe praktisch immer eine halbe Drehung. Der Höhepunkt: Selbst die bereits auf der bestrichenen Seite liegende Scheibe drehte sich während des Fluges auf die unbestrichene!
Es ist banal: Menschen lassen Brote immer aus der für Halbdrehungen idealen Höhe fallen, verpassen so jeden Erkenntnisgewinn und verdrängen zudem das weit Wichtigere. Gerade Honigbrote sind ja per se eine klebrige Sache: Der Honig perlt von der Butter und bekleckert die Seidenbluse. Oder er trieft durchs Brot und kriecht dem Handgelenk entlang in die Hemdsärmel. Gäbe es Lernfähige, würde heute die Butter stets auf die Unterseite und der Honig auf die Oberseite der Brotscheibe gestrichen: Ein solches Honigbrot tropft nicht. Ausserdem darf man so bestrichene Brote viel gelassener fallen lassen. Nach dem Fall beidseitig bestrichener Brote stellen sich nämlich keine philosophischen Fragen: Sie kleben in jedem Fall am Boden.
Askforce-Selection #10, 14. November 2022