Sommer-Serie

Best of «Hauptstadt» #3

Redaktionsmitglieder stellen ihre Lieblingsartikel aus dem letzten Jahr vor. Heute: Andrea von Däniken lässt sich von Lebensgeschichten lesbischer Frauen berühren.

Historikerin Corinne Rufli fotografiert am Freitag, 1. Maerz 2024 in Zurich. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Corinne Rufli forscht über die Geschichte von lesbischen Frauen in der Schweiz. (Bild: Simon Boschi)

Ich brauche immer etwas Überwindung, damit ich ein Interview lese. Oft fehlt mir der Zugang zu diesem Format. Nicht aber bei diesem Text. Er zeigt einen Aspekt, der für mich Journalismus ausmacht: Aus meiner Bubble hinauszuschauen und neue Dinge zu entdecken und zu lernen.

Corinne Rufli ist Historikerin und forscht über die Schweizer Lesbengeschichte – auch aus eigenem Interesse. Das Interview ist im Zusammenhang mit dem Theaterstück «Die Liebe in meinem Leben» entstanden, das letzten März aufgeführt wurde. Es kann aber – wie ich finde – ganz unabhängig davon gelesen werden und ist ebenso bereichernd.

Rufli hat mit lesbischen Frauen über 80 gesprochen. Es sei eine Generation, die wir heute nicht wahrnehmen, sagt sie im Interview. Weil diese homosexuellen Frauen in einer Zeit aufgewachsen seien, in der unabhängige, unverheiratete Frauen nicht vorgesehen waren. «Die Frauen leben ausserhalb unserer Ideen des Lesbischseins und ausserhalb heteronormativer Ideen des Frauseins», sagt die Historikerin.

Sie erzählt auch aus den Leben dieser Frauen: Eine Frau habe nach dem Tod ihres Ehemanns ihre grosse Liebe, eine Frau, kennengelernt. Eine andere verliebte sich als junge Mutter in eine verheiratete Frau.

Das Interview hat mich berührt und tut es nach dem zweiten Lesen noch genauso.

Gleich nach der Lektüre habe ich das verlinkte Hörstück abgespielt. Drei Frauen über 80 erzählen darin aus ihrem Leben und von ihren Liebschaften. Ausserdem steht nun auf meiner «must read»-Liste das Buch «Seit dieser Nacht war ich wie verzaubert».

Auch die Aussagen von Corinne Rufli haben bei mir lange nachgehallt. Mir kam plötzlich die Bekannte in den Sinn, die alleine oder mit einer Frau wohnte. Man hat einfach nicht darüber gesprochen. 

Sommer-Serie
Der «Hauptstadt»-Sommer

Die «Hauptstadt» macht vom 15. Juli bis zum 4. August Sommerpause. Ganz stellen wir den Betrieb aber nicht ein: Einmal pro Woche landet weiterhin der «Hauptstadt»-Brief in deinem digitalen Postfach. Und auf der Website findest du mehrmals wöchentlich Lesestoff, den wir dir ein zweites Mal empfehlen. Denn wahrscheinlich geht es dir gleich wie uns: Im Alltag fehlt oft die Zeit, um alles zu lesen, was sich lohnen würde.

Mitglieder der Redaktion stellen dir deshalb ihre Lieblingstexte aus dem vergangenen «Hauptstadt»-Jahr vor. Aus gegen 500 publizierten Artikeln seit Juli 2023 haben sie je einen ausgewählt, der ihnen aus einem bestimmten Grund in Erinnerung bleibt.

Andrea von Däniken empfiehlt dir ein Interview über die Schweizer Lesbengeschichte. Sie arbeitet als Journalistin für die «Hauptstadt».

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