Käseliebe – «Hauptstadt»-Brief #302
Samstag, 6. April 2024 – die Themen: Emmental-Käsereien auf dem Längenberg, Kapitel Bollwerk, Cannabisversuch, Franco Noti, Morpheus Monday, Beat Zaugg, Ganztagesschule Köniz, Tamara Janes.
Zu meinem Lieblingskäse habe ich eine enge Beziehung. Wenn der halbharte Mutschli im Kühlschrank fehlt, fehlt auch mir etwas. Es ist nicht irgendein Mutschli. Ich weiss genau, wo er entsteht. In der Bergkäserei Oberbütschel auf dem Längenberg, wo ich mit dem Rennvelo oft vorbeifahre.
Käser Theo Zbinden hat sich dort einen Traum verwirklicht. Der passionierte Hobbysportler gibt seit 2011 alles dafür, mit seinem Geschäftspartner in der benachbarten Käsi Rüeggisberg die traditionelle Emmentaler-Käserei zukunftsfähig zu machen. 24 Bauernbetriebe aus maximal fünf Kilometern Entfernung liefern ihnen 8500 Liter Milch jeden Tag, die sie in den zwei Käsereien sofort verarbeiten. Unter anderem zu einem exklusiven Emmentaler, den Zbinden nach der historischen Originalrezeptur aus dem Jahr 1291 fertigt.
Weil der Absatz des Emmentalers mit dem AOP-Qualitätssiegel rückläufig ist, kürzte ihm die Markenorganisation kontinuierlich die Emmentaler-Menge, die er herstellen darf. Mit der freigewordenen Milch entwickelte der Käser eigene Kreationen – den Gantrisch-Bergkäse, den Bütschelegger, den Klosterkäse. Theo Zbinden ist das, was man einen dynamischen Unternehmer nennt.
Trotzdem geht sein Traum nun zu abrupt zu Ende. Auf seiner Website teilt Zbinden «mit grossem Bedauern» mit, dass er per 3. Mai die Käseproduktion einstellt. Der Grund: wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zbinden erzielt auf seinen Produkten eine zu geringe Marge. Deshalb kann er keine finanziellen Reserven schaffen, um die dringend notwendige Erneuerung der über 100-jährigen Käserei anzugehen.
Er habe bis zu 350 Stunden pro Monat gearbeitet und kaum Ferien gemacht, sagt Zbinden: «Ich mag solche Herausforderungen, aber nur, wenn ich ein Ziel sehe.» Er ist 45-jährig, es sei für ihn jetzt wichtiger, auch Zeit für die Familie zu haben.
Ähnlich wie Zbinden ergeht es vielen Landwirt*innen. Was sie liefern sollen, geht nicht auf mit dem, was sie dafür einnehmen. Regionale Produkte sind zwar hoch im Kurs. Aber wenns ans Portemonnaie geht, sieht es anders aus: Die Importmenge an billigem Käse nimmt zu. Eine indirekte Folge davon sieht man auf dem Längenberg: Ende 2023 gab bereits die ebenfalls renommierte Käserei in Riggisberg auf.
Die Milch, die Theo Zbinden verarbeitet, geht künftig an die Käserei Eyweid in Zäziwil. Für deren Vermarktung ist die Jumi AG aus Boll zuständig, deren Fleisch- und Käsestand am samstäglichen Münstergass-Märit bei Städter*innen Kultstatus hat. «Eine gute Lösung», findet Theo Zbinden. Es sei wichtig, auf Käsereien zu setzen, die gut aufgestellt seien, um sich am Markt zu halten.
Zbinden selbst hat in Oberbütschel ein Käselager, das die Nachfrage seiner Kund*innen noch einige Monate abdeckt. Mein Mutschli und ich haben eine Gnadenfrist.
Und das möchte ich dir ins Wochenende mitgeben:
Nachtleben: Das Kapitel Bollwerk, das seit 12 Jahren das Nachtleben mit Clubkultur und vor dem Ausgang Menschen kulinarisch mit Burgern versorgt, schliesst per 18. Mai den eigenen Restaurantbetrieb. Das hat Co-Geschäftsführer*in Dino Dragic-Dubois am Freitagabend mitgeteilt. Das Kapitel wolle ganz auf Clubkultur fokussieren, hofft aber trotzdem, für das Restaurant eine*n Gastro-Partner*in zu finden.
Drogenpolitik: Seit gestern wird in fünf Apotheken in Bern legal Cannabis verkauft. Jedoch nur an die ersten der rund 700 Teilnehmer*innen der Berner Cannabis-Studie, wie die Stadt mitteilt.Ein Computer hat ausgewählt, wer jetzt beziehen darf und wer noch sechs Monate warten muss. Dann werden die beiden Gruppen verglichen. Die Studie soll die gesundheitlichen und sozialen Folgen eines regulierten Verkaufs von Cannabis untersuchen und stellt den Jugendschutz und die Tabakprävention in den Fokus. Mein Kollege Nicolai Morawitz hat vor Studienbeginn mit deren Leiter Reto Auer und zwei Teilnehmerinnen gesprochen.
Spitzensport: Der angehende Berner Arzt und Ausdauersportler Franco Noti will dem Team «Alinghi Red Bull Racing» die grösste Segelregatta der Welt gewinnen. Auf dem Velo. Meiner Kollegin Jana Schmid hat Noti über seine verrückte Mission erzählt.
Montagsmusik: Die Bar L’Ovestino belebt als Zwischennutzung bis 2028 das geschlossene Ex-Kino Gotthard am Bubenbergplatz. Mit der Konzertreihe «Morpheus Monday» serviert sie am Montagabend neu jazzigen Schwung für den Wochenstart. Meine Kollegin Pascale Diggelmann war angetan vom ersten Konzert der Band Akku Quintet des Berner Schlagzeugers Manuel Pasquinelli.
Wirtschaft: Der Berner Investor Beat Zaugg ist an Ostern von den koreanischen Mitbesitzern als CEO der Sportartikelfirma Scott fristlos entlassen worden. Zaugg weigerte sich aber, seinen Posten zu verlassen. Laut den Freiburger Nachrichten gab es am Firmensitz in Givisiez (FR) sogar einen Polizeieinsatz. Zaugg ist für den Wirtschaftsstandort Bern eine wichtige Figur: Er ist Mehrheitsaktionär des Outdoorausrüsters Transa, Besitzer des Ski- und Velocenter, Mitbesitzer des Reiseveranstalters Globetrotter und Inhaber des Restaurants Myle am Bubenbergplatz.
Köniz: Seit 2020 testet die Gemeinde Köniz in Wabern in zwei Basisstufen- und einer 3./4. Klasse das Modell einer Ganztagesschule als Pilotprojekt. Nun hat der Gemeinderat laut einer Mitteilungbeschlossen, die Ganztagesschule ab kommendem Schuljahr in den Regelbetrieb aufzunehmen.
PS: Die Berner Künstlerin und Fotografin Tamara Janes setzt sich seit Jahren humorvoll und scharfsinnig mit der digitalen Bilderflut und ihrem Einfluss auf unsere Wahrnehmung auseinander. 2023 wurde Janes mit dem schweizerischen Design Award ausgezeichnet, ab Juni 2024 bestreitet sie eine Ausstellung im Elysée-Museum in Lausanne. Aktuell sind Arbeiten von ihr im Innenhof und in der Turnhalle des Progr zu sehen, wo sie auch ihr Atelier hat.