Eine Brücke muss zur Kur
Hoch und weg: Ein Kran hat in der Nacht auf Freitag den Schönausteg abtransportiert, damit er saniert werden kann. Eine Bilderstrecke und ein Blick zurück.
Der Schönausteg unweit des Tierparks verbindet das untere Kirchenfeld mit dem Sandrain und Wabern. Die 54 Meter lange Eisenkonstruktion mit Holzdielen ist Verkehrsknotenpunkt, Touristenmagnet, Ort der grossen Sprünge, der Verliebten und gestresste Läufer*innen. Denn sie müssen hier kurz abbremsen auf ihren Laufrunden entlang der Aare.
Auf wenigen Quadratmetern kommt also viel Leben zusammen. Und das seit 1906. Die letzte Sanierung des unter Denkmal stehenden Bauwerks liegt 37 Jahre zurück. Seitdem ist viel Wasser die Aare hinunter geflossen, sind viele Füsse über den Steg gegangen und viele Schlösser als Liebesbeweis an ihn gehängt worden.
Zeit für eine Revision.
Der Korrosionsschutz muss erneuert werden und den Holzdielen, welche bei jedem Schritt federnd nachgeben und zum speziellen Schönausteg-Erlebnis beitragen, neues Leben eingehaucht werden. Kostenpunkt: fünf Millionen Franken.
Der Schönausteg ist deshalb von seinen Aufgaben entbunden worden – zumindest vorübergehend. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat ein Kran den Steg herausgehoben. Alle übrigen Teile wurden demontiert und in transportfähige Teile zerlegt. Jedes seiner Bestandteile soll unter die Lupe genommen werden. Bis zum Frühsommer 2025 wird das dauern. Die Lebensdauer der Brücke könne so um 80 Jahre verlängert werden, heisst es.
Bekannter Zwilling
Der Schönausteg ist 1906 als Kettenbrücke über die Aare erstellt worden – als Ersatz für die Dählhölzli-Fähre, die es damals noch gab. Ein Bild aus dem Stadtarchiv zeigt den Steg kurz nach der Erstellung in einem noch wenig bebauten unteren Kirchenfeldquartier. Damals wie heute ist der Steg der letzte Flussübergang Aare aufwärts in der städtischen Agglomeration. Danach folgt erst wieder die Auguetbrücke zwischen Muri und dem Flughafen Bern-Belp.
Nüchternheit und Pragmatismus haben Anfang des 20. Jahrhunderts dazu geführt, dass der Schönausteg in seiner heutigen Form gebaut wurde. Nachzulesen ist das im Buch «Übergänge. Berner Aarebrücken – Geschichte und Gegenwart» der Autoren Bernhard Furrer, Jürg Bay, Paul Nizon und Georg Lukàcs.
Es kursierten damals noch andere Projekte, wie zum Beispiel jenes einer Hochbrücke, die eine direkte Verbindung zwischen der Kirchenfeldbrücke und Kleinwabern hergestellt hätte. Sie wurde ebenso wenig realisiert wie eine technisch ambitionierte Variante mit Beton-Dreigelenkbogen, die vom renommierten Brückenbauer Robert Maillart stammte. Letztendlich setzte sich die konservative und kostengünstigere Variante durch.
Der erbaute Schönausteg ist eine Kettenbrücke, das heisst, in ihr sind Tragstäbe über Pylonen gespannt. Der Schönausteg hat einen nahen Verwandten, den Altenbergsteg. Er dürfe aber trotz aller Ähnlichkeit nicht mit dem Schönausteg verwechselt werden, unterscheide er sich doch in einigen technischen Merkmalen, schreiben die Autoren. Sie erwähnen dabei unter anderem Gusseisen-Details, Kniestücke und Hängestangen.
Die sanierte Brücke soll im Frühsommer 2025 wieder zur Verfügung stehen. Bis dahin können Passanten die 250 Meter weiter Flussabwärts errichtete Ersatzbrücke benutzen.