Kopf der Woche: Franziska Rogger
Die Historikerin Franziska Rogger hat eine faszinierende Biographie über die Philosophin Anna Tumarkin geschrieben, die erste Professorin an der Uni Bern.
«Nicht auf das Schicksal, sondern auf das, was wir daraus machen, kommt es an.» Diese Aussage von Anna Tumarkin (1875 - 1951) bezeichnet Biographin Franziska Rogger (75) als deren Vermächtnis. Die Jüdin Tumarkin war vor dem zaristischen Terror aus Russland nach Bern geflüchtet, wo Frauen seit den 1860er-Jahren ein Studium möglich war – im Unterschied zu anderen Ländern. Mit «harter Arbeit und vielem Nachdenken mit Hilfe grosser Denker» habe Tumarkin an der Universität Bern ihr Schicksal hinterfragt, sagt Franziska Rogger: «Sie erklomm die Karriereleiter, agierte für das Frauenstimmrecht und postulierte eine realitätsverhaftete, schweizerische Philosophie.» Tumarkin wurde 1909 ausserordentliche Professorin mit allen Rechten – als erste Frau weltweit.
Wie Anna Tumarkin mit den Scheusslichkeiten umging, die sie als einziges Mitglied ihrer jüdischen Familie überlebte, aber auch mit dem Wohlwollen ihrer Mentore und Freundinnen, das fasziniere sie, sagt Franziska Rogger: «Sie liess sich bei Schwierigkeiten nicht vom Weg abbringen. Dabei blieb sie ernsthaft, freundlich und betonte stets ihre grosse Dankbarkeit gegenüber Wohlmeinenden.» Zudem habe Tumarkin auf einem strengen unerbittlichen Dienst an der Wissenschaft bestanden, der kein Abschweifen und keine Kompromisse duldete: «Und ich füge hinzu», sagt Rogger, «auch keine ideologischen Gefälligkeiten».
Letzteres trifft zweifellos auch auf die Historikerin Franziska Rogger zu. Die frühere Archivarin der Universität hat sich mit mehreren Büchern zu Frauenbiografien einen Namen als geduldig recherchierende Publizistin gemacht, die nicht dem Mainstream entlang denkt. Jahrelang befasste sich Franziska Rogger mit Anna Tumarkin und tauchte tief in deren Welt ein, die sie nun erstmals anschaulich schildert. Für eine junge Frau heute müsste es ermutigend sein, die Philosophin Tumarkin kennen zu lernen, weil sie unbeirrt ihren Weg ging, findet Franziska Rogger: «Anna Tumarkin war ebenso erfolgreich wie feministisch-eigenwillig, ein Vorbild also insbesondere für Frauen.»
Franziska Rogger: Anna Tumarkin – das schicksalhafte Leben der ersten Professorin. Stämpfli Verlag.