Der Amateurinnenverein stösst zum Profiklub

Der SCB beschafft sich ein Frauenteam und folgt damit einem Trend im Schweizer Hockey. Probleme lauern an unerwarteten Stellen: Im Stadion hats noch keinen Platz für Damenduschen.

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In der Schweiz hinkt das Frauenhockey dem Frauenfussball rund 15 Jahre hinterher. (Bild: Corinne Krähenbühl)

Vor zwei Wochen ging die Eishockey-WM in Dänemark zu Ende. Kanada schlug die USA im Finale, noch nie hat ein anderes Team als eines der beiden den Titel gewonnen. Die Schweiz spielte gegen Tschechien um den dritten Platz – und verlor mit 2 zu 4.

Du hast davon nichts mitgekriegt? Nun, es waren eben Frauen, die Hockey spielten. Parallel zur WM fanden die US Open und das Eidgenössische Schwingfest statt und beanspruchten die Sportseiten der Zeitungen und die Aufmerksamkeit des Publikums. Immerhin übertrug das Schweizer Fernsehen ab dem Viertelfinal die Spiele der Schweizer Nati.

Rund 2'000 lizenzierte Spielerinnen gibt es in der Schweiz, bei den Spielern sind es mehr als 25'000. Die Spiele der höchsten Schweizer Männerliga besuchen im Schnitt 7'000 Zuschauer*innen. In der höchsten Frauenliga erscheinen – wenn es hochkommt – Personen im dreistelligen Bereich.

«Ich nehme beide Geschlechter gleich ernst.»

Raeto Raffainer

Geht es nach Raeto Raffainer, soll sich dieses krasse Gefälle bald abflachen. Der CEO des SCB will auf Mai 2023 das Frauenhockey-Team EV Bomo Thun in seinen Klub integrieren.

Nach seinem Rücktritt als Spieler war Raffainer ab 2015 während vier Jahren beim Schweizer Eishockeyverband zuständig für die Nationalteams. Auch jene der Frauen. «Die Hälfte meiner Zeit steckte ich damals in die Entwicklung der Frauenteams, ich nehme beide Geschlechter gleich ernst.»

Als er im Frühling 2021 zum SCB stiess, war für ihn darum klar, dass er auch im Kanton Bern das Frauenhockey stärken will. Er liess sich von Daniela Diaz, der früheren Trainerin und Managerin des Frauen-Nationalteams, beraten. Schnell stand fest: Würde der SCB ein Frauenteam gründen, würde das die bestehenden acht Teams im Kanton, die sich über alle vier Leistungsklassen verteilen, schwächen. Die meisten Spielerinnen möchten wegen seines Rufes beim SCB spielen und würden ihre Klubs verlassen. «Diesen Effekt sehen wir bei den Buben: Viele wollen zum SCB. Dabei machen wir in der Juniorenausbildung keinen besseren Job als andere Klubs», so Raffainer.

Fliesst Geld von Postfinance?

Der EV Bomo Thun spielt seit 2006 in der Women’s League, der höchsten Frauenliga der Schweiz. Dort gilt er als «Ewiger Dritter» hinter Zürich und Lugano. Schon länger möchte sich der Klub professionalisieren, doch das Geld fehlt. «Wir haben immer wieder Mühe, Sponsoren zu finden», sagt Vereinspräsident Peter Brand. Da kommt die Unterstützung aus Bern gelegen.

Durch die Einbettung in die Strukturen des SCB soll Bomo von dessen Netzwerk profitieren und so das Budget aufstocken können. Wie die NZZ berichtete, wollte die Postfinance – der Hauptsponsor des SCB – in die Liga und das Nationalteam der Frauen einen mittleren sechsstelligen Betrag pro Saison investieren. Doch die Verhandlungen mit dem Verband scheiterten. Fliesst das Geld jetzt in die Frauenabteilung des SCB? Raeto Raffainer: «Weiss ich nicht. Wir gehen unsere Sponsoren erst an, wenn das Projekt finalisiert ist.»

Wie üblich erhalten nur die Ausländerinnen einen kleinen Lohn.

Ab der nächsten Saison sollen die Frauen von Bomo in Bern trainieren und spielen. «Für die meisten von ihnen verkürzt sich der Weg zum Stadion, da viele in Bern studieren oder in der Nähe wohnen», sagt Raffainer. Und sie können – anders als in Thun – ihre Ausrüstung im Stadion deponieren. Ausserdem stehen ihnen der SCB-Fitness- und Schussraum zur Verfügung.

Finanziell wird sich wenig ändern für die Spielerinnen. Wie üblich in der Schweizer Frauenliga erhalten nur die Ausländerinnen einen kleinen Lohn. Alle anderen bezahlen den Mitgliederbeitrag für den Verein selbst, ebenso die Ausrüstung – diese immerhin mit einem grosszügigen Rabatt.

Aber von einer Gleichstellung mit der ersten Männermannschaft bleiben die Frauen meilenweit entfernt. Die Schweizer Nationalspielerin Lara Stalder sagte gegenüber der NZZ, dass in der Schweiz das Frauenhockey auf den Frauenfussball rund 15 Jahre Rückstand habe. Von den Fussballerinnen überträgt das SRF seit zwei Jahren Ligaspiele live und sie verdienen immerhin wenige hundert Franken pro Monat.

Die Namensfrage

Eine zentrale Frage ist noch ungelöst: Wo können die Spielerinnen und Schiedsrichterinnen duschen? «Wir sind daran, Lösungen zu suchen mit der Stadionbetreiberin», erklärt Raeto Raffainer. Aber so leicht sei das nicht, der Platz in den Katakomben ist ausgereizt. Bereits jetzt gibt es zu wenig Nasszellen für die Junioren, und die Eiskunstläufer*innen, die in der Postfinance Arena trainieren, können dort nicht einmal duschen.

«Der Verein EV Bomo bleibt bestehen.»

Raeto Raffainer

Auch noch nicht klar ist, unter welchem Namen das Team nach der Integration in den SCB auflaufen wird. «Wir werden gemeinsam entscheiden, was clever ist.» Raffainer betont in diesem Zusammenhang, dass der SCB den EV Bomo nicht übernehme: «Der Verein EV Bomo bleibt bestehen. Die Bomo-Leute engagieren sich weiterhin. Zum Beispiel werde nicht ich entscheiden, wer das Team trainiert. Der bestehende Sportchef macht einen super Job.»

Von den Klubs in der National League – der höchsten Männerliga in der Schweiz – stellten bisher nur die ZSC Lions eine Frauenequipe. Auf diese Saison aber gehört der Fribourg Ladies Hockey Club wieder zu Fribourg-Gottéron. Und in Zug, Lausanne und Ambri laufen Diskussionen wie in Bern.

«Ich hoffe, dass es der SCB ernst meint»

Für Michelle Gfeller, 40-jährig, kommt die Entwicklung zu spät. Eine «Riesenpassion» sei das Hockey für sie, seit ihr Vater sie mit vier Jahren auf die «Schlöf» mitgenommen hat. «Durchdrehen» würde sie, könnte sie in der Postfinance Arena einlaufen mit dem Bären auf der Brust. 27 Jahre lang stand Gfeller im Tor. Mittlerweile spielt sie als Verteidigerin – im selbst gegründeten Klub, dem HC Wisle Ladies Worb. Entstanden ist er aus einem Mangel: «Mir fehlte ein Klub, in dem ich gleichzeitig mit meinen ehemaligen A-Liga-Kolleginnen und jungen Mädchen spielen kann.»

«Unter Marc Lüthi bestand kein Interesse an einem Frauenteam.»

Peter Brand

Gfeller freut sich über das Engagement des SCB im Frauenhockey, «aber warum erst jetzt?» Die ehemalige Bomo-Spielerin erinnert sich: «Vor sechs und vor fünfzehn Jahren fragten wir den SCB, ob er Bomo übernehmen wolle. Aber da war kein Interesse vorhanden.» Auch Peter Brand, dessen beiden Söhne und die Tochter in der Junior*innenabteilung des SCB spielten, fragte einst seinen Kollegen und damaligen Sportchef Sven Leuenberger, ob der SCB nicht ein Frauenteam gründen wolle. «Unter dem damaligen CEO Marc Lüthi bestand daran aber kein Interesse», erinnert sich Brand.

Warum? SCB-CEO Raeto Raffainer: «Das war vor meiner Zeit. Über die Gründe kann ich nur spekulieren.»

«Ich hoffe, dass es der SCB ernst meint», sagt Michelle Gfeller. Für sie bedeutet das vor allem eine gute Nachwuchsförderung inklusive B- und C-Teams und Eiszeiten vor 21 Uhr. Und eine angemessene Vermarktung: «Frauenhockey ist interessant zu Schauen. Natürlich darf man es nicht mit jenem der Männer vergleichen, weil bei uns Bodychecks verboten sind.»

Raeto Raffainer anerkennt diese Wünsche, dämpft sie aber für die Gegenwart: «Darüber können wir sprechen, sobald wir das Budget des Frauenteams erhöhen können.» An den Eintritten lässt sich wegen der geringen Zuschauer*innenzahlen wenig verdienen. Und die Gastronomie als Finanzierungsquelle fällt auch weg, da sich eine Öffnung dieser erst ab rund 2'000 Leuten lohnt.

Erfolgsmodell Schweden

«Ich bin überzeugt vom Potenzial des Frauenhockeys», sagt Raeto Raffainer. Er nennt das Beispiel Schweden: Vor 15 Jahren sei das Frauenhockey dort etwa gleich weit entwickelt gewesen wie heute in der Schweiz. Dann gab es eine neue Regel: Die Klubs erhielten aus den Fernsehverträgen nur Geld, wenn sie über ein Frauenteam verfügten und einen bestimmten Prozentsatz des Geldes in dieses Team investierten. Heute besuchen in Schweden 7'000 Leute den Playoff-Final der Frauen. «Das kann man hier auch erreichen. Es braucht Zeit, aber man muss anfangen.»

Raffainer und Brand treffen sich rund alle zwei Monate zu Sitzungen, das nächste Mal im Oktober. Sie sind zuversichtlich, dass sich die dringendsten Punkte – Duschen und Name – bis im Mai 2023 klären. «Auch wenn wir im ersten Moment einen Duschcontainer reinknallen müssen», so Raffainer.

Peter Brand glaubt, dass Bomo durch die Integration in den SCB dem grossen Ziel des Schweizermeisterinnen-Titels näher kommt: «Wir gehen von einem Amateurverein in einen Profiklub über.» Zu sportlichen Zielen will sich Raeto Raffainer noch nicht äussern. «Mein Ziel im Moment ist die Implementierung des Frauenteams.»

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