Game des Lebens
Selbstbestimmt wohnen, barrierefrei gamen, mutig politisieren. Zu Besuch beim Tausendsassa Peter Buri in Ostermundigen.
Am Anfang steht eine bittere Wahrheit: Vor zehn Jahren konnte Peter Buri das Gamepad – sein Spielgerät also – noch besser mit den Händen bedienen, er hatte schlichtweg mehr Kraft. Der bald 34-Jährige aus dem Oberfeld in Ostermundigen hat eine progressive Muskelerkrankung.
«Mir gefällt der gesellschaftliche Aspekt beim Videospielen sehr», sagt Buri. Freunde treffen, zusammen essen und gamen. Das ist eine seiner liebsten Formen des Zeitvertreibs. Damit er trotz fortschreitender Erkrankung weiter virtuelle Eishockey- und Fussballspieler über das Feld scheuchen kann, ist Buri erfinderisch geworden.
Denn was die Zugänglichkeit betrifft, so hat auch die Videospiel-Industrie noch Aufholbedarf. Davon zeugt das Gamepad des gelernten Kaufmanns. Weil er die Standard-Variante nicht mehr richtig benutzen kann und es auf dem Markt keine Alternativen gibt, hat er es auf seine Bedürfnisse hin angepasst.
«Hightech-Bügelbrett»
«Das ist eine spezielle Folie, die ich mir aus China besorgt habe», sagt Buri. Mit Hilfe von Bekannten hat er mit dieser berührungsempfindlichen Folie eine Vorrichtung gebaut, mit der er sechs Knöpfe, die eigentlich auf dem Gamepad liegen, nun mit dem Kopf und den Füssen steuern kann. Buri ist sehr akkurat dabei vorgegangen und hat alle Kabel entsprechend beschriftet, so dass keine Verwirrung entsteht, wenn das klassische Gamepad verbunden wird. Die gesamte Apparatur wiederum kann an seinen Rollstuhl angeschraubt werden. Es sieht aus wie eine Art «Hightech-Bügelbrett», an dem sogar ein Ventilator montiert ist, um Buri Kühlung zu verschaffen.
«Mit dieser Ausrüstung habe ich schon einen ehemaligen FIFA-Profi-Spieler besiegt», sagt Buri sichtlich stolz. Seine Spezialanfertigung sei nicht etwa technisches «Doping», sondern eine Form der Barrierefreiheit. Die Fussball-Simulation FIFA zählt aber eigentlich nicht zu Buris Favoriten.
Zahlreiche Trikots an den Wänden seiner Wohnung zeugen von seiner grossen Leidenschaft, dem Eishockey, die er auch mit seinem Mitbewohner teilt. Dementsprechend ist er auch Fan des Eishockey-Games «NHL», auch wenn er dort weniger oft den Sieg davon trägt als beim Fussball.
Die Zeit rennt davon
Den technischen Aufwand für das Gamen hat Buri auch deshalb betrieben, weil er ab sofort wieder häufiger an Game-Turnieren teilnehmen will. Ihm fehle die sportliche Herausforderung, sagt der 34-Jährige, der früher lange Zeit Power-Chair-Hockey spielte, eine Hockey-Variante für Rollstuhlfahrer*innen.
Und Buri spürt, dass ihm die Zeit davon rennt. Die körperlichen Fähigkeiten, die für das Gaming nötig sind, lassen nach. Ohne Apparatur schlafen ihm zum Beispiel die Hände ein. «Irgendwann werde ich das Gamepad nicht mehr bedienen können», sagt er.
Buri erzählt das mit einer grossen Ruhe, wählt die Worte ruhig und bedacht. Diese Struktur hilft Buri auch in seinem Beruf. Für die Lohnadministration, die er mit seiner Firma treuhänderisch ausübt, arbeitet er mit drei grossen Bildschirmen. Dort, wo am Abend zuvor noch Bälle und Pucks flogen, flimmert jetzt ein Lohnbuchhaltungsprogramm über den Bildschirm, werden eingehende und ausgehende Zahlungen kontrolliert. Ein weiteres Standbein ist die «Peer-to-peer Beratung»: Er berät Menschen mit Behinderungen dahingehend, dass sie zu Arbeitgebern werden und mithilfe von Pflegenden ein eigenständiges Leben führen können.
Für die SP im Gemeindeparlament
Buri und sein Mitbewohner haben ebenfalls diesen Weg gewählt und leben zusammen mit der Pflegerin Ursula unter einem Dach. Sichtbarkeit und Selbstbestimmung sind die zwei treibenden Faktoren hinter diesem Engagement. Buri rechnet vor: Von den 22 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die eine Behinderung haben, leben 70 Prozent in Heimen. Das sei in Bezug auf die UNO-Behindertenrechtskonvention, die die Schweiz 2014 ratifiziert hat, zumindest problematisch.
Buri sagt dann auch: «Inklusion bedeutet für mich, dass Menschen mit einer Behinderung ganz einfach zur Normalität gehören». Um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen, engagiert sich der 34-Jährige politisch. Für die SP sitzt er im Gemeindeparlament von Ostermundigen.
Und dann gibt es da noch «Play Bern» im Leben von Buri. Dort vermischt sich seine Leidenschaft fürs Gamen mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement, geht es dem Verein doch neben der Förderung der Spielkultur auch um die Zugänglichkeit des Videospielens. Buri ist dort nicht nur Vorstandsmitglied, sondern zeigt bei Veranstaltungen, wie zuletzt im März, wie er sich seine «Barrierefreiheit» im Gaming erkämpft hat. Da durfte auch die Spezialanfertigung nicht fehlen.