«Es ist wichtig, kühlen Kopf zu bewahren»
Thomas Warring ist Geschäftsführer des Gümliger Lebensmittelherstellers Haco. Er erzählt, wie er im unternehmerischen Alltag mit Donald Trumps Zollhammer umgeht.
«Die Situation mit den US-Zöllen ist zweifellos belastend und stressig», sagt Thomas Warring, «aber als Geschäftsführer eines international tätigen KMU ist es wichtig, solche Ereignisse nüchtern einzuordnen, ohne in operative Panik zu verfallen.»
Am Donnerstag haben die USA für Produkte aus der Schweiz einen generellen Einfuhrzoll von 39 Prozent in Kraft gesetzt. Am Tag danach gibt Warring der «Hauptstadt» Einblick, wie er und sein Team diese Challenge unternehmerisch anpacken.
Warring, Geschäftsführer der Haco Swiss AG mit Hauptsitz in Gümligen, ist seit Februar dieses Jahres auch Präsident der Berner Arbeitgeber. Der kantonale Wirtschaftsdachverband vertritt die Interessen von über 1700 Berner KMU mit 120’000 Beschäftigten.
Es sei herausfordernd, dem Trumpschen Zollhammer als mittelständisches Berner Unternehmen mit den richtigen Massnahmen zu begegnen. «Was uns am meisten stresst», sagt Warring, «ist die andauernde Unsicherheit.» Bis Donnerstag wusste man nicht, ob die Monsterzölle wirklich erhoben werden. Und jetzt weiss kein Mensch, ob sie über Jahre gelten oder in ein paar Wochen wieder gesenkt werden.
Hartumkämpfter Markt
Die Haco wurde 1922 mit dem Plan gegründet, Arzneimittel herzustellen. Sie erwarb dann allerdings die Produktionsanlagen eines konkursiten Bouillonherstellers in Gümligen und fokussierte auf Lebensmittel. Ab 1929 wurde die Haco eine wichtige Partnerin der damals noch jungen Migros, die als Discounter zu Beginn von vielen Produzenten gemieden wurde. Die Haco aber war zum Beispiel bereit, Eimalzin herzustellen, die preisgünstige Migros-Adaption des Markenprodukts Ovomaltine.
Heute ist das nicht an der Börse kotierte Familienunternehmen eine international tätige Gruppe im Nahrungsmittelmarkt mit insgesamt 1600 Mitarbeitenden. Die Haco stellt verschiedene Alltagslebensmittel her – von Müsli über Riegel, Saucen, Snacks, Gewürzen bis zu Suppen und Kaffee. Mit ihrem Innovation Lab setzt die Haco zudem einen Schwerpunkt in Lebensmitteltechnologie und Nachhaltigkeit. Sie betreibt weltweit rund ein Dutzend Standorte, etwa in Malaysia, aber auch in den USA (Los Angeles).
Für die Haco sei das USA-Geschäft «wichtig, aber nicht dominierend», wie Warring sagt. Der Umsatzanteil liege im einstelligen Prozentbereich. Das relativiere das direkte finanzielle Risiko für die Unternehmung, sollten die Exporte in die USA wegen der Zölle schrumpfen. Deshalb sei Kurzarbeit im Moment kein Thema.
Das bedeute aber nicht, dass man die Zollproblematik vernachlässigen dürfe. «Wir sind, wie viele Berner KMU, in einem hartumkämpften Markt mit eher tiefen Margen tätig», hält Warring fest: «Es braucht nicht viel, und die Rendite ist weg. Man kann nicht mal abwarten, was passiert, sondern muss versuchen, vorausschauend zu handeln.»
Marktvorteil Zuverlässigkeit
Die plötzliche Einführung der neuen US-Zölle fordere mittelständische Industriebetriebe sehr direkt heraus, sagt Warring. Es sei eine Zusatzaufgabe, die unter extremem Zeitdruck bewältigt werden müsse. Bereits effizient eingesetztes Personal dafür freizuspielen, sei sehr anspruchsvoll.
Er schildert ein Beispiel der Haco: «Wir mussten innert kürzester Zeit eine Taskforce bilden, um sehr schnell die komplexen Lieferketten auf möglicherweise entstehende Probleme zu durchleuchten.» Eine aufwändige Aufgabe. Logischerweise sitzen in seiner Unternehmung nicht Angestellte herum, die unterbeschäftigt seien und freie Kapazitäten für Sonderjobs haben. Also müsse man die Prioritäten intelligent verschieben, ohne längerfristige Ziele aus den Augen zu verlieren.
Konkret erwägt die Haco zum Beispiel, nicht mehr wie bisher Halb- und Fertigprodukte aus der Schweiz in die USA zu exportieren, sondern mehr Einzelzutaten oder weniger ausgefeilte Vorprodukte. Die Herstellung der Endprodukte würde man vermehrt der Schwesterunternehmung in den USA überlassen.
Das klingt logisch, sei in der Praxis aber ziemlich kompliziert, erläutert Warring. Eine solche Umstellung bringe eingespielte und auf Effizienz getrimmte Produktionsketten durcheinander. Man müsse beispielsweise die Frage klären, ob das Knowhow in den USA vorhanden sei oder dorthin transferiert werden müsse, um die Endfertigung in gleichbleibender Qualität zu gewährleisten.
Ein anderer wichtiger Aspekt, der oft unterschätzt werde: Als eher kleiner Berner Player auf dem US-Markt erarbeite man sich das Vertrauen der Geschäftspartner*innen auch mit Zuverlässigkeit. «Das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal», so Warring, und dürfe, wenn man den Produktionsprozess verändere, «auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden».
Erinnerungen an Corona
Es gelte also abzuwägen, sagt Warring, ob Haco mit grossem Aufwand Teile der Endproduktion in die USA verlegen soll – mit dem Risiko, dass diese Massnahme zum betriebswirtschaftlichen Problem wird, sollten die Nachverhandlungen des Bundesrats dazu führen, dass die USA den hohen Zoll wieder abbaut. Niemand kennt im Moment die Antwort.
Genau deshalb, so Warring, müsse man kühlen Kopf bewahren: «Die Zölle sind relevant, aber sie dürfen nicht unser gesamtes unternehmerisches Denken bestimmen.» Es wäre fatal, findet er, wenn man sich durch den Stress mit Trumps Zöllen dazu verleiten liesse, Zukunftsthemen – etwa Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Unternehmensausrichtung – nicht mehr voranzutreiben. Sonst laufe man Gefahr, dass man nach dem Ende des Zollschocks den Anschluss an die Konkurrenz verliere.
Bis zu einem gewissen Grad erinnert Warring die Zoll-Krise an die Corona-Zeit. Wenn man eine Lehre von damals auf heute übertragen wolle, plädiere er als Unternehmer dafür, keine Energie mit Schuldzuweisungen zu vergeuden: «Ein Bundesratsbashing brachte damals nichts und bringt es auch heute nicht.» Unter dem Strich sei die Schweiz gut durch die Pandemie gekommen, und es wäre wichtig, diesen kollektiven Sinn für Pragmatismus auch jetzt wieder zu aktivieren.
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