Zölle – Hauptstadt-Brief #487

Donnerstag, 10. Juli 2025 – die Themen: Zollpolitik; Inselspital; Kolumne; Schulprovisorium; neue Bar; Ausschreibung Dampfzentrale; Wolf im Oberland; Kantonale Wahlen.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Auch wenn das EM-Fieber und die sommerliche Aare-Ferienstimmung leicht darüber hinwegtäuschen können: Bern ist keine Insel der Glückseligen. Kriege, Macht- und Geopolitik wirken bis zu uns. Augenscheinlich wird das derzeit in der US-Zollpolitik, die Präsident Donald Trump mit aller Vehemenz durchsetzt. Dies bekommen auch Berner Unternehmen zu spüren.

Zum Beispiel Roger Siegenthaler, CEO der Leuchttechnologie-Unternehmung mb-microtec in Niederwangen: «Wir haben Kurzarbeit beantragt und diese auch recht schnell bewilligt bekommen». Siegenthaler tritt auf in einem Video, das der Handels- und Industrieverein des Kantons Bern gestern veröffentlicht hat. Der HIV zeigt sich besorgt über die «langfristigen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit», die Trumps Zölle für die Berner Wirtschaft hätten. Berner Produkte würden teurer und die Unsicherheit verschlechtere das Investitionsklima. Für den Kanton Bern sind die USA mit über 2,4 Milliarden Franken im Jahr 2024 der zweitwichtigste Exportmarkt – hinter Deutschland.

Der HIV setzt auf diesem Weg die Politik unter Druck. Er fordert vom Kanton bessere Standortbedingungen – er greift dabei auf Altbekanntes zurück: Weniger Regulierung, eine schlankere Verwaltung, erleichterte Unternehmensansiedlungen und Steuerentlastungen sind ein Teil des Forderungskatalogs.

Wie wuchtig Trumps «Zoll-Hammer» für die Schweiz ausfällt, wird sich vielleicht schon in dieser Woche zeigen. Dann könnte Präsident Trump über den definitiven Zollsatz für Schweizer Waren, die in die USA exportiert werden, entscheiden. Dieser soll ab dem 1. August gelten. Doch schon jetzt belastet ein allgemeiner Zollsatz von zehn Prozent den Handel Schweiz-USA.

Berner Unternehmer*innen wie Roger Siegenthaler dürften also weniger gelassen in die Sommerferien gehen als auch schon. 

Leila am Berner Ballzauber fotografiert am Freitag, 4. Juli 2025 in Bern. (liveit.ch / Simon Boschi)
Bilderserie zur Fussball-EM der Frauen (8/16): Leila am Berner Ballzauber fotografiert am Freitag, 4. Juli 2025 in Bern. (Bild: Simon Boschi)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Inselspital: Die Direktion der Insel Gruppe trennt sich von einem Klinikdirektor. Dieser werde per sofort von all seinen Funktionen am Inselspital entbunden, heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Der Direktor habe seine Treue- und Sorgfaltspflichten als Leiter der Klinik in schwerwiegender Weise verletzt. Der Entscheid sei in Rücksprache mit der Universität Bern gefallen. Gemäss Recherchen von Radio SRF handelte es bei der betroffenen Person um eine Oberärztin, deren direkter Vorgesetzter der Klinikdirektor war. Der Fürsprecher der Frau, Rolf P. Steinegger, hält gegenüber dem Sender fest: «Es geht um einen gravierenden Fall mit krasser Gewaltanwendung im sexuellen Bereich über längere Zeit. Darum haben wir nicht nur versucht, dem Opfer zu helfen, sondern zu vermeiden, dass weitere Personen geschädigt werden könnten.» Auf den Vorstoss habe es von der Universität und der Insel-Gruppe keine Antwort gegeben. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes können laut dem Inselspital keine näheren Angaben zur Klinik oder zur Person gemacht werden.  
  • Kolumne: Als Amazon-Gründer Jeff Bezos kürzlich für seine Hochzeit ganz Venedig in Beschlag nahm, flackerte ein Gedanke durch meinen Kopf. Er gebärdet sich wie ein König. Vielleicht sind es diese zeitgenössischen König*innen und «Möchte-gern-König*innen», auf die Hauptstadt-Kolumnist Tobias Rentsch in seinem neuesten Text anspielt.Der Pfarrer der Markuskirche greift dabei auf die Jotam-Fabel aus dem Alten Testament zurück.  
  • Gaswerkareal: Schulprovisorien lösen keine guten Erinnerungen bei mir aus. Im Winter eiskalt, im Sommer überhitzt – und die Baustellen-Atmosphäre gab es noch oben drauf. Da wirkt das Schulraumprovisorium, welches in diesen Tagen auf dem Gaswerkareal fertiggestellt wird, wie von einem anderen Planeten. Die modernen Räumlichkeiten dienen den Schüler*innen der Volksschulen Kirchenfeld und Sulgenbach im kommenden Jahrzehnt als Ausweichort. Für die Hauptstadt habe ich das 23 Millionen Franken teure Provisorium besucht.  
  • Gastronomie: Für das Pusterum Im Mattenhof-Quartier ist ein Nachfolger gefunden. Am 18. Oktober eröffnet an der Schwarztorstrasse 102 das Caffè Bar Sempre Berna. Es wird Kaffee, Drinks, Bier, Snacks und einen Hauch Italianità im Angebot haben, wie die Betreiber*innen am Mittwoch auf Instagram mitteilten. Der Clou: Das Sempre Berna will zudem gratis und niederschwellig Hilfe, Beratungsgespräche oder Coachings anbieten. Mitinitiantin der neuen Bar ist Nicoletta della Valle, ehemalige Chefin des Bundesamts für Polizei (Fedpol), die ihren Wechsel in die Gastronomie und Sozialarbeit bereits Anfang Jahr ankündigte (BZ/Bund, Abo).
  • Dampfzentrale: Die Stadt Bern schreibt die Trägerschaft für den Kulturveranstaltungsort  Dampfzentrale neu aus. Das ist seit wenigen Wochen bekannt. Am Mittwoch hat die Stadt nun die Unterlagen für die Neuausschreibung veröffentlicht. Sie fordert von der künftigen Trägerschaft eine stärkere Förderung des Berner Tanzschaffens sowie ein dichteres Programm.  Die Eingabefrist endet am 30. September. Danach wählt eine neunköpfige Jury unter dem Vorsitz von Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP) in einem mehrstufigen Prozess aus. Gemäss Zeitplan soll im April 2026 klar sein, wer die Dampfzentrale ab 2028 übernimmt.  Warum der Vertrag mit dem jetzigen Betreiber, dem Verein Dampfzentrale, nicht automatisch verlängert wurde, hat meine Kollegin Marina Bolzli in diesem Artikel recherchiert. Der Verein kann jedoch an der Neuausschreibung teilnehmen.  
  • Wolf: Der Kanton Bern hat am Mittwoch einen Wolf zum Abschuss freigegeben. Das Tier hatte in der Gemeinde Guttannen trotz Herdenschutz durch Hunde mehrere Schafe gerissen. Die Verfügung gelte bis zum 24. August und könne einzig durch die kantonalen Wildhüter umgesetzt werden, schreibt der Kanton in einer Mitteilung.  
  • Kantonale Wahlen: Die Mitte-Partei zeigte sich nach der Ankündigung der SVP, mit drei Kandidaten zu den Regierungsratswahlen im März anzutreten, ziemlich verstimmt. Und die GLP bot ihr an, auf ein gemeinsames Wahlticket der Zentrumsparteien zu kommen und aus dem bürgerlichen Bündnis auszusteigen. Daraus wird nun definitiv nichts. Im «Hauptstadt»-Artikel zu den Folgen des SVP-Powerplays liess Mitte-Regierungsrätin Astrid Bärtschi bereits durchblicken, dass sie mit den bürgerlichen Partnern in den Wahlkampf ziehen will. Nun bestätigte Co-Parteipräsident André Roggli gegenüber Bund/BZ (Abo) offiziell den Verbleib der Mitte im bürgerlichen Lager.

PS: Heute Abend startet der Happy Donschti Anlass des Vereins Mazay. Los geht es um 19 Uhr 30 in der Vereinsküche des Museumsquartiers mit einem Konzert der Berner Ska-Band Quatre in Toulouse.

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