Kopf der Woche: Anna Jobin
Die Berner Sozialwissenschaftlerin Anna Jobin kämpft als Präsidentin der Eidgenössischen Medienkommission dafür, die Macht grosser Online-Plattformen zu erkennen. Und zu regulieren.
Bümpliz? Anna Jobin (42) fühlt sich ausdrücklich wohl in Bern West, wo sie mit ihrer Familie lebt. Vielleicht auch, weil sich in der Distanz von Bümpliz zum Stadtzentrum der unabhängige Aussenblick der Wissenschaftlerin auf die Gesellschaft spiegelt. Jobin forscht an der Universität Freiburg zu digitaler Ethik und Algorithmen. Als Präsidentin der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) ist sie eine kritische Stimme in einer Zukunftsdebatte, die auch die «Hauptstadt» beschäftigt: Wie bleibt die Schweizer Medienlandschaft trotz wirtschaftlichem und technologischem Druck vielfältig und relevant?
Die EMEK berät Bundesrat und Verwaltung zu Medienfragen. Diese Woche äusserte sich die Expert*innenkommission zu einem Problem, mit dem jede*r Smartphone-Besitzer*in konfrontiert ist: zur Macht grosser Plattformen wie Google, Tiktok oder Instagram (=Meta) auf die Frage, welche Inhalte wir überhaupt sehen. «Es sind wenige Unternehmen, die gleichzeitig eine grosse Markt-, aber auch eine grosse Meinungsmacht haben», sagt Anna Jobin. Das sei für die öffentliche Meinungsbildung in einer Demokratie problematisch.
Der Bundesrat plant ein Gesetz zur Regulierung von Kommunikationsplattformen. Das unterstützt die EMEK, sie plädiert aber auch dafür, weiter zu denken und das Problem ganzheitlich anzugehen. Sie gibt in einem 15-seitigen Bericht zahlreiche Empfehlungen ab. Die Stossrichtung: Es geht nicht nur um technologische Lösungen. Sondern vor allem um Ethik, Politik – und Bewusstsein.
Die Digitalexpertin wünscht sich ein gesellschaftliches Bekenntnis zur demokratischen Gestaltung von digitalen Kommunikationsräumen: «Es kann nicht sein, dass wir die Macht über Informations- und Datenflüsse einfach den privaten Plattformunternehmen überlassen», da stehe zu viel auf dem Spiel. Aber, stellt Anna Jobin klar, die Alternative sei nicht, dass stattdessen der Staat inhaltlich eingreife. «Die kollektive Mitbestimmung von uns Nutzer*innen muss gestärkt werden», fordert Jobin. Das müsse das Ziel sein.