Kleine Nager in Wallung
Eichhörnchen machen nicht Winterschlaf, sondern Winterruhe. Die warmen Tage Ende Dezember sorgten dafür, dass sie plötzlich ganz aktiv wurden.
Das Jahr hat für die Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) früh begonnen. Normalerweise sieht man sie im Winter selten, auch wenn Eichhörnchen – entgegen der landläufigen Meinung – keinen Winterschlaf halten. Sie machen Winterruhe.
Echte Winterschläfer können ihre Körpertemperatur auf unter 10 Grad senken, ohne Schaden davonzutragen. Die Atemfrequenz und der Herzschlag sind im Winterschlaf massiv verlangsamt. Das spart ordentlich Energie in Zeiten von Nahrungsmangel oder unwirtlichen Umweltbedingungen.
Anders gelagert ist die Winterruhe, bei der die Körpertemperatur nur gering von der normalen Betriebstemperatur abweicht. Der Schlaf wird während der Winterruhe oft unterbrochen, man knabbert eine Kleinigkeit und versäubert sich.
Temperaturschwankungen
Genau das macht das Eichhörnchen. Es klettert täglich nur kurz aus seiner Behausung, den Rest der Zeit verbringt es schlafend in seinem gut vor Kälte geschützten Nest. Seine Körpertemperatur sinkt im Winter nicht ins Bodenlose, auch nicht während den Eistagen von letzter Woche. Tiefer als 36,7 Grad fällt das Fieberthermometer von Eichhörnchen nicht.
Trotzdem schwankt auch ihre Körpertemperatur. Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass die durchschnittliche Körpertemperatur von Eichhörnchen täglich zwischen 37.8 und 40.1 Grad hin- und her oszilliert. Im Sommer ist diese Spannbreite mit 2.6 Grad geringer als im Winter, wo der Unterschied zwischen der tiefsten und höchsten Körpertemperatur 3 Grad ausmacht.
So oder so – für uns würden sich diese Schwankungen anfühlen, als ob wir täglich hohe Fieberschübe erlebten. Menschen sind da viel moderater: unsere Temperatur steigt über den Tag hinweg um knapp 1 Grad an und flaut über Nacht dann wieder ab.
Hormone purzeln
Lange dauerte die Winterruhe für die Eichhörnchen in diesem Jahr noch nicht. Die warmen Tage in der letzten Hälfte des Dezembers brachten die kleinen Nagetiere in Wallung. Bereits um Weihnachten herum purzelten die Hormone. Die Eichhörnchen sausten in wilden Verfolgungsjagden die Bäume spiralförmig hoch und runter, hangelten sich in Blitzeseile über dünnes Geäst und sprangen von Baum zu Baum.
Dieses Verhalten widerspiegelt das komplizierte Liebesleben der Tiere. Denn bei Eichhörnchen gibt es viele falsche, aber nur einen richtigen Zeitpunkt: Das Weibchen ist genau einen einzigen Tag im Östrus pro Paarungszeit. Entweder bist du als Männchen dann vor Ort oder das mit deinem Stammbaum geht irgendwann zu Ende.
Der Auftakt zur Paarung beginnt schon 5 bis 18 Tage früher. Das Weibchen teilt über Urin und Sekrete seine kommende Paarungsbereitschaft mit. Erwachsene Eichkater – so der waidmännische Name des Eichhörnchenmännchens – riechen diesen Duft in bis zu 1,5 Kilometer Entfernung und besuchen das Weibchen, jeder gerne für sich alleine. Der Besuch besteht aus etwa halbstündigen Verfolgungsjagden, während er ihr hinterher saust.
Rabiate Balzkämpfe
Der Tag, an dem das Weibchen paarungsbereit ist, bleibt in der Nachbarschaft nicht unbemerkt. Denn nun verfolgen meist mehrere Männchen das Weibchen gleichzeitig. Die Männchen versuchen dabei, ihr möglichst nahe zu bleiben und gleichzeitig die Kontrahenten auf Abstand zu halten. Es kann ziemlich rabiat zu und her gehen, denn Eichhörnchen haben gute Zähne. Meist attackiert das dominanteste und schwerste Männchen die anderen. Er ist es denn auch, der sich meist mit dem Weibchen paaren kann.
So exklusiv ist es jedoch nicht – Weibchen können sich mit mehreren Männchen paaren. So verwundert es nicht, dass das Männchen das Weibchen während bis zu einer Stunde nach der Paarung bewacht. Da es keine Synchronität bei den paarungsbereiten Weibchen und diese obendrein bis zu zwei Würfe pro Jahr haben können, gleicht die Paarungszeit der Eichhörnchen – zumindest für die Männchen – einer Lotterie.
Die Bernerin Irene Weinberger ist als Biologin spezialisiert auf einheimische Wildtiere und das Konfliktmanagement zwischen Natur und Mensch.