Wabern Spezial

«Köniz ist ein Zukunftsmodell»

Seit November ist Tanja Bauer (SP) Gemeindepräsidentin von Köniz. Sie lobt die Zusammenarbeit im Gemeinderat und verrät die Pläne fürs Schloss Köniz.

Tanja Bauer, Gemeindepraesidentin von Koeniz, fotografiert am Donnerstag, 24. August 2023 in Bern. (Manuel Lopez)
Gemeindepräsidentin Tanja Bauer am Bahnhof Wabern. (Bild: Manuel Lopez)

Mit dem Velohelm in der Hand steht Tanja Bauer vor dem Schulhaus Morillon in Wabern. Ein paar Kinder, die vorbeigehen, grüssen sie. Das Morillon soll für knapp 37 Millionen Franken saniert und erweitert werden, darüber stimmt Köniz am 19. November ab. Denn Wabern wächst und das Schulhaus platzt aus allen Nähten.

Die Gemeindepräsidentin von Köniz hat den Treffpunkt vorgeschlagen: Bildungspolitik ist der SP-Frau seit Beginn ihrer Politkarriere wichtig. Das war überhaupt der Grund, warum die 40-Jährige in die Politik eingestiegen ist. Ihr erster Vorstoss als Gründerin eines Elternkomitees war die Forderung nach mehr Raum und Ressourcen für die Tagesschulen in Köniz. Das war 2016 – nur ein Jahr später wurde sie ins Könizer Parlament und kurz darauf in den Grossen Rat gewählt. Und legte seither eine steile Karriere hin.

Als Gemeindepräsidentin muss Tanja Bauer nun Allrounderin sein – im Gespräch mit der «Hauptstadt» zeigt sie, dass sie dafür gewappnet ist. Egal, ob es um Finanzen, Stadtentwicklung oder Wirtschaftsförderung geht, die Wabererin argumentiert rhetorisch gut und konzentriert. Und, in bester Politfüchsin-Manier schafft sie es auch mal, heikle Fragen zu umschiffen, indem sie das Gespräch in eine andere Richtung lenkt.

Tanja Bauer, Gemeindepraesidentin von Koeniz, fotografiert am Donnerstag, 24. August 2023 in Bern. (Manuel Lopez)
Blick auf das Dorfschulhaus in Wabern. Wabern wächst, viele Familien ziehen hin, es braucht mehr Schulraum. (Bild: Manuel Lopez)

Frau Bauer, grosse Bauvorhaben wie das Morillon-Schulhaus belasten die Gemeinde finanziell. Kann Köniz sich das leisten?

Wir müssen es uns leisten, denn Bildung ist in der Schweiz die wichtigste Ressource. Es ist eine unserer Hauptaufgaben, den Schulraum zur Verfügung zu stellen. Und weil Köniz wächst, braucht es mehr Schulraum. Das letzte grosse Bevölkerungswachstum war in den 1960er und 70er Jahren. Nun sind die Schulhäuser von damals alt und müssen erneuert werden. Dazu kommt die grosse Nachfrage nach Tagesschul-Betreuung, die auch Raum braucht. Köniz hatte zu lange einen zu tiefen Steuersatz für diese Herausforderungen. Aber vor einem Jahr konnten wir dank einem überparteilichen Schulterschluss die Steuererhöhung durchbringen und nun sind wir auch finanziell auf einem guten Weg.

Das sind Wachstumsschmerzen, die viele städtische Gemeinden haben.

Ich würde nicht von Schmerzen sprechen. Wir wachsen hier in Wabern, weil die Bevölkerung die Zersiedelung stoppen will. Der Kanton hat daher festgelegt, dass in den Zentren verdichtet werden soll. Das bietet die Chance, die Quartiere und die Aussenräume zu entwickeln und ist auch aus Klimaschutzüberlegungen richtig. Wir wollen dort verdichten, wo Infrastruktur besteht und Synergien genutzt werden können – wie zum Beispiel mit Fernwärme. Das Wachstum dient also übergeordneten Zielen.

Reicht die Steuererhöhung für die anstehenden Investitionen in die Infrastrukturen?

Er muss reichen. Und er wird reichen. Eine weitere Steuererhöhung ist politisch kaum durchsetzbar. Aber es geht nicht nur um die Investitionen, es geht auch um den Unterhalt und die Sanierungen der bestehenden Infrastruktur. Dort haben wir grossen Nachholbedarf in Köniz. Zudem braucht es die nötigen personellen Ressourcen, um Investitionen und Unterhaltsarbeiten durchzuführen. Wir konnten im letzten Jahr weniger realisieren als geplant, weil uns wegen dem Fachkräftemangel teilweise Mitarbeiter*innen fehlten. Das bereitet mir Sorgen. Denn so verschieben sich wichtige Vorhaben. Wenn die Schulbauten nicht rechtzeitig realisiert oder saniert werden, fehlt dringend benötigter Raum und es braucht Provisorien. Das ist teurer und für den Schulbetrieb umständlicher.

Köniz ist in einer ähnlichen Lage wie die Stadt Bern. Die Zentren müssen wegen des Wachstums viel investieren. Der städtische Finanzdirektor fordert darum eine Revision des Finanzausgleichs und eine bessere Abgeltung der Wachstumskosten der Städte. Wie sieht das Köniz?

Der Finanzausgleich entstand vor einem Vierteljahrhundert. In der Zwischenzeit hat sich Köniz stark entwickelt und trägt auch zusätzliche Zentrumslasten für die Region. Diese Kosten müssten berücksichtigt werden. Aber obwohl Köniz mit 43’800 Einwohner*innen ungefähr gleich gross wie Thun und viel grösser als Burgdorf und Langenthal ist, werden wir heute als einzige der sechs grossen Städte im Kanton gar nicht berücksichtigt. Das wollen wir nun ändern.

Wofür fordern Sie Geld vom Kanton?

Wie andere Städte stellen wir Infrastruktur für andere bereit. Die Badi, das Gurtenfestival mit dem Sicherheitsbedarf. Der Verkehr ist bei uns fast intensiver als in der Stadt. Und wir bieten ein Naherholungsgebiet für Städter*innen.

Tanja Bauer, Gemeindepraesidentin von Koeniz, fotografiert am Donnerstag, 24. August 2023 in Bern. (Manuel Lopez)
Tanja Bauer argumentiert rhetorisch scharf und konzentriert. (Bild: Manuel Lopez)

Ostermundigen fusioniert vielleicht mit Bern. Köniz will nicht. Warum?

Das ergibt einfach keinen Sinn. Wir sind eine grosse Gemeinde, die 13. grösste Stadt der Schweiz. Hätten wir den Steuerfuss der Stadt Bern gehabt, hätten wir keine finanziellen Probleme. Köniz ist ein gutes Miteinander von Stadt und Land: Wir leisten viel für die innere Verdichtung in den Zentren und einen Service Public auch für kleine Ortsteile auf dem Land.

Am Leser*innenanlass der «Hauptstadt» in der Villa Bernau hörten wir die Idee, die Gemeinde aufzuteilen und städtische Quartiere wie Wabern mit Bern zu fusionieren.

Das finde ich eine sehr elitäre Diskussion. Die reichen Ortsteile würde man der Stadt zuschlagen und die ärmeren Gemeindeteile würden noch ärmer. Das ist falsch und ich sehe keine Notwendigkeit, denn Köniz prosperiert auch so.

Sie sehen die Gemeinde als wichtiges Bindeglied zwischen Stadt und Land?

Köniz ist ein Zukunftsmodell für den Kanton: Mit einem Zentrum, das Verantwortung für ländliche Regionen übernimmt. Es ist aber anspruchsvoll, die Identität einer so vielfältigen Gemeinde zu erhalten.

Und wie lösen Sie diese Aufgabe?

Für Köniz war der Wakkerpreis 2012 wichtig. Die Gemeinde erhielt ihn für ihre vorbildliche Ortsplanung. Wenn man auf die Gemeinde stolz sein kann, hilft das der Identität. Weiter sind Begegnungsorte wichtig. Darum wollen wir mehr aus dem Schloss Köniz machen und eine Stiftung gründen.

Wie soll das Schloss verändert werden?

Es soll ein Treffpunkt der Generationen werden, ein Ort der Kultur und des Austausches. Das Schloss ist schon heute ein Ort mit viel Ausstrahlung. In Zukunft soll das Potential noch besser genutzt werden. Ich hoffe, dass man das heute teilweise marode Kornhaus instand setzen kann und dann das gastronomische und kulturelle Angebot grösser wird.

Warum braucht es dazu eine Stiftung?

Heute gehört das Schloss der Gemeinde und es steht in Konkurrenz zu anderen Investitionen. Da unsere Mittel beschränkt sind und die Schule immer vorgeht, wollen wir das Schloss nun einer Stiftung im Baurecht abgeben. Einer Stiftung bieten sich andere Möglichkeiten, um finanzielle Mittel zu generieren.

Tanja Bauer, Gemeindepraesidentin von Koeniz, fotografiert am Donnerstag, 24. August 2023 in Bern. (Manuel Lopez)
Im November steht die Abstimmung zur Sanierung und Erweiterung des Schulhauses Morillon an. Hier der Pausenplatz. (Bild: Manuel Lopez)

Eines von Tanja Bauers Wahlversprechen war, dass sie zu den Menschen rausgehen wird. «Ich weiss, dass das ein Rund-um-die-Uhr-Job sein wird», sagte sie letzten Herbst während dem Wahlkampf zur «Hauptstadt».

Und raus geht sie wirklich, das bestätigt sich auch, wenn man sich in Köniz etwas umhört: Tanja Bauer besucht Vereinsversammlungen, Sportanlässe, Konzerte von Musikgesellschaften, Märkte, die in verschiedenen Ortsteilen stattfinden. «Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, das prägt mich», sagt die Gemeindepräsidentin, die in Krattigen im Berner Oberland gross wurde. «Da habe ich gelernt, dass es wichtig ist, aufeinander zuzugehen». Sie sei stets mit einer gewissen Neugier unterwegs. «Es beeindruckt mich, wie viel die Leute freiwillig in Dorfvereinen leisten.»

Was ihr Familienleben angeht, ist Tanja Bauer zurückhaltend. Sie weiss zwar, dass auch ihr Privatleben zu einem gewissen Grad in der Öffentlichkeit steht. Sie lebt mit ihrem Partner David Stampfli, der SP Grossrat ist, und ihren drei schulpflichtigen Kindern in Wabern. Allzu Persönliches hält sie aber lieber zurück.

Ihr neuer Job als Gemeindepräsidentin lasse sich gut mit der Familie vereinbaren. «Er ist zeitintensiv, aber man bekommt auch etwas zurück». Zudem könne sie in Köniz auf eine gute Infrastruktur zurückgreifen, in der Politik sei ja sonst vieles ehrenamtliche Arbeit. Und ausserdem: «Das ist nicht ein Job, es ist ein Amt».

Ein Amt, in das sie mit einer Kampfwahl kam, nachdem ihre Vorgängerin Annemarie Berlinger (SP) zurückgetreten ist.

Tanja Bauer, Gemeindepraesidentin von Koeniz, fotografiert am Donnerstag, 24. August 2023 in Bern. (Manuel Lopez)
«Niemand will schlecht zusammenarbeiten», sagt Tanja Bauer über den Könizer Gemeinderat. (Bild: Manuel Lopez)

Wie arbeiten Sie mit SVP-Gemeinderat Christian Burren zusammen, der auch Gemeindepräsident werden wollte?

Sehr gut, wie mit allen Kollegen. Der Wahlkampf ist vorbei, wir haben uns gut gefunden.

Sie sind aber nicht immer gleicher Meinung. Sie selbst wollten eine Anzeige der Gemeinde wegen einer Sprayerei gegen Aktivist*innen von Pussy Riot in Wabern zurückziehen. Christian Burren aber sagt, ein Rückzug «wäre ein fatales Zeichen, denn es würde bedeuten, dass in Köniz die Regeln nicht für alle gleich gelten.» Daher kommt der Fall nun vor Gericht. Verstehen Sie seine Argumentation?

Unsere Haltungen sind hinreichend bekannt. Aber es wurde so vom Gemeinderat entschieden, und in unserem Konkordanzsystem gilt: Ich falle meinem Kollegen sicher nicht in den Rücken.

In der Vergangenheit zogen im Gemeinderat nicht alle am gleichen Strick. Warum geht es nun?

Vielleicht gerade darum: Niemand will schlecht zusammenarbeiten. Alle Gemeinderät*innen wollen Probleme lösen und die Gemeinde voranbringen. Bei über 80 Prozent der Geschäfte haben wir keine politischen Diskussionen und bei den anderen Geschäften ist es auch gut, dass wir diskutieren.

Wie wurden Sie in das bestehende Gremium aufgenommen?

Es gab ein grosses Interesse an einer Beruhigung, um konzentriert zu arbeiten. Und ich kam erst nach der Steuererhöhung ins Amt. Die Lage ist also nicht wegen mir einfacher geworden, sondern die Aufbruchstimmung war schon da.

Sie wollen Wirtschaftsförderung betreiben. Die Gewerbeausstellung (GEWA) vom Oktober wurde im Sommer aber mangels genügend Ausstellern abgesagt. Was schliessen Sie daraus?

Wir sind in Kontakt mit der GEWA. Die Gemeinde wollte ihren Wirtschaftsapero als Eröffnung der GEWA durchführen. Damit doch noch etwas stattfindet, werden wir den Anlass im Herbst dennoch machen. Für Gewerbe-Ausstellungen sinkt das Interesse, viele Betriebe haben auch nicht mehr die Kapazität dafür. Die Gemeinde wird sich hier aktiv überlegen, was wir machen können, um der Wirtschaft anders Sichtbarkeit zu verleihen, zum Beispiel zusammen mit KMU Köniz und weiteren Vereinen einen Tag der Offenen Türen initiieren.

Welche Akzente wollen Sie in der Wirtschaftsförderung setzen?

Wir überarbeiten unser Wirtschaftsförderungskonzept und führen dazu Interviews. Eine Herausforderung für die Wirtschaft sind raumplanerische und bürokratische Fragen. Da können wir uns als Gemeinde verbessern. Und wir müssen in städtischen Gebieten zum Gewerbe Sorge tragen. Denn Sanitäre und Spengler sind vielleicht nicht so wertschöpfungsintensiv, aber für den Alltag und für die Nachhaltigkeit sehr wichtig. Sie sollten auch stadtnahe Standorte haben. Das muss berücksichtigt werden.

Tanja Bauer, Gemeindepraesidentin von Koeniz, fotografiert am Donnerstag, 24. August 2023 in Bern. (Manuel Lopez)
Ein Ort, den Tanja Bauer gerne besucht: Das Restaurant Gross-Wabern am Bahnhof Wabern. (Bild: Manuel Lopez)

Tanja Bauer wohnt seit 2014 in Wabern. Sie rühmt das Kulturlokal Heitere Fahne oder das Restaurant Gross-Wabern, das kürzlich neben der Bahnstation in Wabern aufgemacht hat und nach vielen Jahren die erste Beiz in Wabern ist, die abends wieder regelmässig geöffnet hat.

«Man kommt nach Köniz, weil man eine Wohnung sucht, und findet ein Daheim», sagt sie. Es klingt wie ein Werbespruch. Aber das stimme wirklich, beteuert Bauer. Köniz sei lebenswert und wachse, gerade in den städtischen Teilen wie in Wabern und Liebefeld. Die Gemeinde laufe einfach häufig unter dem Radar. «Wobei das gar nicht so schlecht ist: Wenn man unterschätzt wird, kann man überraschen», meint sie, bevor sie den Velohelm wieder in die Hand nimmt und zur Gemeinderatssitzung eilt.

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