Das Marzili der Zukunft

Die Stadt will 67 Millionen Franken in die Hand nehmen, um das ikonische Marzilibad zu erneuern. Am 18. Mai kommt der Kredit zur Abstimmung. Was kann die Bevölkerung von der aufwändigen Sanierung erwarten?

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Der neue Eingangsbereich soll einen grösseren Einblick ins Bad gewähren. (Bild: zVg – Trachsel Zeltner Architekten)

Gäbe es die Berner Bäderlandschaft als Kartenspiel, wäre das Marzili die Karte, die alle sticht. National bekannt, im Herzen der Stadt gelegen, bei Badenden und Böötler*innen gleichermassen beliebt: Stimmen die Temperaturen, dann strömen in einer Sommersaison rund 900’000 Menschen ins Marzili. Kino, Kunst, Eisbaden: Kaum etwas, das es nicht gibt in der Badeanlage, die zum Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz gehört.

Während die Ursprünge des Marzilis bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, liegt die letzte umfassende Sanierung des Bads rund 50 Jahre zurück. Nun soll es in vier Bauetappen modernisiert werden – und zugleich eine kleine Reise in die Vergangenheit antreten. Doch dazu später mehr.

Kostenpunkt für das Bauvorhaben: Rund 67 Millionen Franken. Über den entsprechenden Kredit entscheidet am 18. Mai die Stimmbevölkerung.

Andres Ambauen arbeitet als Bereichsleiter Bauprojektmanagement bei Hochbau Stadt Bern. In dieser Funktion laufen bei ihm die wichtigsten Fäden bei der Marzili-Gesamterneuerung zusammen. «Den Charme behalten, aber moderne Bedürfnisse erfüllen» – so hat Ambauen das Projektziel formuliert. Bereits im Herbst dieses Jahres sollen die Bagger auffahren. 

Das Besondere an der Sanierung: Das Marzili wird nicht über längere Zeit komplett gesperrt, sondern jeweils während vier Wintern. Das ist zwar logistisch komplizierter, weil Baustellen mehrmals ab- und aufgebaut werden müssen, doch so steht die Badi in den Sommermonaten zur Verfügung. 

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Weil im neuen Hauptgebäude auf zwei Stockwerken der Kassenbereich und ein Restaurant untergebracht sind, bleibt insgesamt mehr Aufenthaltsfläche. (Bild: zVg – Trachsel und Zeltner Architekten)

Eines der zentralen Anliegen des Umbaus: Das Marzili soll «freigespielt» werden, erklärt Ambauen. Was er darunter versteht, sieht man in den Visualisierungen des Architekturbüros Trachsel und Zeltner, das den Wettbewerb zur Gesamtsanierung gewonnen hat. 

Mut zur Lücke im Eingangsbereich

Der heutige Eingangsbereich an der Marzilistrasse vis-à-vis der Gelateria di Berna wird markant umgestaltet. Heute blicke man auf die wenig einladende Rückfassade des Wirtschaftsgebäudes, so Ambauen. Ausserdem seien Müllcontainer und Velostellplätze den Besuchenden im Weg. 

Im neuen Marzili werden diese Elemente verschoben, um Platz zu machen für einen offenen, mit Bäumen gesäumten Eingangsbereich. Das Bad öffne sich damit stärker zum Quartier, so der Bereichsleiter.

Der Kassenbereich und das Restaurant mit Aussenterrasse wandern dafür in ein neues  zweigeschossiges Gebäude aus Holz. Bis es soweit ist, müssen sich die Badegäste allerdings gedulden. 2028 soll das neue Restaurant eingeweiht werden.

Bereits im kommenden Winter rücken Arbeiter*innen zur Schwimmbeckensanierung an. Diese bleiben am gleichen Platz, sollen aber ein Edelstahlbecken bekommen. Auch der Kinderplanschbereich wird an gleicher Stelle neu erstellt. Zudem wird die gesamte Badewassertechnik erneuert. 

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Das Kinderplanschbecken wird grundlegend umgestaltet. (Bild: zVg – Trachsel Zeltner Architekten)

Weil die Garderoben und Kabinenbauten denkmalgeschützt sind, werden sie laut Ambauen nur behutsam saniert. Aus den gleichen Gründen bleiben der Frauenbereich «Paradiesli» und der Ruhebereich im Wesentlichen unverändert.

Kleines Revival des «Löifu»

Ältere Bewohner*innen Berns werden sich vielleicht erinnern: Das Marzili-Bad befand sich bis Ende der 1960er-Jahre auf einer Insel und wurde vor einem Nebenarm der Aare umflossen. Der Bau der Monbijoubrücke setzte dem ein Ende. Im Zuge der anstehenden Marzili-Sanierung kam die Idee wieder auf den Tisch, die «alte Aare» freizulegen. Daraus wird nun zu grossen Teilen nichts, allerdings lässt sich das Siegerprojekt zumindest vom «Löifu» inspirieren und zeichnet mit Bäumen den früheren Flussverlauf nach.

Wo der alte Flussverlauf wieder zu erkennen sein wird, ist beim geplanten Aarehafen. Dieser soll die Situation der anlandenden Böötler*innen entschärfen, die sich heute an Sommertagen vor der Dalmazibrücke auf den Füssen stehen. Neu können die Bootsfahrenden südlich der Monbijoubrücke auswassern – dort, wo früher die alte Aare begann.

Der Baubeginn für den Hafen ist für den Winter 2028/29 angepeilt. In der Stadtratsdebatte zur Gesamterneuerung und Sanierung des Marzilis kam die Kritik am Aarehafen von bürgerlicher Seite, allen voran von der SVP. Diese bemängelte neben den zusätzlichen Kosten unter anderem, dass mit einer vergrösserten Ausstiegsmöglichkeit noch mehr Bööteler*innen angezogen würden als bisher schon. Die Abstimmungsbotschaft wurde schlussendlich aber mit 66 Ja- und fünf Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen sehr klar angenommen.

Einsprachen gegen Baugesuch

Gemäss der Stadt sind die letzten Baugesuche für die Erneuerung und Sanierung des Marzilis im Dezember 2024 eingegangen. Dagegen habe es insgesamt elf Einsprachen gegeben. Weil für die erste Bauetappe, welche im Herbst 2025 starten soll, aber bereits eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege, stehe dem Baubeginn voraussichtlich nichts im Wege.

Die Stadt steht laut eigenen Angaben mit Anwohnenden zu den Einsprachen im Dialog – es geht unter anderem um das Verkehrsregime und den Neubau des Gastrogebäudes.

Auch Lorrainebad wird saniert

Mit dieser letzten Bauetappe und einer Aufhebung der Parkplätze am Spitz unweit der Dampfzentrale soll die Gesamtsanierung des Marzilis bis 2030 abgeschlossen sein. Wenn alles nach Plan verläuft. 

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Nächste Ausfahrt Aarehafen – neu können Bootsfahrende schon vor der Monbijoubrücke anlanden. (Bild: zVg – Trachsel Zeltner Architekten)

Die Stadt jongliert derzeit mehrere Bad-Sanierungen gleichzeitig. Im Ka-We-De ist die zweijährige Sanierungsphase bereits angelaufen. Beim Neubau für das Hallenbad Weyermannshaus hat die Stimmbevölkerung im Februar den Baukredit in der Höhe von 107 Millionen Franken angenommen. Auch das Lorrainebad bekommt zwischen 2026 und 2028 eine Frischzellenkur – vorausgesetzt, die Stimmbevölkerung nimmt die Vorlage zum Baukredit an, die voraussichtlich noch dieses Jahr zur Abstimmung kommt. Im Berner Norden schwebt der Stadt eine kleine Rückkehr in die Vergangenheit vor: Laut Ambauen soll das Bad wieder wie früher von Aarewasser durchspült werden, anstatt wie heute von einer Frischwasserquelle.

Ein «Generationenprojekt» seien diese parallel laufenden Badsanierungen und –neubauten, so Ambauen. Bereits 2022 ist die Sanierung des Freibad Weyermannshaus abgeschlossen worden, die mit 35 Millionen Franken zu Buche schlug. Elf Millionen Franken war die Auffrischung des Freibads Wyler teuer, 75 Millionen Franken kostete die Schwimmhalle Neufeld.

Sind auch die aktuellen Projekte beendet, wird die Stadt für die Erneuerung ihrer Eis- und Wasserbereiche mindestens rund 350 Millionen Franken ausgegeben haben – 67 Millionen Franken gehen dafür wie erwähnt ans Marzilibad. Beim Sanierungsstandard bewege man sich dort auf dem Niveau anderer städtischer Bäder, erklärt Ambauen. Das Marzili schwinge in dieser Hinsicht nicht nach oben aus.

Der Druck auf Ambauen und sein Team ist hoch: Termine, Kosten, Qualität – alles muss stimmen und eingehalten werden. Gleichzeitig sei es eine «Ehre», die Berner Bäder des 21. Jahrhunderts mitgestalten zu können. Während seine Vorgänger*innen jahrzehntelang nur aufhübschen und auffrischen konnten, dürfen Ambauen und das heutige Team von Hochbau Stadt Bern in den nächsten Jahren mit der grossen Kelle anrichten.

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Diskussion

Unsere Etikette
Tobias Frehner
24. April 2025 um 20:02

67 Millionen für ein Freibad – die Stadt Bern hat den Kompass verloren.

Was hier als Sanierung verkauft wird, ist ein überrissenes Prestigeprojekt mit Sicherheitsrisiken und massivem Parkplatzabbau – ohne Mobilitätskonzept, ohne Augenmass.

Ein «Aarehafen» direkt bei den Schwimmausstiegen? Brandgefährlich. 132 Parkplätze weniger? Rücksichtslos.

Ja zur Pflege des Marzili. Nein zur Luxus-Inszenierung auf Kosten aller.

Ich unterstütze das klare Nein der Jungfreisinnigen.