«Vraiment cool, assez cher»
Rund 50 Jahre musste die Idee einer 50-Meter-Schwimmhalle in Bern reifen, jetzt ist sie Realität. Die «Hauptstadt» hat das Hallenbad im Neufeld getestet.
Ein Bau für den grossen Auftritt: «Schwimmhalle» steht in riesigen Lettern auf der Aussenfassade. Die Hollywood Hills im Neufeld? Und wenn die Besucher*in die Eingangstür passiert, gelangt sie auf eine Art Laufsteg, von dem aus links und rechts hinter Glas die Schwimm- und Sprungbecken liegen. Erhaben.
Im Eingangsbereich der Galerie liegt auch das Café, in dem gediegene Farben und Edelstahl dominieren. Wer weiter will, also ins Bad eintauchen, und nicht bloss beim Espresso (vier Franken) Turmspringer*innen bestaunen will, muss als Erwachsener 8 Franken 60 zahlen. Damit liegt die neue Schwimmhalle Neufeld 15 Prozent über den Preisen der Hallenbäder Weyermannshaus und Wyler.
«Vraiment cool, assez cher», raunen sich zwei junge französischsprachige Besucher zu, nachdem sie am Automaten das Billet gelöst und ein Blick auf die grosse Schwimmfläche erhascht haben. Cool sei das also hier, aber auch ziemlich teuer.
Wohin die 75 Millionen Franken für den Bau geflossen sind, wird gleich hinter dem Drehkreuz deutlich: Hohe Decken, lange, lichtdurchflutete Korridore, moderne Armaturen und kleine Bullaugen in den Wänden, die jeweils einen ganz besonderen Blick auf das Schwimmbad freigeben und wohl auch kleine Besucher*innen erfreuen. Ein Fest fürs Auge.
Licht und Freiraum
In den Umkleidekabinen mutet alles hochwertig an und scheint auf Dauer ausgelegt zu sein. In den Spinden können auch grosse Wintermäntel so verstaut werden, dass sie nicht als Textilknäuel enden.
Einzig bei den sehr hellen Fliesen fragt sich der auf Reinlichkeit bedachte Mensch, wie lange sie wohl in diesem Zustand bleiben werden, beziehungsweise wie oft sie pro Tag gereinigt werden müssen.
Der Weg von der Umkleidekabine bis zum Becken ist recht lang, was aber auch nachvollziehbar ist bei einem Bad dieser Ausmasse:
Zehn 50-Meter-Bahnen, ein Sprungturm und -becken, ein Lern- und Kinderschwimmbecken und zwei Whirlpools sind dort untergebracht und zwischen diesen Elementen gibt es so viele Freiflächen, dass nie ein Gefühl der Enge entsteht. Auf dem wellenförmigen Dach sind zudem 3500 Quadratmeter Photovoltaikanlagen installiert, die laut Angaben der Stadt 192 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen können.
Der erste Sprung ins Nass
Bahn 1 am Dienstagnachmittag. Nur eine Schwimmerin zieht ihre Bahnen, ich tauche ein ins Edelstahlbecken. Vielleicht liegt es an der Euphorie des ersten Besuchs, doch die Bahn kommt mir sehr schnell vor. Die ersten zweihundert Meter sind müheloser als sonst.
Ein spannendes Detail: Das Deckenlicht ist so angebracht, dass man auf dem Beckenboden immer wieder recht genau seinen eigenen Schatten sehen kann und so ein Gefühl dafür bekommt, ob die eigenen Bewegungen und die Wasserlage stimmen.
Der Besucher Philippe Stählin wird später am Ausgang sagen: «Kein Partikel ist im Wasser zu erkennen. Alles ist so sauber». Das sei anders als in den Bädern, die er ansonsten besuche. Das tiefe Blau des Wassers lässt ihn schwärmen.
Zeitenwende für Schwimmer*innen
Beim Schwimmklub Bern lobt man das «weiche Wasser». Für den Leistungssport sei die Eröffnung des Bads ein «Jahrhundertereignis», so Rainer Gilg, Leiter Wettkampfschwimmen.
50 Meter-Bahnen allein seien zwar noch kein Garant für bessere Ergebnisse, aber dass schlichtweg mehr Platz vorhanden sei, verbessere die Trainingsmöglichkeiten enorm. Mit der neuen Schwimmhalle habe der Klub ausserdem einen Ort gewonnen, an dem er sich treffen kann. Das sei beim verteilten Trainingsbetrieb im Weyermannhaus, Wyler und Hirschengraben schwierig gewesen. «Die ganze Anlage ist darauf angelegt, dass man sich sieht», sagt Gilg, der dabei auf den gläsernen Eingangsbereich und die Emporen anspielt.
Im Neufeld ziehen nicht nur Schwimmer*innen ihre Bahnen. Turmspringer*innen stürzen sich in die Tiefe, Wasserballer*innen kämpfen um Tore und Synchronschwimmer*innen feilen an ihren Choreographien. Ausserdem bereiten sich die Rettungsschwimmer*innen auf Wettkämpfe und Ernstfälle vor.
Vom Hirschengraben ins Neufeld
Lockerer geht es an diesem Tag beim Kinderbecken zu: Eine Elefantenrutsche wartet darauf, benutzt zu werden. Ein Kind versucht, eine Schleuse zu öffnen, braucht aber noch Hilfe vom Vater. Der Kinderbereich ist schön angelegt, könnte aber schnell an seine Grenzen stossen, wenn Vollbetrieb herrscht, wie das bislang an einem Winterwochenende im Wyler- oder Weyerlibad der Fall ist. Aber vielleicht bringt die zusätzliche Bademöglichkeit im Neufeld auch in dieser Hinsicht für Familien Entspannung.
Verzichten müssen Schwimmer*innen seit Ende Juni allerdings auf das Hallenbad Hirschengraben, das mit der Eröffnung im Neufeld definitiv stillgelegt wurde. Dort hatte Beatrice Ramazani bislang ihren Arbeitsplatz. Heute arbeitet sie in der Schwimmhalle Neufeld an der Kasse – als seien vier Hallenbäder in einem vereinigt worden, beschreibt sie ihren neuen Wirkungsort. Mehr Licht und Luft als im alten «Muubeeri» gebe es hier. Viele Veränderungen, doch zumindest eines sei gleich geblieben: Die Fragen der Besucher*innen nach der Wassertemperatur und der Funktionsweise der Spinde.
Konzepte, Initiativen, Wettbewerbe sind seit den 1960er Jahren ent- und wieder verworfen worden. 1997 scheitert ein kantonal abgestütztes Projekt für den Bau eines neuen 50-Meter-Hallenbads an der Urne. Erst rund 15 Jahre später kommt wieder Bewegung in die Sache. Ausgerechnet eine Volksinitiative der FDP macht den Weg frei für eine neue Schwimmhalle. 2019 sagt das Stadtberner Stimmvolk dann Ja zu einem 75,5-Millionen-Franken-Baukredit. Schon ein Jahr später erfolgt der Spatenstich und im Herbst 2023 die Eröffnung.