Warum kann ich nicht mit dem Bus zum Marzilibad fahren?

Frag die «Hauptstadt», Folge 1 – Die ÖV-Planung ist eine komplexe Angelegenheit. Um eine Antwort auf Matthias‘ Frage zu finden, lernen wir mehr über Fahrgastzahlen, autonome Busse und die Chance einer Überbauung.

7FBB2E1E-652C-4191-BE2C-16D3C088D69A
Beim Audioformat «Frag die 'Hauptstadt'» können Leser*innen per Sprachnachricht Fragen an die Redaktion stellen. (Bild: Jana Leu)

Frage von Leser Matthias:

«Warum gibt es noch immer keine schlaue Lösung für eine Busverbindung in den Altenberg und ins Marzili?»

Antwort der «Hauptstadt»:

Im Bus zum Fluss. Das ist es ja im Grunde, was unser Leser Matthias möchte. Und es gibt zwei Arten, ihm zu antworten: Die kurze und schmerzlose Antwort – quasi die Express-Route übers Marzili-Bähnli – lautet: In den kommenden Jahren wird es keine Bus-Linie ins Marzili geben.

Und die längere Antwortvariante – also quasi ein Fussmarsch hinunter ins Marzili – geht so:

Die ÖV-Erschliessung des Marzilis ist seit Jahren ein heikles Thema und es ist schon viel Wasser die Aare hinuntergeflossen seit eine erste Studie gezeigt hat: Es gibt nicht ausreichend Nachfrage für eine permanente Busverbindung ins Marzili.  

Und daran hat sich bis heute nichts geändert– sagt zumindest die Stadt auf Anfrage. Die Marzilibahn biete schon einem grossen Teil des Quartiers eine gute Anbindung. Sehr viel Nachfrage für eine Busverbindung bleibe nicht, heisst es. 

Geht es um die Bestellung des ÖV, ist die Stadt ohnehin nicht in der Pflicht. Einfach gesagt: Wenn Matthias mit einem Bus ins Marzili fahren möchte, muss er den Kanton davon überzeugen, dass ein solches Angebot sinnvoll ist. Und der Kanton Bern sagt aktuell: Die Wirtschaftlichkeit einer Linie ins Marzili ist nicht gegeben. Bei einer Buslinie ins Altenbergquartier sieht es ähnlich aus, von den verkehrstechnischen Hürden dort noch gar nicht zu sprechen.

Und auch die Stadt kann nicht in die Bresche springen und aus eigener Tasche eine Buslinie finanzieren. Sie lässt ausrichten: In den Sommermonaten seien zwar sehr viele Menschen in und um das Marzilibad unterwegs, aber ein Bus-Angebot darauf zuzuschneiden, sei schwierig. Verkehrsspitzen seien stark vom Wetter abhängig.

Gibt es also wirklich keine ÖV-Möglichkeit, um aus der Stadt ins Marzili zu kommen, ohne die Drahtseilbahn zu benutzen?

Gut, da wäre ja noch der «Matte-Schnägg» – ein selbstfahrender Bus. Das Fahrzeug mit acht Plätzen ist zwei Jahre lang im Marzili- und Mattequartier erprobt worden und hatte mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen. Hinzu kommt: Auch hier stimmte die Auslastung nicht, wie die Stadt mitteilt. Dass die Test-Phase in die Corona-Pandemie fiel, sollte aber nicht unerwähnt bleiben. Einen selbstfahrenden Bus im Regelbetrieb wird es im Quartier nicht geben.

Einziger Lichtblick für Matthias und alle, die im Bus hinunter zum Fluss wollen: Die Überbauung des Gaswerk-Areals.  Sollte diese in der geplanten Form zustande kommen, würde es allerdings noch mindestens fünf Jahre dauern, bis ein Bus zumindest bis ins hintere Marziliquartier fährt. So wäre das Bad an den ÖV angebunden. 

Und es gibt auch immer noch das Publibike, mit dem die Reise ins Bad zumindest bergab recht schnell ist.

Ansonsten ist Geduld gefragt, lieber Matthias. Vielleicht ist gerade das der «Bernese way of life»: Raus aus dem Hamsterrad, langsam zur Aare hinunterschlendern, runterfahren statt Bus fahren, hineinspringen ins kühle Nass, sich treiben lassen. Eine Entschleunigung also – wie ansonsten nur im «Matte-Schnägg».

*Ergänzung: Bei der Beantwortung der Frage ging nicht vergessen, dass der 30er Bus in den späten Abendstunden zwischen Bern Bahnhof und Marzilistrasse verkehrt. Da das Marzilibad dann aber nicht mehr geöffnet ist oder gerade schliesst, wurde diese Option aussen vor gelassen.

Frag die «Hauptstadt»

Im Tram, auf dem Weg ins Marzili oder am Wochenmärit – plötzlich taucht eine Frage auf und lässt einen nicht mehr los. Das Online-Magazin Hauptstadt hat deshalb ein Audioformat geschaffen, bei dem die Leser*innen ihre Fragen in eine Sprachnachricht verpacken und an die Redaktion schicken können.

Frag auch du die «Hauptstadt», jetzt hast du die Gelegenheit und schick uns dein Audiofile über WhatsApp oder Signal an: 078 205 46 89

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Diskussion

Unsere Etikette
Alexander Haller
19. Juni 2022 um 07:30

Der Lift von der Monbijoubrücke sollte nicht vergessen gehen, ist auch praktisch für Velofahrende. Die Tangentiallinie 28 ist leider auch nicht immer in Betrieb. Aber immerhin.

Christoph Staub
04. Juni 2022 um 19:47

Nach meinem Stand des Irrtums darf der Marzilibus nur fahren, wenn die Marzilibahn nicht fährt, da man nicht will, dass sich zwei Angebote die nicht allzu zahlreichen Passagiere untereinander aufteilen müssen und die Defizite somit grösser werden. Man müsste sich demnach zwischen Bahn und Bus entscheiden, und da ist mir die Bahn klar lieber als ein Bus, der nur alle 20 Minuten fährt und eine viel längere Fahrzeit hat.

Stephan Schneider
04. Juni 2022 um 07:16

Hmm, es gibt ihn ja, den Marzilibus. Der fährt aber immer erst ab 21.00 Uhr. Der wohl ursprünglich als ‘Ausgangsbus’ für die heute nicht mehr existente Matte-Ausgehmeile und die einzelnen Dampferebesucher konzipierte Marzilibus ist so eigentlich obsolet und deshalb auch wenig genutzt. Und natürlich nimmt Bern Mobil somit an, dass da ja nur ein kleines Bedürfnis besteht. Eine zumindest aus meiner Perspektive falsche Schlussfolgerung. Für das gelebte grüne Lebensgefühl der Stadt müsste diese Busverbindung tagsüber eine Selbstverständlichkeit sein. Und würde sowohl den Familien und auch den vielen älteren Bewohner:innen im Altenberg, dem Längmuurweg, der Matte und den Marzili zugute kommen.

Christian Studer
03. Juni 2022 um 07:04

Wow, ausführliche Antwort, sehr interessant.