All songs are bizarre

Die Berner Band Prix Garanti bringt am Mittwoch, dem 13.12., ihr neues Album raus. Dieser Veröffentlichungstag ist kein Zufall.

Prix Garanti
Lehnt sich gerne gegen Normen auf: Die Band Prix Garanti. (Bild: Marion Bernet)

Eigentlich publizieren Bands ihre neuen Alben immer am Freitag. Das ist ein Industriestandard, der nicht nur für die Schweiz gilt, sondern weltweit. Der Grund: Streamingplattformen und Radios aktualisieren freitags ihre Charts und Playlists. Musik, die an diesem Tag veröffentlicht wird, hat bessere Chancen, an der Spitze der Charts und in Playlists zu landen

Eigentlich. Die Berner Band Prix Garanti widersetzt sich dieser Marktlogik. Stattdessen will sie mit ihrer Albumveröffentlichung am 13. Dezember ein Zeichen setzen. «Es war aber nicht so, dass wir das von langer Hand geplant haben. Es hat sich so ergeben und wir fanden es passend», sagt Maxi Ehrenzeller, der Leadsänger der Band. 

Denn: Der 13. Dezember – oder verkürzt geschrieben, der 13.12. – hat eine Bedeutung.  Die Zahlenfolge 1312 steht für das englische Akronym ACAB, was «all cops are bastards» bedeutet. Sinngemäss auf Deutsch: «Alle Bullen sind Schweine.» Die Zahlenfolge und das Akronym sieht man oft als Graffiti oder Tätowierungen. 

Der Begriff taucht unter anderem in Fussballkreisen und linken, polizeikritischen Milieus auf. Laut dem Buch ACAB: All Cops are Bastards von Carlo Bonini, entstand der Begriff in den 1970er-Jahren in der englischen Fussballszene aufgrund von Gewalt zwischen Fussballfans und der Polizei. Von Hooligans und Ultras breitete er sich auf andere Subkulturen, wie zum Beispiel die Links-Alternativen-Szene, aus. Eine Szene, in der sowohl Prix Garanti als auch ein Grossteil ihrer Fans auszumachen sind. 

Kassette statt Streaming

Das neue Album will die Band nicht zeitgleich auf Spotify veröffentlichen. Der «Streaming Big Boss» habe es nicht verdient, schreibt die Band in einer Mitteilung an die «Hauptstadt». 

Ab 2024 erhalten Künstler*innen auf Spotify nämlich erst ab 1’000 Streams Geld – vor allem für kleine Künstler*innen ist das einschneidend und abschreckend. Zumal der Anteil der Musiker*innen an den Einnahmen von Spotify generell tief ist.

Maxi Ehrenfeld von Prix Garanti
Leadsänger Maxi Ehrenzeller spricht die Songtexte mehr als er sie singt. (Bild: Marion Bernet)

Aus diesem Grund will Prix Garanti auf anderen Plattformen präsenter sein. Die Band hat bereits alle Tracks auf Bandcamp veröffentlicht. Ausserdem will sie ihre Musik mit dem Verkauf des Albums als Kassette und via Merchandise finanzieren. 

Ganz von Spotify löst sich Prix Garanti aber nicht: Die Band schaltet ihre Lieder einzeln ab Freitag, 15. Dezember bis Ende März auf der grossen Streamingplattform auf. 

Altbekannt oder neu?

Und inhaltlich? Von den alten Alben «Nüt isch guet und aues isch scheisse» und «Nüt isch guet und aues isch Plastik» hebt sich das neue Album schon im Titel ab: «Hope you never go extinct». Oder auf Deutsch: «Hoffentlich stirbst du nie aus.» Der Titel lehne sich an das Lied des letzten Albums «Forever Please» an, so Sänger Maxi Ehrenzeller. «Er drückt den Wunsch aus, dass es Prix Garanti für immer gibt und nie ausstirbt.» Entstanden sei die Idee aufgrund eines Kuchens mit dem Schriftzug «Hope you never go extinct», den sie einer guten Freund*in geschenkt haben. 

Neu ist auch, dass das Album hauptsächlich Remixe enthält. Die Band hat drei Lieder aufgenommen und anderen Künstler*innen zum Remixen gegeben. Diese haben daraus neuartige Lieder gemacht, indem sie das Original zum Beispiel «umgestellt», schneller oder langsamer gemacht haben. Das Album enthält die drei Originale und sieben Remixe.

Die ersten drei Lieder – die Originalversionen – sind im typischen «Prix Garanti Stil». Das Lied «200K» erinnert zum Beispiel an den altbekannten Song «Hardlife Bern», mit dem die Band vor einigen Jahren bekannt wurde. Es beginnt mit einem eingängigen, pumpenden Beat, der zum Mitwippen einlädt. Leadsänger Maxi Ehrenzeller, mehr sprechend als singend, beginnt auf Englisch: 

«no compressors // we look at ourselfs // to find whats left inside // no masters // theres nothing left to hide // no compressors no // no masters oh no // pigeons crushing concrete eyed»

Prix Garanti
Die Bedeutung der Texte ist auf den ersten Blick oft nicht erkennbar. (Bild: Marion Bernet)

Er gibt sich dabei keine Mühe, den Schweizer Akzent zu verstecken. Danach folgt Sprechgesang auf Berndeutsch, dessen Inhalt man nicht wirklich nachvollziehen kann, zu pumpendem Techno, der aufputscht und zum Abgehen einlädt. Und wie so oft bei Prix Garanti fragt man sich: Was soll das? Ist das einfach Trash oder steckt mehr dahinter? 

Die Bedeutung der Texte wird erst im Gespräch mit dem Textautor Maxi Ehrenzeller klar, der zusammen mit Bandmitglied Noah Reusser die Texte für das Album geschrieben hat. Ehrenzeller fügt einzelne Zeilen, die er in einer Notizen-App sammelt, zu einem Liedtext zusammen. Die Zeilen entstehen oft aus Alltagsbeobachtungen. Die Zeile «Liechter wärde zu Strahle» in «200K» sei ihm zum Beispiel in den Sinn gekommen, als er abends im Regen auf der Autobahn fuhr und die Lichter so schnell vorbeigezogen seien. 

200K beinhalte verschiedene Bedeutungen und Themen, so Ehrenzeller. Er sei nach Zürich gezogen und finde sich noch nicht zurecht mit den verschiedenen Kreisen, die in Zürich die Quartiere bezeichnen. Die Liedzeile «200 Tusig Kreise» spiele darauf an. Aber auch darauf, dass Tauben in ihrem Leben wahrscheinlich über 200’000 Kreise drehen würden. 

Heilige Tauben

Hört man sich die Remixe an, erinnert die Musik immer wieder an das Gurren von Tauben, die Texte sind kaum erkennbar. Das ist keine Überraschung, da Maxi Ehrenzeller von Tauben fasziniert ist: «Sie sind für mich der Atem der Stadt, sie halten die Stadt am Leben und verbinden alles.»

Album Cover Prix garanti hope you never go extinct
Auch das Albumcover zieren Tauben. Prix Garanti widmen ihr neues Album den «unterschätzten» Tauben. (Bild: zvg / Kashev Tapes)

Mehr noch: «Tauben haben in der heutigen westlichen Welt ein schlechtes und unsauberes Image. In der Katholischen Kirche werden sie aber als der heilige Geist angesehen, in der muslimischen Religion als Beschützerinnen», führt Ehrenzeller aus. Dieser Gegensatz fasziniere ihn. Indem er Tauben thematisiere, ja eigentlich sogar das Album ihnen widme (das Albumcover zieren Tauben), will er sich gegen die gängige westliche Auffassung auflehnen. 

Das passt damit zum Geist des ganzen Albums. Ob nun 1312, Anti-Spotify oder Tauben. Prix Garanti ist primär gegen hiesige Normen. Live zu sehen gibt es die Band vorerst aber nicht. Zunächst wolle man ein neues Bühnenset erarbeiten, sagt Ehrenzeller. Ein Konzert vor dem Frühling 2024 ist deshalb trotz neuem Album keines geplant.

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Diskussion

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Chahan Karnusian
15. Dezember 2023 um 08:06

cooler Artikel - sympathische Band!