Parkplätze müssen Containern weichen
Wegen der Ghüder-Container-Pflicht werden allein im Berner Stadtteil Mattenhof 130 Parkplätze gestrichen. Die Stadt sucht aktuell mit dem Quartier und den Hausbesitzern Lösungen, führt die Pflicht aber erst ab 2023 ein.
Vor jedem Stadtberner Haus stehen bald mehrere Container: Einer für den Kehricht, einer für Farbsäcke und Altpapier und meist auch einer für das Grüngut. Damit sollen die Mitarbeiter*innen von Entsorgung und Recycling Stadt Bern vom Heben der Ghüdersäcke entlastet werden. Das Trennsystem mit farbigen Abfallsäcken, sogenannten Farbsäcken, soll das Recycling zusätzlich vereinfachen. Das haben die Stadtberner Stimmberechtigten vergangenes Jahr entschieden. Nun zeigt sich: Bei der Umsetzung hapert es noch.
Gemäss Abstimmungsbotschaft sollte das System schon in diesem Sommer im Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl eingeführt werden. Doch das ist Makulatur. Die Abteilung Entsorgung und Recycling hatte im Frühjahr festgestellt, dass die Einführung einiges komplexer ist als gedacht. Daher wurde den Hausbesitzer*innen im Stadtteil 3 vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass das neue Kehricht-Regime erst in der zweiten Hälfte 2023 eingeführt wird. In anderen Stadtteilen geht es noch länger. Erst 2027 wird in ganz Bern – mit Ausnahme der Innenstadt – der Kehricht via Container entsorgt werden.
Die Verzögerung begründet Christian Jordi, Leiter Entsorgung und Recycling, damit, dass im Stadtteil 3 gemäss einer Vorstudie besonders viele öffentliche Standplätze nötig seien. «Die Planung dieser Standplätze ist aufwendiger als gedacht.» Grundsätzlich wolle die Stadt die Container-Pflicht möglichst gut und nicht möglichst schnell einführen. Daher das gedrosselte bernische Tempo. «Das bisherige System funktioniert ja noch», sagt Jordi.
Mit dem Farbsack-Trennsystem können Einwohner*innen der Stadt Bern recycelbare Abfälle wie PET, Alu/Büchsen, Altglas und auch Kunststoffe neu der Abfuhr mitgeben. Dazu führt die Stadt weitere Gebührensäcke ein: die sogenannten Farbsäcke. Die Nutzung der Farbsäcke ist freiwillig. Sie werden ab Mitte 2023 stadtweit im Detailhandel erhältlich sein. Neu ist auch, dass alle Siedlungsabfälle im Container entsorgt werden. Kehrichtsäcke und Papier/Karton werden also nicht mehr frei im öffentlichen Raum für die Abfuhr bereitgestellt.
Die meisten Container werden auf privatem Grund stehen. In einem Infoschreiben vor einigen Wochen hat die Stadt die Hausbesitzer*innen im Stadtteil 3 angefragt, ob sie die Container auf Privatgrund stellen können. «Bis jetzt sind von rund der Hälfte der Hausbesitzer*innen Rückmeldungen eingetroffen», sagt Jordi. Die Auswertungen würden laufen. Parallel dazu fänden die ersten Gespräche mit den Liegenschaftseigentümer*innen und Verwaltungen statt. Wenn Eigentümer*innen melden, dass sie keinen geeigneten Privatgrund für den Containerstandplatz haben, gibt es laut Jordi eine Begehung und man schaue, ob sich mehrere Hausbesitzer*innen zusammentun könnten. «Wenn nicht, braucht es einen öffentlichen Containerstandplatz.»
Und diese öffentlichen Containerstandplätze werden fast überall auf Parkfeldern gebaut. Der öffentliche Raum sei knapp, sagt Jordi. «Wir rechnen im Moment mit rund 130 Parkplatzaufhebungen in Stadtteil 3 durch öffentliche Container-Standplätze.» Diese Zahl könne sich noch nach unten oder oben anpassen, je nachdem, bei wie vielen Liegenschaften sich effektiv keine Lösung auf privatem Grund realisieren lasse. Viele öffentliche Container-Standplätze wird es wegen den engen Platzverhältnissen zum Beispiel an Monbijou- und Effingerstrasse geben.
Wie viele Parkplätze in ganz Bern für die Container weichen müssen, will Jordi noch nicht bekanntgeben. Da könne man noch keine «belastbare Angabe» machen. Das Farbsack-Trennsystem wird nach Stadtteil etappiert eingeführt. Die Anzahl der öffentlichen Container-Standplätze hängt von der Baustruktur ab. Es werden in den weiteren vier Stadtkreisen sicher mehrere Hundert sein. Entsorgung und Recycling Bern geht davon aus, dass für 12 Prozent der Haushalte öffentliche Container benötigt werden. Nur in der Berner Innenstadt wird es wegen des Denkmalschutzes keine Container geben. Da werden auch künftig die Säcke direkt eingesammelt.
In allen anderen Quartieren werden Hausbesitzer*innen künftig meist drei Container vor dem Haus stehen haben. Je einen für Grüngut, einen für Kehricht und einen für Fabsäcke und Papier. Die Container werden von der Stadt zur Verfügung gestellt. Zur Auswahl stehen vier Grössen mit zwischen 140 und 770 Litern Volumen.
Für öffentliche Standplätze setzt die Stadt auf 1100-Liter-Container. Normalerweise werde man öffentliche Container vom Trottoir her befüllen können. Zudem werden laut Jordi bestehende Sammelstellen umgerüstet. Aus PET-Containern würden Farbsack-Container.
Die Aufträge der Stadt Bern für das Sortieren und das Recycling der Kunststoffsammlung mittels Farbsäcken werden nächstes Jahr ausgeschrieben. «Wir hoffen, dass es bis Ende 2023 in der Schweiz eine Sortieranlage geben wird», sagt Christian Jordi, Leiter Entsorgung und Recycling. Sonst gehe der Kunststoff für die Sortierung ins nähere Ausland. Das Mischglas werde in Deutschland verarbeitet werden. «Für das Recycling suchen wir die ökologisch sinnvolle Lösung», sagt Jordi. Der Preis werde in der Ausschreibung nicht das wichtigste Kriterium sein.
Es gibt bei der Planung laut Jordi Zielkonflikte: «Man will möglichst wenig weit gehen zum Container. Man will aber auch möglichst viele Parkplätze erhalten.» Zudem müssten andere Projekte, wie der Bau von Velorouten, berücksichtigt werden. Und sogar das Umrüsten des städtischen Fuhrparks auf E-Mobilität hat Auswirkung auf die Planung der Standplätze. «Kehricht- und Feuerwehrfahrzeuge werden mit der E-Mobilität breiter», erklärt Jordi. Sie seien neu 2,5 Meter statt 2,3 Meter breit.
Die ersten Baugesuche will die Stadt Ende Jahr eingeben. Es gibt dann zwei Publikationen der Bauvorhaben. Eine Verkehrspublikation für den Parkplatzabbau und ein Baugesuch für den Container-Standplatz.
Eigentlich müsste sich die links-grüne Stadt über die vielen Container-Standplätze freuen, da sich die Regierung vor drei Jahren zum Ziel gesetzt hat, die Hälfte der damals rund 17 000 Parkplätze aufzuheben.
Doch aus dem Quartier spürt Jordi Widerstand gegen die Aufhebung von Parkplätzen. «Darum haben wir die Quartier-Mitwirkung des Stadtteils 3 stark einbezogen», sagt Jordi. Deren Geschäftsführer Patrick Krebs bestätigt: «Wir erwarten viele Einsprachen, insbesondere zum Abbau der Parkplätze.» Zudem sei die Distanz zu den Containern ein Thema: «Es wird Situationen geben, wo Anwohner*innen den Kehrichtsack bis zu 200 Meter zum Container tragen müssen.» Wenn dies in Gegenrichtung zu den üblichen Laufwegen zu ÖV-Haltestellen oder Einkaufsläden sei, könne dies mühsam sein. Dennoch sei der Tenor bei den Mitgliederorganisationen verhalten positiv: «Viele sehen ein, dass die Einführung der Container nicht ohne Parkplatzabbau möglich ist.»
Erstaunlich locker nimmt man die Container-Pflicht und die Parkplatz-Streichungen beim Berner Hauseigentümerverband. Präsident Adrian Haas sagt zwar, man sei grundsätzlich gegen den Parkplatzabbau. «Man könnte die Parkplätze ja auch verschieben.» Doch die Einführung der Container-Pflicht erachtet er dennoch als sinnvoll: «Wir bieten Hand zur Umsetzung.» Es sei gut, wenn die Säcke nicht mehr auf den Strassen stehen würden. Und der Vorteil sei: Man könne zu jeder Tag- und Nachtzeit entsorgen.