Kachelofen der Hoffnung
Das Berner Fernwärmenetz wird ausgebaut. Ökologisch ist das nur, wenn es mit weniger fossiler Wärme gespiesen wird. Ein Sandstein-Wärmespeicher tief im Boden könnte das Problem entschärfen.
Die Tücken der Fernwärme
Gemeinderätin Marieke Kruit (SP) strahlte, und ihr Kollege Reto Nause (Mitte) sprach von einem «historischen Tag», die Energiewende werde real. Das war am 17. Oktober 2022, die beiden Mitglieder der Stadtregierung feierten an der Looslistrasse 15 in Bümpliz den Anschluss der Liegenschaft an das neue Fernwärmenetz. Das Fernwärmenetz, auf das die Stadt Bern ihre Hoffnungen baut für eine Zukunft mit fossilfreier Wärmeversorgung.
Der Anschluss an der Looslistrasse war der erste Anschluss seit dem Baubeginn der Transportleitungen von der Energiezentrale Forsthaus in die Quartiere im Januar 2020. Bis 2035 will Energie Wasser Bern (ewb) das Fernwärmenetz um 36 Kilometer ausbauen und dafür 500 Millionen Franken investieren. Erst in Richtung Westen, dann auch in die Länggasse und nach Holligen.
Mit dem Ausbau des Fernwärmenetzes trage ewb «einen wesentlichen Teil zur Umsetzung der städtischen Energie- und Klimastrategie bei», heisst es auf der ewb-Website. Die Strategie sieht vor, dass die Wärmeversorgung bis 2025 zu 40 Prozent auf erneuerbaren Energien basiert, bis 2035 zu 70 Prozent. 2021 hat der Anteil erneuerbarer Wärme an der Wärmeversorgung 27 Prozent betragen; Fernwärme deckte 15 Prozent des städtischen Wärmeverbrauchs. Im Vergleich zum Referenzjahr 2008 ist das eine Steigerung: Damals stammten 92 Prozent der Wärme aus den fossilen Energieträgern Erdgas und Heizöl.
Wirklich klimafreundlich?
Für die Stadt Bern liegt der Schlüssel zur weiteren Reduktion im Ausbau des Fernwärmenetzes. Doch ein Artikel, der nach dem Netzanschluss der Looslistrasse im Oktober 2022 in der NZZ am Sonntag erschienen ist, hinterfragt, wie klimafreundlich die Fernwärme tatsächlich ist.
Ein grosser Teil der Wärme für die Heiznetze wird aus der Verbrennung von Kehricht gewonnen. Die so produzierte Wärme gilt gemäss einem Faktenblatt des Bundesamts für Energie als klimaneutral – weil die Abwärme ein Nebenprodukt der KVA ist, deren Zweck die Verbrennung von Kehricht ist. Dass beim Verbrennen von Kehricht auch CO2 freigesetzt wird, ist offenbar irrelevant.
Hinter diesem sprachlichen Manöver stecken viele Emissionen: Die rund 30 Kehrichtverbrennungsanlagen in der Schweiz stossen pro Jahr über vier Millionen Tonnen CO2 aus, was fast zehn Prozent des gesamtschweizerischen Ausstosses ausmacht.
Schlüsselprojekt Geospeicher
Zudem besteht ein Zielkonflikt: Im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit Rohstoffen soll Abfall vermieden werden. Gleichzeitig muss die KVA ausgelastet sein, um möglichst viel Wärme in das Fernwärmenetz einspeisen zu können. 2019 hat die Schweiz laut dem Verband der Schweizer Abfallverwertungsanalgen fast eine halbe Million Tonnen Abfall aus «grenznahen Gebieten» eingeführt und verbrannt – bei einer Gesamtmenge von rund vier Millionen Tonnen.
Ein weiterer Kritikpunkt, den der NZZ am Sonntag-Artikel anspricht, ist die Verbrennung von Erdgas. Im Winterhalbjahr verfeuert Energie Wasser Bern rund 25 Prozent Gas, im Jahresdurchschnitt sind es 15 Prozent. Der Einsatz von Erdgas steht dem Ziel von Fernwärme – wegkommen von fossilen Energieträgern – diametral entgegen.
Puncto Gas will der Klimastreik Bern ewb unter Druck setzen: Der Gasverbund Mittelland, an dem ewb mit einem Aktienanteil von zehn Prozent und zwei Mitgliedern im Verwaltungsrat beteiligt ist, plant in Schweizerhalle (BL) eine Anlage für Flüssiggas zu bauen. Am 4. April hat der Klimastreik Bern ewb einen offenen Brief übergeben und fordert von ewb eine «öffentliche Positionierung gegen das Vorhaben» – bis am 24. April. Sonst sei die Bewegung «zu weiteren Schritten bereit».
Damit steigt auch von aussen der Druck auf Energie Wasser Bern, das Fernwärmenetz wie von der Stadt angestrebt mit erneuerbarer Energie zu betreiben. Der Geospeicher wäre dafür ein entscheidendes Puzzleteil – sofern er sich realisieren lässt. Weil anstelle von Gas ohnehin entstehende Abwärme der Kehrichtverbrennung zwischengelagert und später genutzt würde, könnte der CO2-Ausstoss wegen der wegfallenden Gasverbrennung reduziert werden.