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Leila Surkovic
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Leila Šurković startete eine rasante Karriere, heute erscheint ihre erste EP «Burnout» (Bild: Danielle Liniger)

Sie ist Pop und Punk in einem

Nach ihrem ersten Song ging Leila bereits mit Jeans for Jesus auf Tour. Mit ihrem zweiten wurde sie berühmt. Nun erscheint ihre erste EP.

Leila schaut auf Tik-Tok in die Kamera und wischt sich eine Träne von der Wange. Denn: Paris Hilton hat Leilas Post auf Instagram kommentiert und folgt ihr neuerdings. Mit ernster Miene teilt Leila im Video dem Weltstar mit: «If you ever want to do something together, please let me know!» 

Leila Šurković trägt weite Hosen und Hoodies, einen Nike-Hut und ein Lippenpiercing und scheint schlicht zu cool, um wegen Berühmtheiten wie Paris Hilton die Fassung zu verlieren. Das Tik-Tok Video ist zwar lustig zusammengeschnitten. Die Überschrift lautet: «This could be us», darunter ein Foto von Hilton und Leila. Dennoch scheint die Bernerin es ernst zu meinen. Denn neben allem, was Leila von Hilton unterscheidet, verkörpert diese eben auch den Traum vom popkulturellen Erfolg. Und Coolness hin oder her, Leila Šurković ist auf bestem Weg, selbst ein Popstar zu werden – zumindest in der Schweiz. 

Erfolgreicher Einstieg

Die heute 22-jährige Bernerin nahm 2021, mitten in der Covid-Pandemie ihren ersten Song «Irrational» auf. Ihr gefiel der Song und sie entschied sich, ihn auf Spotify zu laden, «ich hatte ja nichts zu verlieren». Dass Leila gerne singt und vor allem singen kann, wussten bis dahin auch ihre Freund*innen nicht. 

Noch im selben Jahr lernte sie den Musiker Michael Egger kennen und ging mit der Berner Pop-Band Jeans for Jesus, bei der Egger Mitglied ist, auf Tour. Während dieser Zeit veröffentlichte Leila ihren zweiten Song «Gun to my head». 

Mit dem Song landete sie einen noch grösseren Erfolg. «Gun to my head» ist schleppend und kratzig, ein bisschen dunkel, aber auch poppig genug, dass das Lied im Radio lief und auf Spotify bisher 1,7 Million Mal gehört wurde. Es handelt von Gesichtern, die zu Schatten geworden sind, einer ständig neu gedrehten Zigarette und einer Waffe am Kopf.

Beeinflusst ist das Lied von der Zeit, in der Covid den Alltag prägte: «Gun to my head» handelt nicht zuletzt vom Alleinesein. Damit erklärt sich Leila den Erfolg des Songs: «Er hat eingefangen, wie sich diese Zeit angefühlt hat, aber auch, wie sich dieses Alter anfühlt», beim Release von «Gun to my head» war Leila gerade 20.

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Ihr Song «Gun to my head» wurde bisher öfter gehört als Göläs «Keni Träne meh». (Bild: Danielle Liniger)

Erfolg in der Musikbranche passiert nicht von alleine: Leila war 2021 in ihrem letzten Lehrjahr als Grafikerin und gleichzeitig damit beschäftigt, zu proben, auf Tour zu sein und eigene Musik zu entwickeln. «Ich hatte eigentlich nie frei», sagt sie. 

Berühmt werden

Leila wirkt sympathisch und selbstironisch. Bei der Begrüssung meint sie, sie möge Interviews, zu denen man auch gerade noch «eis cha ga zie». Beim Fotoshooting für diesen Artikel steckt sie einer Bären-Statue kumpelhaft ihren Finger in die Nase. 

Was ihre Musikkarriere betrifft, ist sie ambitioniert, die Musik für sie weder Hobby noch reine Selbstverwirklichung. Die Ziele liegen anders: Sie möchte von der Musik leben können. Zur Zeit ist es ein Nullsummenspiel. Wer weiss, wie lange noch.

Das unabhängige deutsche Musiklabel Grönland Records, seinerzeit von Herbert Grönemeyer gegründet, unterstützt Leila in Produktion und Vermarktung. Zum selben Label gehören Musiker*innen wie Agar Agar, Deutsch Amerikanische Freundschaft oder Nina Hagen. Und für ihre erste Solo-Tour, die am 15. November startet, tritt sie nicht nur in den grösseren Schweizer Städten auf, sondern auch in Berlin, Hamburg, Köln und Wien. 

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Vielleicht ist jetzt gerade der richtige Zeitpunkt für sie und ihre Musik. (Bild: Danielle Liniger)

Vielleicht sei jetzt genau der richtige Zeitpunkt für jemanden wie sie, meint Leila. Lange habe sie keine echten Vorbilder gefunden, die darstellten, wie sie sich fühlte. Die nicht so «stereotyp-girlie» waren. Dann habe sie Billie Eilish entdeckt: «Na endlich, dachte ich.»

Wie Billie Eilish trägt Leila weite Kleider und eine entspannte Coolness. Und wie Billie Eilish schreibt sie Popsongs, die ernste Themen verhandeln und nicht geschliffen sind. Leila meint, sie habe wohl auch Glück, dass sie gerade einen Trend bediene. 

Die Reaktionen, die Leila auf ihre Musik erhält, sind fast ausschliesslich positiv: «Kürzlich sass ich um fünf Uhr morgens im Burger-King, ein etwa 17-jähriger Typ kam auf mich zu und sagte mir ‹du bisch mega cool›. Ich wusste gar nicht, wie reagieren.»

Daneben gebe es ein paar wenige, die sich an ihr störten, «weil ich nicht so klassisch weiblich auftrete», und ein paar Verwirrte, «die ein Problem damit haben, dass ich ein ‹Jugo› bin.» Aber das seien die Ausnahmen. 

Frühe Inspiration

Musik macht Leila schon ihr Leben lang. Ihren Eltern war es wichtig, dass sie ein Instrument lernt, «weil sie das damals nicht konnten, wegen dem Geld oder einfach, weil es eine andere Zeit war». Sie entschied sich für Flöte, ein Instrument, das sie bis heute nicht wirklich beherrsche, gesteht sie offen. Später lernte sie Gitarre und E-Bass und spielte in verschiedenen Schüler*innenbands. Gesungen hat sie aber lange nur zu Hause.

Leila hat auch mit dem Schreiben früh begonnen. Die ersten Texte verfasste sie in phonetischem Englisch, also so, wie es sich anhörte. Sie ist mehrsprachig aufgewachsen, Englisch ist ihre poetische Sprache. Mit Deutsch kann sie nicht immer etwas anfangen: «Ich habe Legasthenie, und die vielen Fremdwörter im Deutschen gehen mir auf die Nerven. Wenn man Menschen fragt, was ein bestimmtes Wort bedeutet, wissen sie es manchmal selbst nicht einmal», sagt sie und grinst. 

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«Ich mag mich nicht auf einen Sound festlegen». (Bild: Danielle Liniger)

Die Schweizer Musiker*innenszene war für Leila in ihrer musikalischen Entwicklung so unwichtig wie die deutsche Sprache. Statt Züri West und Berner Rap waren es Amy Winehouse, Miley Cyrus und die Rockmusik, die Leilas Eltern hörten, die sie als Kind und Jugendliche prägten. Leilas neuster Song «Love the Game» etwa erinnert an die britischen Indie- und Britpop Bands der 2000er Jahre, die von Gitarrenmusik und Rockelementen beeinflusst waren. Leila hält sich nicht einfach an den derzeitigen Trend. 

Punk und Pop? 

«Ich mag mich nicht auf einen Sound festlegen», sagt Leila. Bei ihrer ersten EP «Burnout» sei jedes der sieben Lieder ein bisschen anders.

Leilas Vater nennt ihre Musik «Punk-Pop».

Der Beschrieb passt. Auch deshalb, weil Punk-Pop mehrheitsfähig klingt. Und das ist Leilas Musik. Der zarte Pop vermag die einen, die manchmal bodenlose Melancholie die anderen und der raue, rockige Sound wieder andere abzuholen. 

Die Musik und die sehr lyrischen Texte schöpfe sie aus ihrem eigenen Leben:«Was mich beschäftigt, wie ich mich fühle, wer ich halt bin.» Leila scheint so einiges zu sein, kantig und doch anschlussfähig, eben wie das Genre ihrer Musik. Und so vielfältig dürfte ihre Musik auch in Zukunft bleiben. 

Starallüren sind noch keine in Sicht: Nach dem Gespräch ist die Rechnung für die Getränke noch offen. Leila zahlt. Wirklich? Sie legt energisch den Kopf in den Nacken. «Ja siiicher!» 

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Diskussion

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Peter Birrer
13. November 2023 um 22:28

Paris Hilton, Amy Winehouse, Miley Cyrus und Billie Eilish - und gar nicht etwa (Bern-)Deutsch, Polo, Züri West, Patent O. oder Berner Rap: Das ist mal eine neue und vor allem frische Ansage.