Stadträt*innen wollen EWB den Tarif durchgeben

Ein Vorstoss im Stadtrat will mit höheren Tarifen den Bau kleiner Solaranlagen fördern. Gemeinderat und EWB winken aber ab. Hausbesitzer*innen sollen mehr auf Eigenverbrauch setzen.

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(Bild: Silja Elsener)

Für den überwiegenden Teil der Stadtberner Politik ist klar, dass die Energiewende forciert werden muss, um die Klimaziele zu erreichen. Logisch ist auch, dass Energie Wasser Bern (EWB), das stadteigene Versorgungsunternehmen, dabei eine wichtige Rolle spielt. Doch bei konkreten Massnahmen zur Förderung erneuerbarer Energie nimmt die Einigkeit schnell ab. So zum Beispiel bei der Förderung von kleinen Photovoltaik-Anlagen.

Die Ausgangslage

In der Schweiz werden derzeit nur rund sechs Prozent des ökonomischen Potenzials für Solaranlagen auf Dächern ausgeschöpft. Auch in der Stadt Bern sind nur wenige Dächer mit Solaranlagen versehen. Viele Hauseigentümer*innen scheuen die Investition, da mit den aktuellen Stromtarifen eine Amortisation der kleinen Anlagen nicht gesichert ist. ETH-Professor Tobias Schmidt hat deshalb kürzlich in Bund/BZ angeregt, dass Besitzer*innen kleiner Anlagen für den Solarstrom, den sie nicht selber brauchen und ins Netz einspeisen, eine minimale Vergütung erhalten, welche die Amortisationgarantiert.

Der Vorstoss

Eine interfraktionelle Motion von GLP-Stadtrat Michael Hoekstra und seinen Mitstreiter*innen möchte der städtischen Versorgerin EWB eine solche Förderung kleiner Solaranlagen via höhere Tarife vorschreiben. EWB soll bei den sogenannten Rückliefertrarifen (das Entgelt für den ins EWB-Netz eingespiesenen Strom) eine Vorreiterrolle übernehmen. Heute seien die Tarife von EWB im schweizweiten Vergleich unterdurchschnittlich. Zudem werde der Herkunftsnachweis für ökologischen Strom den Anlagenbetreibern nur dann abgekauft, wenn diese auch das Produkt «ewb-Hydrospeicher» nutzen. Für dieses fallen aber wiederum Gebühren an. 

Die Antwort 

Der Gemeinderat will gemäss seiner Antwort auf den Vorstoss seiner Firma EWB aber keine Vorschriften machen für die genaue Tarifgestaltung. Dies würde wegen der «engmaschigen, übergeordneten regulatorischen Vorgaben» zu Wettbewerbsnachteilen führen, schreibt er. Die Schaffung von guten Rahmenbedingungen für den Bau von Photovoltaik-Anlagen erachtet zwar auch der Gemeinderat als wichtig. Eine Anpassung des EWB-Reglementes für die Tarifgestaltung widerspreche aber dem Sinn und Zweck des Reglementes. Die Vorgaben im Klimareglement und der Eignerstrategie seien zudem genügend. Der Gemeinderat will die Motion daher nur als unverbindliche Richtlinienmotion akzeptieren. Er will sich also hier nicht in die EWB-Politik reinreden lassen.

EWB betont gegenüber der «Hauptstadt», dass der Rückliefertarif bei Solarstrom rund 15 Prozent über dem gesetzlichen Minimum liege. Zudem übernehme der EWB-Ökofonds ein Teil der Kosten für die angebotene Hydrospeicherlösung. Mit dieser Speicherlösung können Anlagebetreiber*innen Solarstrom in einen Speicher leiten und zu einem späteren Zeitpunkt beziehen. Für den Strombezug ab dem Hydrospeicher fallen aber Tarife für Netznutzung an. EWB ist zudem der Meinung, dass die durch die Bundesgesetzgebung geregelten Fördermassnahmen greifen müssten. Und in der Energiestrategie 2050 habe der Bundesrat Anreize definiert, damit der mit der eigenen dezentralen Photovoltaik-Anlage produzierte Strom möglichst auch selber verbraucht werde, schreibt EWB. Die Rentabilität erhöhe sich beim Eigenverbrauch, da für diesen Strom auch keine Netznutzungsgebühr bezahlt werde. Die Förderung der kleinen Solaranlagen erfolge daher künftig nur noch via Einmalvergütungen, erklärt EWB. Der Rückliefertarif orientiere sich hingegen am Marktpreis.

Die Debatte 

Stadtrat Michael Hoekstra will sich den Erklärungen von Gemeinderat und EWB nicht fügen, sondern im EWB-Reglement festschreiben, das die Firma höhere Rückliefertarife für Solaranlagen zahlen soll. Die Rentabilität über den Eigenverbrauch sei bei kleinen Anlagen nur schwierig zu erreichen, denn der Eigenverbrauch liege bei Haushalten ohne Batteriespeicher nur bei bei rund 30 Prozent. «Ein Hausbesitzer hat nur beschränkt die Möglichkeit, den Strom nur dann zu beziehen, wenn die Sonne scheint», so Hoekstra. Er wünscht sich «ein innovatives EWB-Tarifmodell, das sich an den besten Elektrizitätswerken im Land messen kann». Die Debatte wird Donnerstagabend im Parlament geführt. Als Hoekstra den Vorstoss einreichte, waren neben Vertreter*innen von SP, Grünen, EVP und JA auch mehrere SVP-Stadträte seiner Meinung. Ob diese auch nach der Parlamentsdebatte zur Sünneli-Strom-Förderung stehen, wird sich zeigen. 

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Diskussion

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christian jenni
06. Juli 2022 um 16:18

Der Eigenverbrauch des eigenen Solarstroms ohne Batterie ist bei den allermeisten Anlagen kleiner als 15%, sicher nie bei 30%!