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Unterschriften – «Hauptstadt»-Brief #368

Dienstag, 24. September 2024 – die Themen: verlorene Unterschriften; Sparen beim Regionaljournal; Kornhausbrücke-Sanierung; Juso; Tempo-30-Zonen; Konzertsaison.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Der Fall ist einmalig in der Schweiz: Da geht Mitte Juli ein Paket mit 1600 Unterschriften für die städtische Mindestlohninitiative bei der Berner Stadtkanzlei ein. Und verschwindet spurlos. Erst nachdem das Initiativkomitee sich nach dem Stand der Unterschriftenkontrolle erkundigt hat, wird der Verlust vor gut zwei Wochen bemerkt.

Gestern hat die Stadt mitgeteilt, wie sie den Fall handhaben will: Das Initiativkomitee bekommt zweieinhalb Monate länger Zeit zum Sammeln. Für die 5000 geforderten Unterschriften ist neu Einreichefrist am 15. Januar. Ursprünglich hat das Komitee gefordert, dass die 1600 Unterschriften trotz Verschwinden für gültig erklärt werden. So weit geht der Gemeinderat nicht, auch wenn er sich in der Medienmitteilung «bestürzt» über den Vorfall zeigt.

Das Komitee, bestehend aus Gewerkschaften und Vertreter*innen aus allen Parteien des regierenden RGM-Bündnisses, überlegt sich rechtliche Schritte. «Die direkte Demokratie ist ein hohes Gut und die Stadt hat ihre Sorgfaltspflicht verletzt», sagt dazu Lena Allenspach, Co-Präsidentin der SP Stadt Bern. 

Nicht zu vergessen ist dabei: Vier der fünf amtierenden Gemeinderät*innen sind in Parteien, die die Initiative miteingereicht haben. Mal abgesehen davon, dass regierende Parteien mit dem Parlament und der Regierung auch andere Hebel hätten, um ein Anliegen durchzusetzen, stellt dieser Umstand den Gemeinderat vor eine schwierige Entscheidung. Hätte er ausgerechnet eine Initiative aus den eigenen Reihen ohne Prüfung der Unterschriften durchgewinkt, wäre das demokratiepolitisch heikel gewesen. Man kann sich sogar vorstellen, dass er das Problem der verlorenen Unterschriften bei einem Anliegen der bürgerlichen Minderheit anders gehandhabt hätte.

Das mag nun die Ironie der Geschichte sein: Das Initiativkomitee prüft eine Staatshaftungsklage. Dieses juristische Mittel wird angewendet, wenn es um einen Schaden geht, den jemand durch staatliches Handeln erlitten hat. Das staatliche Handeln ist in diesem Fall bei der Stadtregierung zu verorten. Und die sitzt doch eigentlich im selben Boot wie das Initiativkomitee.

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Bilderserie von Tanja Krebs (8/12) (Bild: Tanja Krebs)

Und das ist heute auch noch wichtig:

  • Medienabbau: SRF baut 75 Stellen ab. Das betrifft auch Sendungen der Regionaljournale, wie das Regionaljournal Bern-Fribourg-Wallis in eigener Sache mitteilt. Die Sendungen werden am Wochenende reduziert, ausser bei Wahl- und Abstimmungswochenenden. Die Regionalstandorte bleiben, aber SRF wolle mehr Synergien nutzen zwischen Radio, Fernsehen und Digital. Das heisst, dass die Lokalkorrespondent*innen von Online und Radio mit denen des Fernsehens zusammengelegt werden sollen. Wie viele Stellen in welchen Regionen betroffen sind, ist allerdings noch nicht klar.
  • Kornhausbrücke: Die Stadt Bern beginnt am nächsten Montag mit den Vorbereitungsarbeiten für die Sanierung der 125 Jahre alten Kornhausbrücke. Die Baugerüste werden montiert und die Installationsplätze eingerichtet, wie sie mitteilt. Um Platz für die Gerüste zu schaffen, werden zunächst Sträucher und Feldgehölze bei den Brückenpfeilern zurückgeschnitten oder entfernt. Die Hauptarbeiten sollen im nächsten Februar beginnen. Für die Sanierung haben die Stimmberechtigten einen Kredit von knapp zehn Millionen Franken gesprochen. 
  • Stadtberner Wahlen: Die Juso hat nur drei der vier Gemeinderats-Kandidat*innen von Rot-Grün-Mitte (RGM) zu einem Hearing eingeladen. Alec von Graffenried (GFL) gehörte nicht dazu, weil er wegen wirtschaftsliberalen Positionen «negativ aufgefallen» sei. Und er wird von den Jungsozialist*innen nun auch nicht zur Wahl empfohlen, wie sie mitteilen. Gleichzeitig hoffe die Juso auf vier RGM-Sitze im Gemeinderat. «Trotzdem unterstützen wir lediglich die Kandidat*innen der SP und des Grünen Bündnisses, da diese verlässlicher und unseren Positionen näher politisieren als die GFL», wird Co-Präsidentin Charlotte Günther zitiert. Die empfohlenen Kandidat*innen könnten so durch allfälliges Kumulieren profitieren.
  • Tempo-30-Zonen: Berner Gemeinden sollen keine Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen einrichten dürfen. Der Regierungsrat lehnt eine entsprechende Motion ab. Grossrat Francesco Rappa (Mitte/Burgdorf) argumentiert in seinem Vorstoss, heute gebe es oft Unsicherheiten in Sachen Vortritt. Dabei wüssten Gemeinden am besten, wo ein Fussgängerstreifen angebracht sei. Unterzeichnet haben den Vorstoss auch Grossratsmitglieder von GLP, Grünen, FDP, SVP und SP. Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen seien laut Bundesrecht grundsätzlich unzulässig, entgegnet die Regierung in der gestern veröffentlichten Antwort. Ausnahmen seien nur möglich, wenn die lokale Situation eine besondere Vortrittsregelung notwendig mache – zum Beispiel in der Nähe einer Schule oder eines Altersheims. Genehmigen müsse dies aber der Kanton.
  • Live-Musik: Wer sich in Bern für amerikanischen Rock, Folk oder Indie interessiert, ist Alaina Janack fast sicher schon einmal begegnet. Seit April 2013 organisiert die US-Amerikanerin Konzerte in Bern, seit 2016 laufen ihre Veranstaltungen unter dem Namen «Hush Hush». An diesem Samstag startet ihre Reihe im Café Kairo wieder in die Saison. Meine Kollegin Edith Krähenbühl hat die 37-Jährige (und ihren Hund) für ein lesenswertes Porträt ganz nah begleitet.

PS: Raven an einem Dienstag, zu einer nicht allzu nächtlichen Stunde und erst noch gratis? Ja! Heute Abend beim Instant Rave im Jugendclub Stellwerk – und zwar exakt zwischen 21 und 23 Uhr. Klingt gut, oder?

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Diskussion

Unsere Etikette
Bruno Bucheli
25. September 2024 um 20:57

anmerkung: das regionaljournal von radio srf heisst ganz offiziell regionaljournal bern-FREIBURG-wallis. (warum auch jornalist:innen immer wieder von fribourg und nicht von freiburg schreiben, erschliesst sich mir nicht. genève statt genf oder neuchâtel statt neuenberg oder bienne statt biel ist mir bis jrtzt noch nicht begegnet.)