Weisstanne, die heilende Weihnachtskönigin

Die Weisstanne ist nicht nur ein beliebter Weihnachtsbaum. Aus ihren duftenden Nadeln stellen unsere Kolumnistinnen Oxymel her, ein altes Heilmittel, das zu Weihnachten genussfertig ist.

Weisstanne Kolumne Urkraut Dezember 2023 (Pascale Amez)
Die Weisstanne kann bis zu 600 Jahre alt und 60 Meter hoch werden. Damit ist sie die grösste einheimische Baumart Europas – und die Königin des Waldes. (Bild: Pascale Amez)

Der Dezember beginnt erst und schon haben wir die ersten Weihnachtsfilme geschaut, Nüsse geknackt und uns auf dem Weihnachtsmarkt mit Glühwein aufgewärmt. Dieses Jahr sind wir besonders in Adventsstimmung, und nun hat es sogar schon das erste Mal geschneit. 

Der dichte Schneefall bedeckt die Dächer des Mattenhof-Quartiers wie Puder. An den Strassenrändern stehen Tannenbäume, deren grüne Zweige glitzern und die Blicke auf sich ziehen. Jeder Baum ist so perfekt geformt wie sein Nachbar und hofft auf einen Platz im gemütlichen Wohnzimmer. Für die meisten wird es das letzte Zuhause sein, es sei denn, sie haben das Glück, in einem Topf weiterwachsen zu dürfen.

Obwohl wir im Berndeutschen alle Weihnachtsbäume als Tannen bezeichnen, werden nicht nur Tannen verkauft. Beim Kauf eines Weihnachtsbaums können wir zwischen Rottannen, Nordmann-Tannen und Blautannen wählen. Erstere und letztere sind eigentlich Fichten, nur die Nordmann-Tanne ist botanisch gesehen eine echte Tanne – und der beliebteste Weihnachtsbaum

Ein Grund, warum Tannen so beliebt sind, liegt in einem ihrer charakteristischen Merkmale: Im Gegensatz zu Fichten stechen die Nadeln von Tannen nicht.

Weisstanne Kolumne Urkraut Dezember 2023 (Pascale Amez)
Um die Weisstanne von der giftigen Eibe zu unterscheiden, muss man sich die Unterseite der Nadeln genau anschauen. Nur die Nadeln der Weisstanne weisen auf der Unterseite zwei weisse Streifen auf. (Bild: Pascale Amez)

Tannen gehören zu den Koniferen, die es seit etwa 300 Millionen Jahren gibt und damit fast doppelt so lange existieren wie Bäume, die Früchte tragen.

In den Wäldern der Schweiz finden wir hauptsächlich Weisstannen, auch Edeltannen genannt. Diese Bäume lieben feuchte und tonige Böden, wachsen aber umso schneller, wenn sie die Wärme der Sonnenstrahlen spüren.

In den letzten zweihundert Jahren ist ihr Bestand jedoch deutlich zurückgegangen. Sie werden oft von Fichten verdrängt, da diese besser mit Schädlingen und Umweltverschmutzung zurechtkommen und aufgrund ihres schnellen Wachstums für die Holzproduktion interessanter sind.

Ein Baum der Superlative

Die Weisstanne gilt als Königin des Waldes. Sie kann bis zu 600 Jahre alt werden und eine Höhe von bis zu 60 Metern erreichen. Damit ist sie die grösste einheimische Baumart Europas.

Der Name Weisstanne stammt von der auffallend hellgrauen Rinde in jungen Jahren. Später wird sie dunkelgrau und schuppig. Wie Fichten sind auch Tannen essbar und haben viele heilende Eigenschaften, die uns unterstützen können.

Um sie nutzen zu können, müssen wir sie jedoch von der giftigen Eibe unterscheiden können. Die Oberseite der Tannennadeln ist dunkelgrün, während die Unterseite zwei deutliche weisse Streifen aufweist. Diese Wachsstreifen fehlen bei der Eibe, obwohl ihre Nadeln ebenfalls eine hellere Unterseite haben.

Während die Zweige der Fichte rundherum mit Nadeln bedeckt sind, haben Tannenzweige nur auf zwei Seiten, links und rechts, Nadeln. Ihre Spitze ist abgeflacht, wodurch sie nicht stechen. Die Zapfen der Tanne stehen immer aufrecht am Zweig und fallen nie in ganzen Stücken herunter.

Die Nadeln der Weisstanne duften und schmecken intensiv nach Mandarinen. Nicht selten besingen wir sie am Weihnachtsabend:

«O Tannenbaum, o Tannenbaum

Wie treu sind deine Blätter

Du grünst nicht nur zur Sommerzeit

Nein, auch im Winter, wenn es schneit

O Tannenbaum, o Tannenbaum

Wie treu sind deine Blätter»

Weisstanne Kolumne Urkraut Dezember 2023 (Pascale Amez)
Die Nadeln des Weihnachtsbaums sind botanisch gesehen Blätter – aber mit anderen Eigenschaften. (Bild: Pascale Amez)

Warum singen wir über die Blätter anstatt über die Nadeln des Weihnachtsbaums? Der Grund liegt in der botanischen Definition: Die Nadeln sind eigentlich nadelförmige Blätter. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrer Form, sondern funktionieren auch anders als die Blätter von Laubbäumen. Sie bestehen aus festem Gewebe, enthalten eine Art Frostschutzmittel in ihren Adern und sind von einer Wachsschicht bedeckt. Dadurch erfrieren sie bei kalten Temperaturen nicht und bleiben treu an den Tannenzweigen.

So behalten die Tannen das ganze Jahr über ihr grünes Laub und wandeln mit Hilfe der Photosynthese Sonnenlicht in Energie um. Die einzelnen Nadeln können bis zu zwölf Jahre alt werden, bevor sie abgeworfen und erneuert werden.

Die Heilkräfte der Tannen

Tannen haben vielfältige heilende Eigenschaften, so auch die Weisstanne. Sie können uns bei Erkältungs- und Lungenkrankheiten unterstützen, die Durchblutung fördern und der Duft ihrer ätherischen Öle wirkt beruhigend.

Schon im 12. Jahrhundert lobte Hildegard von Bingen die Tanne wegen ihrer stärkenden und wärmenden Wirkung. Im Mittelalter waren Tannen ein Symbol für Kraft und Leben. Aus den frisch gewachsenen Tannenspitzen wurden Arzneien zur Behandlung von Lungenleiden hergestellt. Auch das Harz wurde verwendet: Es diente in Salben und Pflastern zur Wundheilung. Heute findet es sich noch oft in Rheumasalben, da es die Durchblutung fördert.

Weisstanne Kolumne Urkraut Dezember 2023 (Pascale Amez)
Weisstannen-Oxymel

Da die Nadeln der Weisstanne so gut schmecken und uns auch noch gesundheitlich unterstützen können, bereiten wir ein Oxymel aus ihnen zu. Wenn wir es jetzt ansetzen, ist es pünktlich zu Weihnachten fertig zum Geniessen.

Oxymel ist ein uraltes Heilmittel: Seit Jahrtausenden werden heilkräftige Pflanzen in eine Mischung aus rohem Honig und naturtrübem Apfelessig gegeben. Die Wirkstoffe der Pflanzen werden über einige Wochen extrahiert und konserviert. Früher gab es Oxymel in jeder Apotheke, heute ist diese saure Honigmischung in Vergessenheit geraten. Dabei hat sie nicht nur eine unglaubliche Wirkung, sondern schmeckt auch mit Sprudelwasser aufgegossen sehr erfrischend und gut.

Zutaten:

  • 6 EL Honig
  • 2 EL naturtrüber Apfelessig
  • 4 EL gehackte Nadeln von Weisstannen

Ausserdem: Ein Konfitürenglas

Fülle das Konfitürenglas mit den gehackten Weisstannennadeln, dem Honig und dem Apfelessig. Rühre alles gut um und verschliesse das Glas.

Lasse die Mischung drei bis vier Wochen an einem dunklen Ort ziehen. Filtere dann die Nadeln ab. Das Oxymel kann kühl und dunkel gelagert und mindestens ein Jahr lang verwendet werden.

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Diskussion

Unsere Etikette
Georg Graf
05. Dezember 2023 um 20:58

Spannend! Danke.