Und wer belebt die Schütz?
Die Stadt Bern plant mit der Umgestaltung der Schützenmatte 2028 einen öffentlichen Platz. Er soll durch verschiedene Nutzer*innen belebt werden. Wie ein solcher Platz aussehen könnte.
Früher war die Schützenmatte ein Parkplatz mit schlechtem Ruf. Sieben Jahre nach Aufhebung des Parkplatzes ist die Schütz nach wie vor ein soziales Spannungsfeld. Politische Auseinandersetzungen finden hier statt, Partygänger*innen strömen des Nachts über den Platz und eine Zeit lang dominierten organisierte kriminelle Gruppen auf der Schütz die Medien. Gleichzeitig ist die Schützenmatte ein Ort, an dem sich marginalisierte Menschen aufhalten können und eine soziale Durchmischung möglich ist.
Häufig wirkt der ehemalige Parkplatz aber auch einfach etwas leer. 2028 wird das Tiefbauamt die Schützenmatte jedoch definitiv umgestalten. Sie soll belebter werden.
Der Platz wird nicht neu erfunden
Schon vor einem Jahr berichtete die «Hauptstadt» über die geplante Umgestaltung der Schützenmatte. Die Quintessenz: Die Neugestaltung des Platzes geschieht zurückhaltend. «Wir wollen keine starre Infrastruktur hinstellen, und weiterhin ermöglichen, dass der Platz auf verschiedene Arten genutzt werden kann», sagt Pascal Meier vom Tiefbauamt Stadt Bern. Es gehe vor allem darum, den Platz so zu gestalten, dass dieser für möglichst viele Nutzer*innen attraktiv ist. Mittels Beleuchtung, Begrünung und verschiedenen Sitzgelegenheiten soll die Schütz als öffentlicher Platz erkenntlich gemacht werden.
«Es ist uns ein Anliegen, dass die Schütz zum Verweilen einlädt. Die Belebung ist wichtig. Mehr Menschen auf dem Platz führen zu einer angenehmeren Stimmung», meint Christoph Ris, der bei der Stadt für die Vernetzung und Koordination aller Akteur*innen rund um die Schütz angestellt ist. Laut Ris gehe es in der Umgestaltung darum, den Platz so zu gestalten, dass er von verschiedenen Menschen und Kollektiven genutzt und bespielt werden könne.
Wie aber könnte eine solche Belebung der Schützenmatte aussehen? Vielleicht hilft ein Besuch der Schützenmatte und der Projekte vor Ort.
Ein Abend auf der Schütz
An diesem Abend ist auf der Schütz einiges los. Kommt man vom Bahnhof her auf den Platz, bemerkt man zur Linken zunächst die Basketballer*innen und Skater*innen. Über die Schütz verteilt sitzen Menschen auf Betonbänken oder auf dem Asphalt, eine Boules-Bahn erstreckt sich entlang der Schützenmattstrasse. Es ist noch hell und die Stimmung gemütlich.
Zwei eigenständige Angebote sind an diesem Abend auf der Schütz anzutreffen.
Auf dem vorderen Teil des Platzes, der Richtung Bahnhof weist, befindet sich in einem Container das Gemeinschaftszentrum von Medina. Um die 20 Personen sitzen auf den Bänken rundherum und plaudern. Hier können Menschen mit wenig finanziellen Mitteln, etwa Sans-Papiers oder Menschen mit Suchterkrankung, unverbindlich vorbeikommen. Sie können gemeinsam etwas Warmes kochen und essen oder erhalten Unterstützung bei Bewerbungsschreiben, juristischen Fragen oder der Suche nach Notschlafplätzen.
«Die Schütz bildet von einigen Menschen den Lebensmittelpunkt. Sie verbringen jeden Tag hier», meint Livio Martina, der sich bei Medina engagiert.«Wir wünschen uns, dass auch diese Menschen auf dem Platz mitgedacht werden.» Wer wie Martina bei Medina arbeitet, macht das freiwillig.
Weiter hinten auf dem Platz spielt eine Band Latin Jazz mit elektronischer Musik auf der Sommerbühne der Schütz. Eine Menschentraube hat sich davor gebildet. Die Sommerbühne bietet einen Monat lang ein Programm auf der Schützenmatte. Wer auftreten wollte, konnte sich im Vorfeld bei den Organisator*innen melden. Meist treten auf der Bühne Bands auf, aber es gibt auch Theater- und Tanzshows oder Workshops. Und tatsächlich, wer momentan an der Schütz vorbeiläuft, findet dort gegen Abend mehr Menschen vor als sonst.
An diesen Abenden ist die Schützenmatte Treffpunkt, Anlaufstelle, Kulturort, Sportplatz und Parkplatz in einem.
Belebung ja, aber niederschwellig
Dass die Schützenmatte ein «Schmelztiegel» ist, wo viele Lebensrealitäten aufeinandertreffen, wird in den Medien oftmals als Herausforderung der Schütz dargestellt und die Schütz als «sozialer Brennpunkt» bezeichnet.
Melissa L'Eplattenier, die Teil des Organisationsteams der Schütz Sommerbühne ist, sieht die Vielfalt der Schütz als Möglichkeit. Sie ist DJ und Radiomoderatorin und war als Sozialarbeiterin in der offenen Jugendarbeit tätig. L'Eplattenier beschäftigt sich deshalb mit der Frage, welche Voraussetzungen Veranstaltungen und Kulturorte brauchen, damit diese für möglichst viele Menschen zugänglich sind.
Ob ein Angebot gratis ist, ob man seinen Ausweis vorweisen muss oder ob man vor Ort auffällt, sind Faktoren, die beeinflussen, ob Menschen mit wenig Geld, unsicherem Aufenthaltsstatus oder sozialen Ängsten ein Angebot nutzen können oder nicht. Die Schützenmatte habe im Vergleich zu anderen Plätzen in Bern das Potential, möglichst niederschwellig zu sein. «Auf die Schütz kann man einfach zufällig stolpern. Man fällt nicht gross auf, wenn man den Platz einmal betritt, weil sich hier viele verschiedene Menschen aufhalten. Und unser Angebot kostet nichts», meint L'Eplattenier.
Betroffene im Fokus
Seit 2022 befindet sich der private Sicherheitsdienst Samson Security auf dem Platz. Zum Sicherheitskonzept gehört seit kurzem ausserdem ein Rückzugsraum. Es ist ein Wohnwagen, der etwas versteckt platziert ist. Bei diesem Angebot gehe es vor allem um Betroffene von sexualisierter Gewalt, sagt Ris. Mit dem Wohnwagen hätten diese eine niederschwellige Möglichkeit, sich Beratung und Unterstützung zu holen. Die Betreuer*innen des Rückzugsraums sind unter anderem Sozialarbeiter*innen und Pflegefachpersonen im Bereich Psychiatrie. Finanziert werden der Sicherheitsdienst und der Rückzugsraum von der Stadt.
Die Aufwertungen, die die Stadt bisher auf der Schütz vorgenommen hat ‒ ein Reinigungskonzept, ein Lichtkonzept, eine neue Halfpipe ‒ sollen zum Wohlbefinden beitragen. Die kleinen Veränderungen seien positiv aufgefallen und die neue Toilette, die Lichter und der Spritzencontainer waren durchaus notwendig, meint Livio Martina.
Bleibt alles gleich?
Was also wird sich auf dem Platz 2028 überhaupt ändern? «Die Umgestaltung lädt dazu ein, auf dem Platz zu verweilen. Und die bessere Übersichtlichkeit führt dazu, dass sich die Menschen sicherer fühlen werden», erklärt Pascal Meier. «Soziale Probleme lassen sich jedoch nicht durch bauliche Massnahmen lösen.»
Medina und die Sommerbühne engagieren sich für einen Einbezug aller Nutzer*innen der Schütz und gehen damit auf die sozialen Probleme ein. Die beiden Projekte sollen auch nach der Umgestaltung Teil der Schütz sein können, bekräftigt Ris. Sie zeigen auf, wie die Schützenmatte ab 2028 aussehen könnte.