Das Kulturbüro Bern muss jetzt selber wirtschaften

Fast zwanzig Jahre lang war das Kulturbüro Bern finanziert von der Migros Aare. Nun ist die Institution als Verein organisiert und muss selber schauen, dass Geld reinkommt. Was heisst das?

Julia Geiser und Jacqueline Schnyder vom Kulturbüro fotografiert am 01.05.2023 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die Co-Leiterinnen des Kultubüro Berns, Julia Geiser (links) und Jacqueline Schnyder, hatten im letzten Jahr mehr mit Finanzen zu tun als je zuvor. (Bild: Simon Boschi)

Ein junger Filmemacher sitzt an einem der vier grossen Computer an der Brunngasse 58. Er hat Kopfhörer auf und schaut konzentriert auf den Bildschirm. Einen Monat lang hat er den Arbeitsplatz gemietet, um seinen Film zu schneiden. Es kostet ihn 20 Franken am Tag. Im Vergleich zu den Kosten, die er hätte, wenn er einen eigenen Computer mit den passenden Schnittprogrammen kaufen würde, ist das nicht viel.

Genau solch günstige Ausleih- und Mietmöglichkeiten sind das, was das Kulturbüro in der Altstadt ausmacht. Und für die Berner Kulturszene zu einer wichtigen Anlaufstelle macht. Im lichtdurchfluteten Raum stehen ein Laserdrucker, unterschiedliche Digitalkameras mit Tele- und Weitwinkelobjektiven, verschiedene Scanner und sogar eine Station, um Schallplatten zu digitalisieren. Alles davon kostet 4 bis 20 Franken in der Stunde oder 20 bis 100 Franken pro Tag. Einzige Bedingung zur Ausleihe: Man muss eine kulturschaffende Person sein und die Member-Gebühr von einem Franken im Monat bezahlen.

Von fest angestellt zu freischaffend

Das Kulturbüro Bern (kurz: KuBü) gibt es seit dem Jahr 2000. Gestartet ist es als Projekt des Kulturprozents der Genossenschaft Migros Aare. Die Mitarbeiter*innen waren bei der Migros angestellt und alle Finanzen liefen über das Unternehmen. Bis sich die Migros Aare 2019 entschied, sich vom KuBü Bern zu lösen.

«Sie wollten keine eigenen Projekte mehr machen», erklärt Jacqueline Schnyder, Co-Leiterin des Kulturbüro Bern, den Entscheid der Migros vier Jahre später. Eine schwierige Zeit begann für sie und die anderen Angestellten. Es stellte sich die Frage: Wie geht es weiter?

Kulturbuero fotografiert am 01.05.2023 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Im Kulturbüro stapeln sich Kisten voller Möglichkeiten. (Bild: Simon Boschi)

Das Fazit hiess schliesslich: Wir gründen einen Verein. Vorbild dafür waren die Kulturbüros in Genf und Basel. «Um einen Verein zu gründen, brauchten wir einen Vorstand», erzählt Jacqueline Schnyder. Sie und die damals noch im Mandat angestellte und spätere Co-Leiterin Julia Geiser holten Leute aus verschiedenen Arbeitsbereichen zu sich: Musik, Journalismus, Wirtschaft, Design.

Wie geht eigentlich Wirtschaften?

Es war der Start einer grossen Transformation. «Gegen aussen merkten die Leute nichts oder wenig davon», erzählt Schnyder, «doch hinter den Kulissen befassten wir uns mit der Strategiebildung, es war ein herausfordernder und langer Prozess, der noch immer läuft.»

Julia Geiser löste Jean-Pierre Balmer in der Co-Leitung ab und unterstützte ab 2022 das KuBü in der Buchhaltung und im HR. «Ich kann mich erinnern, dass Julia und ich in den 2010er Jahren in das Kulturbüro kamen, um Flyer für unsere Offene Bühne zu drucken», erzählt Schnyder, die lange Zeit eigene Theaterprojekte am Schlachthaus Theater realisiert hat, bevor sie im Kulturmanagement Fuss fasste.

Julia Geiser und Jacqueline Schnyder vom Kulturbuero fotografiert am 01.05.2023 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die zwei Co-Leiterinnen Geiser und Schnyder blicken auf vier herausfordernde Jahre zurück. (Bild: Simon Boschi)

Seit damals hat sich viel verändert im Büro in der Altstadt: Allen voran die Technologie. «2013 verliehen wir noch Kameras mit Videokassetten. Heute sieht das Sortiment natürlich teils ganz anders aus.» Damit das Angebot den Bedürfnissen der Kulturschaffenden entspricht, dürfen die neuesten Technologien nicht ausser Acht gelassen werden. «Wir bemühen uns, auf dem neuesten Stand zu sein, was die Geräte betrifft», sagt Schnyder.

Das alles kostet natürlich Geld. Doch woher kommt das?

Der Druck des Fundraisings

Der Plan der Migros war, dass das Kulturbüro allmählich unabhängig wird. Diese Transformation ist nun abgeschlossen. «Die Migros unterstützt uns immer noch finanziell, doch ab dem nächsten Jahr fällt der Beitrag geringer aus», sagt die Co-Leiterin. Auch die Stadt und der Kanton und weitere Geldgebende zahlen dem KuBü finanzielle Projektbeiträge. Und der Migros-Genossenschaftsbund (MGB) finanzierte beispielsweise die Neugestaltung der Website letztes Jahr. Aber das reicht nicht aus, um zu überleben. Deshalb findet momentan jedes Jahr ein Fundraising statt.

«Selbsttragend können wir nie werden.» 

Jacqueline Schnyder

«Dr Charre mues loufe», sagt Schnyder auf Berndeutsch und meint damit: Sie müssen dranbleiben. Immer wieder verhandeln. Und dabei auf einen Leistungsvertrag mit Stadt und Kanton hoffen, wie er in den Kulturbüros Basel und Genf existiert.

Das richtige Bewusstsein

Schnyder sagt: «Selbsttragend können wir nie werden.» Doch das wollen sie auch nicht. Denn das würde heissen: Die Preise für die Kulturschaffenden würden erhöht werden. «Das wäre eine Abwälzung der finanziellen Probleme auf unsere Kundschaft. Das ist nicht in unserem Sinn», sagt Schnyder.

Stattdessen wollen sie Kulturschaffende weiterhin antreiben, motivieren und unterstützen. Den Austausch unter ihnen fördern, damit neue Zusammenarbeiten und Projekte entstehen können.

Julia Geiser und Jacqueline Schnyder vom Kulturbuero fotografiert am 01.05.2023 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Viel dazugelernt: Seit das KuBü auf sich selbst gestellt ist, kümmern sich Julia Geiser und Jacqueline Schnyder neu auch um alle HR- und Buchhaltungs-Angelegenheiten. (Bild: Simon Boschi)

Die finanzielle Zukunft sei «ungewiss», so Schnyder. Und die Vision des Kulturbüros durchaus ideell. Aber sie hätten klare Ansätze: Mehr kommunizieren, ganz gezielt zum Beispiel auf Social Media. Oder auch vermehrt mit anderen Kunstinstitutionen zusammenzuarbeiten und dadurch Synergien zu nutzen.

Und schliesslich bleibe auch Platz zum gemeinsamen Feiern. «Wir sind nach über zwanzig Jahren komplett selbstständig geworden!», sagt Jacqueline Schnyder noch einmal. Am kommenden Samstag, den 6. Mai, lädt das Kulturbüro Bern deshalb alle Kulturinteressierten zu sich in die Altstadt ein. Um den Austausch anzuregen und den eigenen Geburtstag zu feiern – am 9. Mai ist es 23 Jahre her, seit die erste Person im Kulturbüro Bern eine Kamera ausgeliehen hat.

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