100’000 Franken für die Biodiversität

Der höchstdotierte Naturschutzpreis der Schweiz geht an die Verwaltungsabteilung Stadtgrün Bern. Was passiert mit dem Geld?

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Illustration (Bild: Silja Elsener)

Die Bümplizer Fussgänger*innenzone mutet unscheinbar an. Ein Kiesplatz, die in der Stadt Bern bekannten roten Stühle, ein paar Bäume – und gejätet wurde irgendwie auch schon eine Weile nicht mehr. Aus dem Boden um die Bäume wachsen wild aussehende Pflanzen. 

Genau das scheint preisträchtig zu sein. Denn der Binding-Preis für Biodiversität – nach eigener Angabe immerhin der höchstdotierte Naturschutzpreis der Schweiz – geht an Stadtgrün Bern. Und zwar für das Themenjahr «Natur braucht Stadt – Mehr Biodiversität in Bern», das die Verwaltungsabteilung 2021 umgesetzt hat. 

So gesehen sollte man den Kiesplatz im Bachmätteli in Bümpliz mit etwas anderen Augen anschauen: Es ist nicht nur ein Kiesplatz, sondern eine neu geschaffene entsiegelte Fläche. Sabine Tschäppeler, Leiterin der städtischen Fachstelle für Natur und Ökologie, – also der Fachstelle, die für das ausgezeichnete Projekt verantwortlich ist – erklärt: «An allen Orten, die entsiegelt werden, entsteht das Potenzial für Biodiversität. Auch wenn es eine Weile dauern kann, bis etwas auf einem Kiesplatz wächst.»

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Die Fussgänger*innenzone in Bümpliz: unscheinbar aber ein grosser Beitrag an die Biodiversität. (Bild: Stefanie Würsch)

Und so sind die wild aussehenden Pflanzen auch kein vergessen gegangenes Unkraut, sondern ein gewollter Beitrag an die städtische Biodiversität. «Eine ökologisch aufgewertete Fläche entspricht vielleicht nicht dem klassischen Bild, das wir von einer aufgeräumten städtischen Grünfläche haben», ist sich Tschäppeler bewusst. Die breite Öffentlichkeit müsse sich wohl noch an das dadurch neu entstehende Naturbild in der Stadt gewöhnen.

Gesteigerte Akzeptanz

Die ökologisch aufgewerteten Areale sind jedoch bloss ein Teil des ausgezeichneten Aktionspakets. So gehörten zum Themenjahr auch andere Projekte von städtischen Stellen oder privaten Organisationen. Beispielsweise wurden über 50 Veranstaltungen wie Führungen, Ausstellungen und Konzerte durchgeführt. Partnerorganisationen waren unter anderem der Tierpark Bern, der Botanische Garten oder das Naturhistorische Museum. 

Ausserdem sei es ein Ziel gewesen, Privatpersonen einzubinden. So zum Beispiel mit den Aktionen «BiodiversitätsGarten» und «BiodiversitätsBalkon». Mit diesem Label zeichnet die Stadt Gärten und Balkone von Privaten aus, wenn diese gewisse Biodiversitäts-Kriterien erfüllen. Nach entsprechender Kontrolle durch Fachpersonen bekommen die Privatgärtner*innen ein Schild oder einen Wimpel für den Gartenzaun beziehungsweise das Balkongeländer. 

Laut Sabine Tschäppeler hat diese Offensive das Verständnis für ökologisches und biodiversitätsfreundliches Gärtnern gesteigert: «Ein Holzhaufen im Garten wird durch die Nachbar*innen sicher eher akzeptiert, wenn er durch die Stadt ausgezeichnet wurde.» 

Als Hilfe fürs Gärtnern hat Stadtgrün Bern das «Berner Praxishandbuch Biodiversität» herausgegeben. Auf immerhin 270 Seiten erhalten Interessierte Tipps zur Steigerung der Biodiversität in und um die eigenen vier Wände. 

Finanzielle Anreize?

Das von der Binding-Stiftung an Stadtgrün ausgeschüttete Preisgeld ist mit 100’000 Franken doch recht hoch. Die Frage drängt sich auf, was die Verwaltungsabteilung mit dem unerwarteten Geldsegen anfängt. Immerhin steht Stadtgrün politisch immer wieder in der Schusslinie. Die lokalen Wirtschaftsverbände kritisierten gerade gestern bei der Präsentation ihrer Forderungen, die Abteilung sei überdotiert und könnte einen Grossteil der Arbeiten an Private abgeben.

Die Binding-Stiftung mit Sitz in Basel vergibt jährlich rund drei Millionen Franken an Fördergeldern. Jan Schudel, Projektleiter des Preises für Biodiversität, erklärt: «Mit der Verleihung des Preises wollen wir die Öffentlichkeit auf gute Beispiele für Biodiversität im Siedlungsraum aufmerksam machen.» 

Die Aufteilung der Preisgelder ist vorgegeben: 10’000 Franken stehen zur freien Verfügung, und 90’000 Franken müssen zur Weiterentwicklung des prämierten Projekts verwendet werden. Zudem soll das ganze Geld innerhalb von fünf Jahren ausgegeben werden. 

Wie die Stadt die Gelder verwenden will, ist noch nicht abschliessend geklärt. Sabine Tschäppeler führt die bisherigen Ideen auf: «Das frei zur Verfügung stehende Geld möchten wir für die weitere Vernetzung und den Austausch mit den im Projekt involvierten Partnern verwenden; zum Beispiel für einen jährlichen Anlass über die fünf Jahre.» 

Die 90’000 Franken möchte Tschäppeler für die weitere Animation sowie die Ausbildung von Privaten verwenden. Sie könne sich auch vorstellen, mit einem Teil des Preisgelds finanzielle Anreize für Biodiversitäts-Massnahmen auf privatem Grund zu schaffen: «Zum Beispiel hat es in vielen Quartieren Mauern um die Gärten, die für Tiere ein unüberwindbares Hindernis darstellen können. Wir könnten zum Beispiel für das Anbringen von Löchern in diesen Mauern Unterstützung leisten.» Diese Option habe man aufgrund der städtischen Sparmassnahmen bisher nicht gehabt.

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