Abstimmungscouverts – Stadtrat-Brief #3/2025
Sitzung vom 13. Februar 2025 – die Themen: Briefmarken, Kitas, Burgergmeinde, Kulturbüro, Gebäudesanierung, Unterschriften, Gebühren, Ernährung. Mitglied der Woche: Thomas Glauser (SVP)
Abstimmen und Wählen wird einfacher – und ein klein wenig günstiger. Künftig erhalten alle Stimmbürger*innen in der Stadt Bern ein vorfrankiertes Couvert nach Hause geschickt, mit dem sie ihre Stimm- und Wahlzettel kostenlos zurücksenden können. Dies hat der Stadtrat gestern mit 63 Ja- zu 5 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen beschlossen.
«In Anbetracht der politischen Mitsprache sind 55 Rappen pro Person mehr als bescheiden», sagte Mitmotionärin Mirjam Arn (GB) mit Verweis auf die anfallenden Mehrkosten. Die Stadt hat Mitte der 1990er-Jahre aus Spargründen beschlossen, auf die Vorfrankierung der Antwortcouverts zu verzichten. Seither nahm der Stadtrat mehrere Anläufe, um diesen Entscheid rückgängig zu machen. 2017 lehnte er eine entsprechende Motion knapp ab.
Nun waren aber fast alle Parteien und auch der Gemeinderat für die Wiedereinführung der Vorfrankatur. Mehrere Votant*innen verweisen im Rat auf eine Studie der Uni Freiburg, wonach die Stimmbeteiligung durch vorfrankierte Couverts um 1,8 Prozentpunkte steige.
Selbst die SVP, die sonst meist Mehrausgaben bekämpft, votierte für die Frankierung: «Demokratie darf etwas kosten», sagte Janosch Weyermann im Rat. Einzig die GLP/EVP-Fraktion lehnte die Motion aus finanzpolitischen Gründen mehrheitlich ab, wobei sich einzelne Mitglieder enthielten. Die Stadt solle auf nicht dringliche Ausgaben verzichten, sagte Fraktionssprecherin Debora Alder-Gasser (EVP).
Gemäss dem Gemeinderat führt eine Vorfrankatur der Abstimmungs- und Wahlcouverts zu jährlichen Mehrkosten, die sich je nach Stimmbeteiligung zwischen 150’000 und 230’000 Franken bewegen dürften.
Thomas Glauser (51) sitzt seit 2019 für die SVP im Stadtrat. Der diplomierte Landwirt ist Unternehmer und KMU-Spezialist bei einer Versicherung. Er ist Co-Präsident der SVP-Fraktion und Mitglied der Geschäftsprüfungskommission.
Warum sind Sie im Stadtrat?
Meine Hauptmotivation ist, dass ich meine Meinung einbringen darf. So leiste ich einen Beitrag, dass mein Quartier und die Menschen mit bürgerlicher Haltung in der städtischen Politik eine Stimme haben. Es bereitet mir Freude, mit Leuten über Themen zu diskutieren, die nicht gleicher Meinung sind wie ich.
Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?
Ich bin ursprünglich Landwirt und deshalb ein Brückenbauer zwischen Land und Stadt. Grünflächen liegen mir sehr am Herzen.
Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?
Im Stadtrat hat sich eine Mehrheit durchgesetzt, die will, dass an Anlässen des Parlaments kein Fleisch mehr angeboten wird. Das finde ich verfehlt. Ich vertrete eine liberale Ernährungspolitik. Wenn jemand Fleisch essen will, soll er oder sie das tun können.
Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?
Darauf, dass ich langjähriges Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK) sein darf. Das ist eine Diamant-Kommission, deren Arbeit sehr wichtig ist. Mir macht die GPK-Arbeit Freude, weil hier Sachpolitik betrieben wird und ich mit meinen Vorschlägen nicht ein rotes Tuch bin, nur weil ich SVPler bin. Hier fühle ich mich nicht als Einzelgänger, sondern als Teil einer konstruktiven Lösungssuche.
Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum?
Das ist Wittigkofen, wo ich wohne. Mit 3500 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Wittigkofen ein Dorf in der Stadt. Es hat hier alles, Grünflächen und Parkplätze in der Tiefgarage, optimale ÖV-Verbindungen und Anschluss an die Autobahn. Ich bin ja in Hindelbank auf einem Bauernhof aufgewachsen. Jetzt wohne ich im Hochhaus im 12. Stock, ich sehe ins Grüne, ich sehe Eiger, Mönch und Jungfrau, aber auch den Jura. Hier oben geniesse ich die Ruhe, und manchmal denke ich: Je höher, desto besser.
Diese Themen waren ebenfalls wichtig:
- Kita: Wegen eines Umzugs der Kita Wyler befand der Stadtrat gestern über je einen Kredit für die neue jährliche Miete (149’538 Franken) und die Erstausstattung (94’500 Franken). Trotz finanzieller Defizite der Stadt im Kita-Wesen stimmten alle Parteien ausser der SVP wegen der hohen Kita-Nachfrage im Wylerquartier der Vorlage zu. Kritisiert wurden von der GLP und der FDP aber die sehr hohen Kosten für die Möblierung und Einrichtung der neuen Kita. GLP-Stadträtin Janina Aeberhard fragte unter anderem, warum man nicht das Mobiliar des alten Standortes nutzen könne. Sie erhielt im Rat keine Antwort.
- Burgergemeinde: Meist, wenn ein kritischer Vorstoss von links zur Burgergemeinde Bern verhandelt wird, gehen die Emotionen hoch. So auch gestern. Mehrere JA!-Stadträt*innen hatten gefordert, dass Gemeinderät*innen nicht gleichzeitig der Burgergemeinde angehören dürften. Ihre Begründung: Wenn man die Burgergemeinde nicht abschaffe, müsse zumindest ihr Einfluss begrenzt werden. Die unausgegorene Idee wurde vom Gemeinderat als klar verfassungswidrig taxiert, weil niemand wegen seiner Bürgerrechte bevorzugt oder benachteiligt werden dürfe. Trotz viel linker Kritik an der Burgergemeinde votierten die meisten Redner*innen gegen die Motion. «Eine gerechte Gesellschaft entsteht nicht durch Ausgrenzung», sagte Mehmet Özdemir (SP). «Ihr diskriminiert mit einer solchen Regelung», sagte SVP-Stadtrat Alexander Feuz. Im Berner Gemeinderat sitzt mit Alec von Graffenried (GFL) derzeit ein Bernburger. Die Anregung von JA!-Stadträtin Anna Jegher, freiwillig aus der Burgergemeinde auszutreten, sei gar nicht umsetzbar, erklärte von Graffenried am Rande der Debatte sowohl den JA!-Stadträtinnen wie auch den anwesenden Journalist*innen.
- Kulturbüro: Das Stadtparlament will, dass sich die Stadt finanziell am Kulturbüro beteiligt und zusammen mit der Institution neue Finanzierungsmöglichkeiten ausarbeitet. Das niederschwellige Angebot des Kulturbüros im Bereich Materialausleih und Beratung fand im Rat Zustimmung von ganz links bis ganz rechts. Das Kulturbüro war jahrelang durch das Migros-Kulturprozent finanziert. Doch Migros Aare zieht sich nun zurück. Laut Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP) schätze der Gemeinderat die Arbeit des Kulturbüros, wolle aber, dass sich nicht nur die Stadt an der Finanzierung beteiligt.
- Gebäudesanierung: Die Stadt Bern kann ihre in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhäuser an der Schlossstrasse 86 und 88 in Holligen sanieren. Der Rat hat einen Baukredit in der Höhe von 8,95 Millionen Franken mit 64 Ja- zu 5 Nein-Stimmen genehmigt. Die in den 1950er-Jahren erstellten Gebäudezeilen müssten dringend saniert werden, hiess es im Vortrag des Gemeinderats. Einzig die SVP stellte sich gegen den Kredit, Fraktionssprecher Stephan Ischi bezeichnete das Vorhaben wegen der hohen Kosten als «Luxusbau». Die Anzahl der Wohnungen wird von 24 auf 18 reduziert. Acht davon sollen nach den Kriterien für günstigen Wohnraum (GüWR) vermietet werden, weitere zehn nach den Kriterien für GüWR in Neubauten und umfassend sanierten Liegenschaften. Erstere richten sich an Armutsbetroffene und Armutsgefährdete, Letztere an den unteren Mittelstand.
- Unterschriftensammlung: Der Stadtrat will die formellen Hürden beim Unterschriftensammeln für städtische Vorlagen reduzieren. Er hat diskussionslos eine FDP-Motion angenommen, wonach Adresse und Geburtsdatum nicht mehr händisch ergänzt werden müssen. Bei städtischen und kantonalen Vorlagen müssen diese Felder eigenhändig ausgefüllt werden, ebenso wie der Name und die Unterschrift. Bei nationalen Vorlagen wiederum dürfen Geburtsdatum und Adresse von fremder Hand oder maschinell ergänzt werden. Die Neuerung führt laut Gemeinderat aber dazu, dass Fälschungen (z.B. mehrere Einträge in gleicher Handschrift) schwieriger zu erkennen sind. Dennoch befürwortet auch die Regierung die Änderung, welche nun zur Volksabstimmung kommt.
- Gebühren: Der Rat debattierte aufgrund eines GB-Postulats über einkommensabhängige Gebühren. Der Gemeinderat legte dar, dass die Entlastung einkommensschwacher Menschen zwar rechtlich möglich ist, zur Kompensation aber nicht reiche Menschen mit höheren Gebühren belastet werden können. Weil viele Gebühren eher tief seien, bezweifelte Stadtpräsidentin Marieke Kruit die Praktikabilität einer neuen Gebührenordnung. Sie versprach, eine Senkung der Gebühren für Einbürgerungen zu prüfen.
PS: Zum Schluss der Sitzung konnte der neu für Klimapolitik zuständige Gemeinderat Alec von Graffenried bei der Beratung einer GB-Motion mit dem Titel «Klima à la carte», aufzeigen, dass die Stadt im Bereich der Förderung von klimafreundlicher Ernährung schon viele Forderungen der Motion angepackt habe. Er beschloss sein Votum um kurz nach 22.30 Uhr mit einem Lob auf lokale Produkte: «Ich werde nun in der Bar vis-à-vis des Rathauses einen Matte-Gin trinken, natürlich aus lokaler Produktion.»