Aktivist der Parkkarten
Preisüberwacher Stefan Meierhans ist gegen höhere Parkgebühren. Jetzt sammelt er in Bern für seine Partei auch Unterschriften dagegen. Diese Vermischung der Rollen wirft Fragen auf.
Preisüberwacher Stefan Meierhans posiert mit Unterschriftenbogen auf dem Berner Casinoplatz – hinter ihm aufgestellt das Logo seiner Partei Die Mitte. Meierhans sammelt an jenem 19. November Unterschriften gegen das neue Gebührenreglement der Stadt Bern. Der umstrittenste Punkt im neuen Reglement sind die Preise von Parkkarten für Anwohner*innen, die von heute 264 auf 492 Franken im Jahr erhöht werden sollen.
Privatmann Meierhans hat also eine Mission als Bürger: Er wehrt sich gegen die Erhöhung der Parkkarten-Preise.
Höchstens 400 Franken
Auch als Preisüberwacher hat Meierhans eine Mission. Er setzt sich dafür ein, dass Bürger*innen nicht zu viel für das bezahlen, was sie konsumieren. Er ist also Aktivist für tiefe Preise. Und das ganz offiziell: Sein Amt ist dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung zugeordnet. Seit 2008 ist Stefan Meierhans Preisüberwacher in der Schweiz. Er wurde von der damaligen CVP-Bundesrätin Doris Leuthard portiert. In seinem Amt setzt sich Stefan Meierhans auch dafür ein, dass städtische Parkkarten für Anwohner*innen nicht unverhältnismässig teuer sind.
400 Franken sollen sie höchstens kosten. Wobei die Berechnung dieses Betrags Fragen aufwirft, wie du in der Box unten sehen kannst. 400 Franken lautet aber der Tenor des Preisüberwachers, wenn immer eine Stadt oder ein Dorf sich erdreisten will, mehr zu verlangen. Und sein Wort hat Gewicht. So wurde zum Beispiel letztes Jahr in Zürich nicht zuletzt dank ihm eine neue Parkkarten-Verordnung, bei der der Parkplatz jährlich 780 statt wie bisher 300 Franken hätte kosten sollen, zurückgezogen. Und in der Stadt Bern wurde eine ursprünglich angedachte Erhöhung von 264 auf 720 Franken im Stadtrat auch auf Druck des Preisüberwachers Meierhans auf 492 Franken herabgesetzt.
Doch den bürgerlichen Parteien von Die Mitte über FDP bis zur SVP sind auch 492 Franken zu viel, sie haben im Oktober das Referendum ergriffen. Noch immer werden auf Plätzen und Strassen Unterschriften gesammelt – eben mit prominenter Unterstützung des Preisüberwachers.
Sein Engagement als Aktivist begründet Meierhans gegenüber der «Hauptstadt» so: «Als wahl- und stimmberechtigter Einwohner in der Stadt setze ich mich auch in meiner Freizeit für die Anliegen des Preisüberwachers ein – einfach als Stimmbürger in der Stadt Bern.» Eine schwungvolle Begründung.
«Meierhans geht da zu weit»
Markus Müller, Staats- und Verwaltungsrechtprofessor an der Universität Bern, findet grenzwertig, was Meierhans tut. «Nachdem der Preisüberwacher seine Auffassung als Amtsperson der zuständigen Stelle der Stadt Bern mitgeteilt hat, bringt er sich auch noch als Privatperson ein – und missbraucht damit seine amtliche Rolle», sagt er. Da der Preisüberwacher als bekannte Persönlichkeit auf der Strasse erkannt werde, könne er sich nicht darauf berufen, er sammle nur als Privatperson Unterschriften.
«Grundsätzlich sollen sich Behörden zurückhalten, wenn es um die Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger bei der Ausübung ihrer politischen Rechte geht», sagt Müller. Zudem mische sich im vorliegenden Fall eine Bundesbehörde auf kommunaler Ebene ein. «Meierhans geht da zu weit.» Allerdings wisse er wohl auch, dass seine Aktion auf dem Casinoplatz keine Konsequenzen haben werde. «Das Bundesgericht hat schon schlimmere Verstösse gegen die Zurückhaltung der Behörden durchgehen lassen.»
Rollen offenlegen
Weniger problematisch sieht es Politologe Georg Lutz, der an der Universität Lausanne lehrt, aber in Bern wohnt. «Jeder Bürger darf sich wehren gegen Sachen, die ihn in seiner Gemeinde stören», sagt Lutz. Allerdings findet Lutz, es wäre angebracht gewesen, wenn Meierhans seine beiden Rollen offengelegt hätte, als Preisüberwacher und Bürger, der in Bern wohnt und auch ein Auto hat. Zumal er den Berner Fall prominent in einer Kolumne in der Boulevard-Zeitung «Blick» beleuchtet hat, ohne dabei zu erwähnen, dass er selber Einwohner dieser Stadt ist.
Preisüberwacher Stefan Meierhans bleibt entspannt. «Im vorliegenden Fall deckt sich die Empfehlung des Preisüberwachers mit dem Anliegen des Referendumskomitees; es wäre mithin verkehrt, wenn ich das nicht unterstützen würde – ich würde ja meine Empfehlung relativieren», sagt er.
400 Franken sei ein angemessener Preis für eine Dauerparkkarte in der blauen Zone, findet der Preisüberwacher. Diese Zahl stamme aus einer Erhebung aus dem Jahr 2021, sagt er auf Anfrage der «Hauptstadt». Dafür wurde der Durchschnitt der Parkkartenpreise aller Kantonshauptorte genommen. Mit anderen Worten: In einem Kantonshauptort zahlen die Anwohner*innen durchschnittlich 400 Franken für eine Parkkarte.
Ob diese Stadt klein wie Appenzell (mit weniger als 6000 Einwohner*innen) oder gross wie Zürich (mit über 400’000 Einwohner*innen) ist, wird nicht gewichtet. Meierhans begründet das damit, dass bei den Parkkarten «nur die direkten Kosten betrachtet werden, und die variieren nicht in Funktion der Stadtgrösse oder -dichte». Mit «direkten Kosten» meint er «etwa die Markierung und den Mehraufwand bei der Strassenreinigung, die insgesamt aber sehr gering sind». Die Bodenpreise jedoch spielten keine Rolle, da die Städte selber die Beträge bodenpreisunabhängig festlegen würden, «ansonsten müssten sie sie je nach Quartier unterschiedlich ausgestalten».
Preise für Parkkarten, die neu festgelegt werden, sollten also laut Preisüberwacher nicht über dem Durchschnitt der bereits bestehenden Parkkartenpreise liegen. Diese Begründung kann Politologe Georg Lutz nicht nachvollziehen: «Zu sagen, die Obergrenze der Preise sei dort, wo der Durchschnitt liegt, ergibt für mich logisch keinen Sinn.» Wenn der Durchschnitt 400 Franken sei, müsse man ja davon ausgehen, dass viele Gemeinden bereits jetzt darüber liegen würden. Das ist zum Beispiel bei Luzern und Chur (je 600 Franken) oder Lausanne (500 Franken) so.
Wenn Gemeinden, die ihre Parkkarten-Gebühren verändern wollen, nicht mehr als den schweizweiten Durchschnittspreis verlangen sollen, impliziert das, dass die Parkkartenpreise in Zukunft nicht steigen – und auch nicht als Lenkungsabgabe für das Klima oder zur Sanierung des Gemeindehaushalts verwendet werden sollen. Ansonsten fürchtet Meierhans, könnte dies auch in anderen Bereichen gemacht werden. «Man stelle sich vor: Eine migrationskritische Mehrheit entscheidet, den Ausländerausweis zur Lenkung neu mit 5000 Franken Gebühren zu belasten. Oder militante Veganer fordern eine Betriebsbewilligung für Metzgereien für eine Gebühr von 10'000 Franken.»