Armeeübung «Fides» mit scharfer Munition

Gegen die Terrorabwehrübung von Armee und Polizei im Raum Bern sind Störaktionen von Kritiker*innen angekündigt. Dennoch sind Milizsoldat*innen dieser Tage bei der Übung «Fides» mit scharfer Munition unterwegs.

Demonstration gegen Armeeübung Fides Stadt Bern
Die Sicherheits-Übung von Polizei und Armee erhitzt die Aktivist*innen-Gemüter. (Bild: Jana Leu, liveit.ch)

Seit Anfang Woche und noch bis zum 19. August üben die Berner Kantonspolizei und die Schweizer Armee im Raum Bern ihr Verhalten bei einer Bedrohungslage im Zusammenhang mit einem Terroranschlag. Milizeinheiten der Territorialdivison 1 sollen dabei im Auftrag der Polizei kritische Infrastrukturen schützen. Diese sogenannte Verbundsübung  findet nicht nur am Schreibtisch und am Computer statt, sondern auch real. Milizsoldaten werden bei ausgewählten Gebäuden in und um  Bern Wache stehen. Das können laut einer Mitteilung der kantonalen Sicherheitsdirektion Lebensmittel-Verteilzentren, Verkehrsinfrastrukturen oder wichtige Verwaltungsgebäude sein.

Viel mehr geben die Behörden zu dieser Übung bisher nicht bekannt. Die Bevölkerung soll erst «zu gegebener Zeit» informiert werden. Die «Hauptstadt» weiss aber, dass die Soldaten ihren Einsatz während der ganzen Übung mit scharfer Munition leisten. Dies bestätigt die Armee auf Anfrage. «Alle an der Übung beteiligten Armeeangehörigen sind bewaffnet und mit entsprechender Munition für die ihnen zugewiesenen Aufgaben ausgerüstet», sagt Armeesprecher Mirco Baumann. 

Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in den kommenden Tagen bewaffnete Milizsoldaten armeekritischen Demonstrant*innen gegenüberstehen. Denn die Terrorübung wird von linken Kreisen heftig kritisiert. Unter dem Titel «No Fides» haben 130 linke Armee- und Polizeikritiker*innen schon am Sonntagnachmittag in Bern demonstriert und dabei Pyros gezündet und Wände versprayt. Dabei wird es wohl nicht bleiben, denn die Aktivist*innen haben auch Störaktionen während der Übung selber angekündigt. 

Soldaten erhielten «einsatzbezogene Ausbildung»

Trotz der möglichen Demonstrationen während der Übung erachtet die Armee den Einsatz von scharfer Munition als richtig. Armeesprecher Baumann betont: «Die Milizsoldatinnen und -soldaten verfügen über eine solide Grundausbildung in verschiedenen Bereichen.» Der bewaffnete Wachtdienst werde regelmässig im Rahmen der Wiederholungskurse praktiziert. Zudem würden die Truppen vor jeder Übung eine gezielte «einsatzbezogene Ausbildung» absolvieren. Dazu gehöre ein Modul zum bewaffneten Wachtdienst. 

Demonstration gegen Armeeübung Fides Stadt Bern, August 2022
Letzten Sonntag demonstrierten in Bern 130 Leute gegen die Terror-Übung. Aktivist*innen kündigten zudem Störaktionen während der Armeeübung an. (Bild: Jana Leu, liveit.ch)

Zu möglichen Konfrontationen von Demonstrat*innen mit Soldat*innen sagt Baumann: «Wie bei jeder Übung oder jedem Einsatz mit Waffen und Munition gelten für die Truppe verbindliche Einsatzregeln.» Sie würden die Bedingungen für den Einsatz der persönlichen Waffe und allfälliger weiterer Zwangsmittel festlegen.

Laut Baumann führt die Armee den Grossteil ihrer Einsätze und Übungen mit Waffen und Munition durch. Seit Anfang Jahr habe die Armee bereits zahlreiche bewaffnete Einsätze «erfolgreich und zur Zufriedenheit der zivilen Behörden» geleistet: Beispielsweise die Bewachung des WEF in Graubünden, der WTO-Konferenz in Genf oder der Ukraine-Konferenz im Tessin. Baumann betont aber, es seien die Aufträge sowie die Vorgaben der zivilen Behörden, welche jeweils den Rahmen für den Auftrag und damit den Einsatz von Waffen und Munition vorgeben.

Kritik an Milizsoldaten mit Munition in Wohngebieten 

Berner Politiker*innen sehen dem Einsatz der scharfen Munition mit gemischten Gefühlen entgegen. SP-Grossrätin Edith Siegenthaler sagt auf Anfrage, sie habe Verständnis, dass die Behörden realitätsgetreu üben wollen. «Ich habe aber auch Verständnis, dass Soldaten mit geladenen Gewehren im städtischen Raum ein ungutes Gefühl auslösen können.» Wenn niemand gefährdet werde und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten würden, findet Siegenthaler die scharfe Munition aber vertretbar.

Kritischer zeigt sich Seraina Patzen von den Jungen Grünen: «Ich finde die scharfe Munition bei dieser Übung gefährlich und unnötig.» Es könnten Unfälle passieren. Die Grossrätin findet es «unverantwortlich, dass man Milizsoldaten mit Munition in Wohngebieten einsetzt».

Demonstration gegen Armeeübung Fides Stadt Bern, August 2022
Unfreundlich: Vermummte marschierten am Sonntag beim «No Fides»-Protest durch Bern. (Bild: Jana Leu, liveit.ch)

Die grünliberale Grossrätin Marianne Schild ist weniger besorgt: «Ich habe ein relativ grosses Vertrauen in Lageeinschätzung der Behörden und fühle mich diese Woche in der Stadt Bern nicht unsicher.» Und SVP-Grossrat und Oberst Thomas Fuchs erachtet den Einsatz der scharfen Munition als «richtig – trotz der Risiken». Gerade im heutigen internationalen Umfeld sei es wichtig, unter realistischen Bedingungen zu üben.

«Eine Milizarmee mit Bewaffnung ist nichts Neues»

Der zuständige Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) betont auf Anfrage, «dass ein solcher Einsatz unserer Milizarmee mit Bewaffnung nichts Neues oder Aussergewöhnliches, sondern Business as usual darstellt und in der Vergangenheit immer wieder stattgefunden hat». Armeeeinsätze hätten nie zu Protesten geführt, ausser jetzt in Bern. Die Armee komme zum Beispiel auch beim WEF, bei Ministertreffen in Genf  oder beim Zionistenkongress in Basel zum Einsatz. Und sie schütze bei Bedarf ausländische Botschaften, insbesondere in Bern.

Zudem hätten in den vergangenen Jahren diverse  Übungen mit bewaffneten Truppen stattgefunden. Regierungsrat Müller betont, dass die bei den beschriebenen Einsätzen eingesetzten Truppen eine intensive einsatzbezogene Ausbildung durchlaufen hätten und gibt zu bedenken: «Ein unbewaffneter Einsatz der Schweizer Armee hätte wohl wenig Mehrwert.»

Noch scheint es trotz Terrorübung ruhig zu sein im Raum Bern. Von Störaktionen der Kritiker*innen ist noch nichts bekannt, und Militärpräsenz fällt nirgends auf. Laut Insiderinformationen wird der praktische Teil der Übung erst in der Nacht auf Donnerstag so richtig gestartet. Die «Hauptstadt» hat Kenntnis davon, dass dann unter anderem auch ein Verwaltungsgebäude des Bundes an der Berner Stadtgrenze von der Armee bewacht werden soll.

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Diskussion

Unsere Etikette
Christoph Kaufmann
20. August 2022 um 14:17

Warum heisst das Fides? Wer hat sich diesen Namen ausgedacht?

Andreas Lanz
19. August 2022 um 09:05

Dass es den Armeeabschaffern nicht gefällt, wenn die Armee übt ist nichts Neues. Terrorgefahr in Mitteleuropa ist aber leider nicht ein völlig unrealistisches Szenario. Das muss geübt werden.