Geng wi geng? – Askforce-Selection #60
Ist wirklich immer noch alles geng wie geng, wie Berner*innen gerne sagen? Die Askforce hebt den Blick und schaut über den Tellerrand hinaus.
Versammeln sich Menschen aus Bern in Bern in einem Berner Keller in der Berner Altstadt, um sich Fragen zu stellen, trifft sich eine kleine Welt. Das birgt die Gefahr, dass Fragen, die dort gestellt werden, in einem viel zu engen Rahmen gelesen und, schlimmer noch, aus einer lokalen Froschperspektive heraus beantwortet werden.
Die Frage, um die es hier geht, lautet: «Isch wurkli geng wie geng?» Sie stammt von Martin G. Und ja, Sie haben richtig gelesen, im Dokument der Askforce, das alle pendenten Fragen auflistet, steht wirklich «wurkli».
Es ist eine äusserst verwirrliche Frage, deutet die Wortfolge «geng wie geng» doch auf einen urbernischen Fragesteller hin. «Wurkli», in Wirklichkeit wohl «würkli», deutet dialektgeografisch hingegen über Bern hinaus. Die Frage legt den Schluss nahe, dass es sich bei Martin G. um einen in Bern in Assimilierung befindlichen Binnenmigranten aus einem östlichen Landesteil handelt, dem überdies ein Umlaut abhandengekommen ist.
Und so beantwortet der Fragesteller mit seiner mutmasslichen Biografie seine Frage gleich selbst: Nein, lieber Martin, sogar in Bern ist nicht immer alles «geng wie geng». Dinge verändern sich, und plötzlich sagt hier jemand «wurkli».
Die Askforce nennt sich selber «Berns bewährte Fachinstanz für alles, die Antworten auf Fragen liefert, die viele nicht zu stellen wagen». Mit anderen Worten: Keine Frage ist zu abwegig. Das ist eine Aufforderung an alle Hauptstädter*innen: Deckt die Askforce mit euren lebenswichtigen Fragen ein – an diese Adresse: [email protected].
Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im Bund und erarbeitete sich den Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Als Bund und BZ im Herbst 2021 fusionierten, verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf.
So weit die eingangs erwähnte Antwort aus der lokalen Froschperspektive. Wir haben davor gewarnt.
So steigen wir nun aus unserem Berner Keller und lassen den Blick weiterschweifen, über den Bantiger hinweg, weit nach Osten, viel weiter, als von wo unser Martin kommt – bis ganz nach hinten: bis nach China!
Dort lebt Geng Wang, ein netter Herr, der sich in einem kleinen Unternehmen zum Prokuristen hochgearbeitet hat. Er handelt mit Grüntee, lebt mit seiner Frau am Rande einer grossen Stadt und ist sehr stolz auf seine Tochter: Geng Jinjin erbringt nicht nur hervorragende Leistungen in der Schule, sie engagiert sich auch in der regionalen Kunstturngruppe der Partei.
Wir entdecken Geng Li, den Reisbauern aus der Provinz Fujian, der gerade in der Landi Gummistiefel kauft. Wir erspähen Umerzieher Geng Huan vor einer Gruppe von Uiguren; er leidet unter hohem Blutdruck. Oder Geng Lan, die ausgebildete Schauspielerin, die in einem Spielzeugkonzern jene Sätze spricht, die später die elektronischen Puppen zu den Kindern sagen werden.
Kurzum: Wir finden Gengs an allen Ecken und Enden des Reichs der Mitte. In China trugen 2008 rund 990’000 Menschen den Namen Geng. Es ist der 139-häufigste Name.
Und niemand würde behaupten, Geng sei wie Geng. Wurkli nicht.
Askforce-Selection #60, 6. September 2024