Brauchen wir den Samichlaus? – Askforce-Selection #13

Morgen ist Samichlaus-Tag, und die Askforce sagt: Obacht! Ziemlich viele Samichläuse leiden an einem feurigen Rache-Syndrom.

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Der fragende Denkzustand der Askforce, wie ihn die Illustratorin Pia Zibulski sieht. (Bild: Pia Zibulski)

Liselotte B. aus dem Gürbetal versichert uns, sie habe ausgesprochen liebenswürdige Enkel. Nur ungezogen seien die Bengel halt, vermutlich wegen der largen Erziehungsgrundsätze der Moderne. Letzte Woche habe sie übrigens das letzte Fuder zusammengerechtes Herbstlaub der Grüngutabfuhr übergeben. Angesichts der freundlichen bärtigen Mannen der Abfuhr habe sie sich spontan gefragt, ob die heutige Zeit nicht doch mehr Samichlaustugenden nötig habe: «Bräuchten wir nicht mehr jener Werte, die der Samichlaus verkörpert? Bräuchten wir nicht mehr von dieser guten Mischung von strenger Autorität und Menschenliebe?» 

Hauptstädter*innen fragen die Askforce

Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im «Bund» und erarbeitete sich den soliden Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Im Angesicht der Fusion von Bund und BZ im Herbst 2021 verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf. Bis Weihnachten kuratiert die Askforce in der «Hauptstadt» jeden Montag eine spezielle Selection. Das hat Hauptstädter*innen bereits motiviert, die Askforce mit neuen Fragen zu beliefern. Weiter so, und zwar hier: [email protected].

Wir haben natürlich grössten Respekt vor der Lebenserfahrung von Liselotte B. und wagen nicht, ihr auf Anhieb zu widersprechen. Aus gewöhnlich ungewöhnlich gut unterrichteter Quelle wissen wir aber, dass vier von fünf Samichläusen unter dem so genannten «Santa-Claus-Revenge-Syndrom» leiden, einer Art zwanghaftem Rachegefühl für die während der eigenen Kindheit erlittenen Machtdemonstrationen der Erwachsenen. Sehr problematisch ist dieses Syndrom, wenn sich die betroffenen Chläuse dessen nicht bewusst sind und vordergründig Gutes tun wollen. So werden jene Samichlaus-Katastrophen wie die Folgende erklärbar: 

Kinderbrief an S.: «Samichlaus, wann kommt endlich das Feuerwehrauto, das ich mir schon so lange wünsche?» 

Antwortbrief von S.: «Liebes Kind, nimm Vaters Feuerzeug und probiers mit den Gardinen – oder, falls ihr schon einen habt, gleich mit dem Weihnachtsbaum. Ganz sicher kommt dann nicht nur ein Feuerwehrauto, sondern es kommen gleich alle, die in der Nähe sind.» 

Sie sehen, Frau Liselotte, solche aus Kindersicht durchaus einleuchtenden, einfühlsamem und zugleich autoritären Anweisungen zeitigen zwar in der Tat sehr eindrückliche Ergebnisse, aber nicht unbedingt jene, die Sie sich vorstellen. Sie leisten unter Umständen einen wichtigeren Beitrag, wenn Sie heuer den Feuerlöscher schön mit Lametta dekorieren, ihn unmittelbar neben den Baum stellen – und den Splint bereits ziehen. Das finden auch kleine Feuerwehrautofreunde meistens sehr faszinierend.

Askforce-Selection #13, 5. Dezember 2022

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Diskussion

Unsere Etikette
Conrad Stockar
06. Dezember 2022 um 20:13

Auch wenn der Artikel eine Satire sein soll, geht er voll daneben. Aufgabe der von mir erlebten Samichläuse war nicht Rache, sondern das Abarbeiten des von den "lieben" Eltern verfassten Textes, welcher neben den Tugenden vor allem die Untugenden der Kinder auflistete. Und wenn die "lieben" Kinder Besserung versprachen, durften sie ein Verslein aufsagen und den Inhalt des Chlausensacks behändigen. Ueber den "Erfolg" des Verlesens von kindlichen Sündenregistern kann ich nur spekulieren. Aber die Figur des Samichlauses gehört offenbar zu unserer Kultur - nach dem Motto "es schadet nichts, wenn sich die Kinder einmal fürchten müssen".