Der Hypothekarzins und die Bibel – Askforce-Selection #7

Die Askforce wagt sich an ein Gleichnis aus der Bibel. Es geht um «ungerechten Mammon» (also Geld) und «ewige Hütten» (den Ewigkeitssegen). Oder doch nicht?

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Der fragende Denkzustand der Askforce, wie ihn die Illustratorin Pia Zibulski sieht. (Bild: Pia Zibulski)

Eine solche Frage hat die Askforce seit ihrer Gründung im Jahr 2000 noch nie erhalten. Vor der Anrede steht: «Lukas 16, 9 auslegen bitte.» Dann schreiben die «Bibelfreunde»: «Schalom, wer kann uns diesen Bibelvers auslegen? Was ist mit ewigen Hütten gemeint?» Die Bibelstelle haben sie freundlicherweise an ihre Anfrage angehängt: «Und ich sage euch auch: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf dass, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.» 

Hauptstädter*innen fragen Askforce

Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im «Bund» und erarbeitete sich den soliden Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Im Angesicht der Fusion von Bund und BZ im Herbst 2021 verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf. Bis Weihnachten kuratiert die Askforce in der «Hauptstadt» jeden Montag eine spezielle Selection. Das hat Hauptstädter*innen bereits motiviert, die Askforce mit neuen Fragen zu beliefern. Weiter so, und zwar hier: [email protected].

Liebe Lesergemeinde. Wenn das Wort Gottes tatsächlich «schärfer als jedes zweischneidige Schwert» ist, wie die Bibelfreunde auf ihrer Homepage schreiben, dann sollte es auch der Askforce möglich sein, zu erkennen, was Lukas meinte – selbst wenn keines ihrer Mitglieder Theologie studiert hat.

Zunächst führen wir mit dem Vers eine Äquivalenzumformung durch (in Anlehnung an die Lösung mathematischer Gleichnisse). Auf diese Weise versuchen wir, den Sinn des Verses zu isolieren. Der Vers besteht aus 25 Wörtern und 5 Satzzeichen. Sortiert man die Wörter ihrer Länge nach und setzt die Satzzeichen gleich null, ergibt sich: «ungerechten aufnehmen Freunde darbet ewigen Hütten Machet Mammon auch dass euch euch euch sage wenn auf dem die ich ihr mit nun sie Und in».

Was sofort, auch ohne die Ausmultiplizierung von «euch», auffällt: Der Ausdruck «ewige Hütten» wird durch die Umformung nicht tangiert. Er erweist sich somit als Sinnzentrum des Verses, wird nun aber ergänzt durch den Zusatz «Machet Mammon». 

Lukas meinte also: Ihr könnt so viel Vermögen machen, wie ihr wollt, der Hypothekarzins für ewiges Wohnen lässt sich damit trotzdem nicht finanzieren. Wie weitsichtig er war, zeigt sich darin, dass er seinen Vers mit «16, 9» versah – 16:9 ist heute ein verbreitetes Seitenverhältnis von TV-Breitbildschirmen. Irgendwie irre, nicht?

Askforce-Selection #7, 24. Oktober 2022

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Diskussion

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Jacob Schädelin
25. Oktober 2022 um 19:58

Äquivalenzumformung ist eine pfiffige Methode: die ‘ewigen Hütten’ erweisen sich als Sinnzentrum: wo sein können, wohnen als Zentralbedürfnis. Sie hat aber einen Haken, sie erfasst nämlich Inäquivalenzen nicht, und eine solche liegt im Vers Lukas 16.9 vor. Der ‘ungerechte Mammon’ erweist sich nämlich bei genauem Lesen als ‘Mammon der Ungerechtigkeit’, so wie ein Vers vorher der ‘ungerechte Verwalter’ (Ökonom!) bei genauem Lesen sich als ‘Verwalter der Ungerechtigkeit’ entpuppt. Nach der Äquivalenzumformung braucht es also auch eine Inaequivalenzfestellung: ungerechter Mammon ≠ Mammon der Ungerechtigkeit, d.h. Mammon als Fünfliber im Portemonnaie ≠ Mammon als System. Und wenn man schon beim genauen Lesen ist, merkt man auch, dass es heisst: Macht euch Freunde aus… (nicht mit). Das gesagt und verstanden bedeutet der Vers Lukas 16,9 die Weltrevolution: ewige Hütten für alle – wenn man sich denn im (nicht mit) dem System der Ungerechtigkeit Freundinnen und Freunde zu machen weiss. JS