Zwischen Feld und Bühne

Schlagzeugerin Athina Dill verbindet Klimaschutz und Musik. Am Sonntag spielt sie ein Konzert im Progr.

Athina Dill
Schlagzeugerin
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Athina Dill ist Mitglied im Vorstand eines Vereins für solidarische Landwirtschaft. (Bild: Danielle Liniger)

Das Schlagzeug steht in einem kleinen Holzschuppen, durchs Fenster schweift der Blick über Gemüsefelder und Obstbäume, hinter denen sich bei schönem Wetter die Alpen reihen. Hier in Wallenbuch, einem Freiburger 150-Seelen-Dorf, umschlossen von drei Berner Gemeinden, ist eines der beiden Daheime von Athina Dill.

Die 26-Jährige pendelt seit vier Jahren zwischen Wallenbuch und Bern. Hier das Leben auf dem Bio-Hof, dort das Leben auf Konzertbühnen und in Probekellern. Und immer wieder die Verschmelzung dieser beiden Pole, denn Athina Dill will mit ihrer Musik nicht nur unterhalten, sondern vor allem: Fragen stellen.

«Wohin gehen die Gletscher?», zum Beispiel, der Titel ihres Abschlusskonzerts des Jazz-Studiums an der Hochschule der Künste Bern. Darin vertonte sie das Schmelzen von Gletschern: «Am Anfang klang es hell und schön, ein bisschen ländlich. Dann wurde es dunkler und schneller, das Motiv vom Anfang war kaum mehr zu erkennen», erklärt Athina Dill. Genau wie die Landschaft, die sich nach dem sich stetig beschleunigenden Gletscherrückzug durch die freigelegten Geröllhalden stark verändert.

Etwa in der Mitte des Konzertes platzierte Athina Dill das Stück «Nothing Wrong» – nichts falsch. Es fängt friedlich an, dann beginnt der titelgebende Text sich zu verdrehen und es wird unangenehm. Immer noch nichts falsch? «Das ist natürlich ironisch gemeint», so Dill. Das Lied stehe für den Zeitpunkt, an dem sich die Katastrophe anbahnt, aber noch unsichtbar ist. Und es ist sinnbildlich dafür, warum Athina Dill die Gletscher als Thema gewählt hat: «Sie machen in der Schweiz den Klimawandel sichtbar.»

«Was bringt mein Beruf der Gesellschaft?»

Während ihrer Zeit am Gymnasium stellte Athina Dill sich vor, dass sie später nach einem Studium im Umweltingenieurwesen Technologien für erneuerbare Energien entwickeln will. Doch nach der Matura wollte sie «keine überstürzte Entscheidung treffen» und besuchte den Vorkurs an der Swiss Jazz School in Bern. Schlagzeug spielt sie seit Ende Primarschule, «aber absolut mit keinem Ehrgeiz.»

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Auf dem Hof kann Athina Dill Gutes tun für die Welt und gleichzeitig abschalten von der egozentrischen Musikwelt. (Bild: Danielle Liniger)

Das Jahr, in dem sie voll auf die Musik setzte, gefiel ihr so gut, dass sie schliesslich Schlagzeug als Studienfach wählte. Inzwischen studiert sie im Master mit Schwerpunkt Pädagogik. Daneben unterrichtet sie an der Musikschule «Musik im Dach», moderiert «Jazz am Sunntig» auf Radio RaBe und arbeitet für die Langnau Jazz Nights.

«Durch meine Arbeit im Kunstbereich trieb mich immer wieder die Frage um, was mein Beruf der Gesellschaft eigentlich bringt», erzählt Athina Dill beim Besuch der «Hauptstadt» auf dem Hof in Wallenbuch. Im Ingenieurwesen hätte sie darauf leichter eine Antwort gefunden. «Plötzlich ist mir eingefallen, dass ich eine Bühne habe und das Publikum ansprechen kann.»

Athina Dill betont mehrmals, dass sie Fragen stellen, nicht aber belehren wolle. «Ich fände es schön, wenn die Leute im Publikum den Moment des Konzerts dafür nutzen würden, sich Gedanken über die Gesellschaft und sich selbst zu machen: was macht sie glücklich, was läuft gut, was nicht?»

Solidarische Landwirtschaft

Als Kind interessierte sich Athina Dill stärker für ihre Innenwelten als für das, was um sie herum passiert. «Die Klimaerwärmung war dann das erste gesellschaftliche Thema, das mich packte.» Und als sie ihren Partner kennenlernte, der damals die Lehre zum Demeter-Landwirt machte, vertiefte sie ihr Wissen.

Heute führt ihr Partner gemeinsam mit drei weiteren Personen den Hof in Wallenbuch. Ihm angegliedert ist der Verein für solidarische Landwirtschaft «TaPatate!». Die Mitglieder erhalten wöchentlich Ernteanteile. Diese bezahlen sie mit einem Jahresbeitrag und ihrer Mitarbeit auf dem Hof.

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Athina Dill versucht, so oft wie möglich mit dem ÖV an ihre Konzerte anzureisen. (Bild: Fotografin)

Athina Dill ist Teil des Vereinsvorstandes, beantwortet E-Mails von Mitgliedern und organisiert die Generalversammlungen und andere interne und externe Anlässe. Manchmal pflanzt sie Setzlinge oder packt die Gemüsetaschen ab. «Hier kann ich etwas Gutes tun für die Welt und gleichzeitig abschalten von meiner egozentrischen Musikwelt.»

Zugfahren mit dem Schlagzeug

Auch in ihrem Musikerinnenleben versucht Athina Dill, das Klima so wenig wie möglich zu belasten. Das letzte Mal geflogen ist sie vor drei Jahren für eine Tour in Russland.

Und sie versucht, so oft wie möglich mit dem ÖV an ihre Konzerte anzureisen. «Aber bei manchen Locations ist das einfach nicht möglich», bedauert sie. Kleine Lokale hätten wenig eigene Infrastruktur, weshalb sie dort fast alles Material selbst mitbringen muss. «Ich kann nicht mein ganzes Schlagzeug in den Zug nehmen.» Je nach Auftritt reicht ihr aber eine Minimalausstattung, die sie jeweils auf ein Wägelchen packt, das gut in den Zug passt.

An das Konzert im Progr am 11. Februar wird Athina Dill mit dem ÖV anreisen. Sie spielt zusammen mit Mélusine Chappuis und Julie B., das Trio nennt sich «Cocon Javel». «Ein Cocon ist die Puppe eines Schmetterlings, also etwas Herzliches und Hoffnungsvolles. Javel dagegen ist eine Substanz, die alles tötet», erklärt Athina Dill. Beide Eigenschaften soll das Konzert ausdrücken.

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