Keine Straftat, dennoch in Haft
Jedes Jahr inhaftiert der Kanton Bern Hunderte Ausländer*innen wegen fehlendem Aufenthaltsrecht. Das ist rechtlich heikel. Trotzdem fehlen verlässliche Daten, wie Recherchen der «Hauptstadt» zeigen.
Die grösste Justizvollzugsanstalt des Kantons Bern liegt unter einem prächtigen Herbsthimmel. In den Geräuschteppich des riesigen Landwirtschaftsbetriebs, den die Insassen hier beackern, mischt sich Baulärm. In Witzwil wird umgebaut.
Ende Jahr eröffnet die Anstalt eine neue Abteilung. Der Kanton Bern schafft 36 Plätze für ausländerrechtliche Administrativhaft, umgangssprachlich besser bekannt als Ausschaffungshaft.
Der neue Trakt, der hier entsteht, muss hermetisch abgetrennt sein vom Rest der Anstalt. Die eine Art Insassen darf die andere nicht sehen. Die beiden Gruppen dürfen nicht am selben Ort arbeiten. Nicht zur selben Zeit Sport treiben. Nicht den gleichen Spazierhof verwenden.
Sie dürfen sich nicht begegnen, auch wenn sie nur wenige Meter voneinander entfernt eingesperrt sind, in identischen Zellen.
Die Anstalt hat einen Sichtschutz anbringen lassen, dort, wo der Teil für Administrativhaft mit dem für den Strafvollzug zusammentrifft: Lochblech und Milchglas. Dahinter eine weitere Fensterreihe, die immer geschlossen bleiben wird, damit auch Geräusche nicht die Seiten wechseln.
Seit 2018 vollzieht der Kanton die Administrativhaft im früheren Regionalgefängnis Moutier. Damit ist Ende Jahr Schluss, weil die Gemeinde den Kanton wechselt. Darum kommt die Administrativhaft nach Witzwil.
Noch sind die Sanierungsarbeiten in vollem Gang. Bereits im Dezember werden aber die ersten Männer die Zellen hinter dem Sichtschutz beziehen: Ausländer, die die Schweiz verlassen müssen. Meistens, weil ihr Asylgesuch abgelehnt wurde. Gehen sie nicht freiwillig, können die kantonalen Migrationsbehörden sie inhaftieren.
Mit Straftaten hat die Administrativhaft nichts zu tun. Deshalb darf sie nicht vermischt sein mit dem Strafvollzug. Das schreiben Gesetze vor. Sie darf eigentlich auch nicht wie ein Gefängnis wirken. Trotzdem ist es Haft. Ein schmaler Grat.
Recherche der «Hauptstadt»
Haft ist einer der schwersten Eingriffe in die Grundrechte von Menschen, die der Staat vornehmen darf. Bei der ausländerrechtlichen Administrativhaft ist der Grund keine Straftat, sondern allein der illegale Aufenthalt in der Schweiz. Das macht diese Form der Haft menschenrechtlich noch heikler.
Die «Hauptstadt» hat die Administrativhaft im Kanton Bern genau betrachtet. Die Recherche wurde vom Recherchefonds JournaFONDS finanziell unterstützt.
Die «Hauptstadt» hat:
Behörden befragt, Berichte und Statistiken analysiert.
Die zukünftige Haftanstalt in Witzwil besucht, die bessere Bedingungen verspricht.
Mit einem Berner Anwalt gesprochen, der seit 25 Jahren Menschen in Ausschaffungshaft vertritt – und vor Bundesgericht gegen die Berner Behörden gewonnen hat.
Einen Gefängnis-Seelsorger getroffen.
Die Präsidentin der Schweizer Anti-Folter-Komission interviewt.
Die «Hauptstadt» hat auch via eine Rechtsanwältin Kontakt mit inhaftierten Personen aufgenommen und sie für Gespräche angefragt. Es gab dort jedoch keine positiven Rückmeldungen. Ansonsten ist es schwierig, etwa mit ehemals Inhaftierten in Kontakt zu kommen, denn die meisten befinden sich ja nicht mehr in der Schweiz.
Die Recherchen zeigen: Die Administrativhaft ist rechtlich eine Gratwanderung. Immer wieder haben sich in der Vergangenheit Behörden nicht an menschenrechtliche Vorgaben gehalten. Oft wurde das erst durch Beschwerden an Gerichte sichtbar. Die Kantone handhaben die Haft unterschiedlich. Die Praxis im Kanton Bern ist streng – vermutlich. Doch hierzu Klarheit zu schaffen, ist wegen der unübersichtlichen Datenlage für die Öffentlichkeit kaum möglich. In einem so sensiblen Bereich wie Haft ist das problematisch.
Dieser Bericht ist der erste von drei Beiträgen zum Thema.
«Ein toter Winkel des Migrationssystems»
Der Pfarrer David Kneubühler freut sich, mit einer Journalistin über die Administrativhaft zu sprechen. «Die meisten Leute wissen nichts darüber», sagt er bei einem Kaffee im reformierten Kirchgemeindehaus in Biel Ende Oktober. «Sie denken gewöhnlich: Wer in Haft ist, muss gefährlich sein.» Niemand stelle sich vor, dass er in Moutier auch einmal einer Frau begegne, die ihm gegenüber sagt, sie sei schwanger. «Ich glaube, ich arbeite in einem toten Winkel des Migrationssystems.»
Kneubühler verbringt als Seelsorger zwei Nachmittage pro Woche im Regionalgefängnis Moutier mit Personen in Ausschaffungshaft. Religiöse Anliegen haben diese ihm gegenüber selten. «Die meisten wollen eigentlich nur wissen, wie sie rauskommen», sagt er.
Viel stärker als im Strafvollzug fühlen sich Menschen in Ausschaffungshaft laut Kneubühler im Unrecht: «Sie waren oft Teil der Schweizer Gesellschaft. Sie begreifen nicht, was sie falsch gemacht haben. Sie haben keine Straftat begangen oder haben ihre Gefängnisstrafen schon abgesessen.»
Alltäglich, aber menschenrechtlich heikel
Die Administrativhaft ist ein Massengeschäft. Im Jahr 2024 verhängten die Schweizer Migrationsbehörden die Haft rund 2500-mal. Hinzu kam eine unbekannte Zahl kurzfristiger Festhaltungen von bis zu drei Tagen – nicht alle Kantone geben die Angaben dazu dem Bund weiter.
Im Schweizerischen Durchschnitt ordneten die Behörden die Haft im letzten Jahr für 20 Tage an. Sie kann bis zu eineinhalb Jahre dauern.
Inhaftiert werden kann, wer nicht freiwillig ausreist, obwohl er oder sie dazu verpflichtet ist. Die Haft soll die Ausreise sicherstellen und verhindern, dass Leute untertauchen. Die meisten Personen kommen in Haft, um danach zwangsweise in andere Dublin-Staaten oder in Herkunftsstaaten ausgeschafft zu werden.
Die Administrativhaft ist im nationalen Ausländerrecht geregelt. Verantwortlich für den Vollzug und die Anordnung sind die Kantone. Sie haben dabei einen gewissen Spielraum. So ordnen Kantone unterschiedlich häufig Haft an und gestalten diese unterschiedlich aus.
Viele Fälle im Kanton Bern – aber die Behörden behaupten, man könne die Daten nicht vergleichen
Im Kanton Bern wurde im vergangenen Jahr in 563 Fällen Administrativhaft angeordnet, zusätzlich gab es 353 kurzfristige Festhaltungen. Das teilt der Kanton Bern auf Anfrage mit.
Im kantonalen Vergleich sind das schweizweit mit Abstand am meisten Anordnungen. Die hohe Zahl lässt sich nicht nur mit der Grösse des Kantons Bern erklären. Der Kanton Zürich etwa verzeichnete nur gut halb so viele Fälle, obwohl er deutlich mehr Einwohner*innen hat und auch mehr Asylsuchende beherbergt als Bern.
Zu diesem Schluss kommt ein im Sommer veröffentlichter Bericht der NGO Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht. Sie hat die Daten des vom Staatssekretariat für Migration publizierten Zentralen Migrationssystem (ZEMIS) ausgewertet.
Die «Hauptstadt» wollte von den Berner Migrationsbehörden wissen, wie sich die hohe Zahl der Fälle im Kanton Bern erklären lässt.
Diese simple Frage offenbart ein Problem, das für die Administrativhaft kennzeichnend ist: Die Datenlage ist intransparent. Ein Monitoring, das verlässliche Aussagen zulässt, fehlt.
Statt einer Antwort auf diese Frage gibt die Berner Sicherheitsdirektion an, man könne sich nicht ohne Weiteres auf die Daten des Staatssekretariats für Migration berufen.
Sie schreibt: «Da die Anordnung von Zwangsmassnahmen in die Zuständigkeit der kantonalen Migrationsbehörden fällt und diese keine gesetzliche Pflicht haben, die Zwangsmassnahmen im ZEMIS einzutragen, ist die Datenqualität nur so zuverlässig, wie die kantonalen Migrationsbehörden die Daten auch tatsächlich (freiwillig) eintragen.»
Deshalb sei aus Sicht des Kantons «kein wissenschaftlich fundierter, aussagekräftiger interkantonaler Vergleich» möglich. «Ob der Kanton Bern tatsächlich öfter Administrativhaft als andere Kantone anordnet, können wir nicht überprüfen.»
Das Staatssekretariat für Migration schreibt hingegen, die Kantone seien verpflichtet, dem Amt ihre Daten zu übermitteln. Doch wie vertrauenswürdig sind die übermittelten Daten, wenn die Kantone sie selbst als zweifelhaft darstellen?
20 Mails und sieben Telefongespräche: Verlässliche Daten nur mit grossem Aufwand
Die unübersichtliche Datenlage zieht sich wie ein roter Faden durch die Recherchen der «Hauptstadt». Dabei geht es bei der Ausschaffungshaft um einen Bereich, wo Behörden enorm in die Rechte von Menschen eingreifen – Menschen, die keine Lobby haben, das Schweizer Rechtssystem meist nicht kennen und damit höchst verletzlich sind.
Hier wären öffentlich nachvollziehbare Daten zentral. Nur so ist das Handeln demokratisch legitimierter Behörden überprüfbar. Es ist die Aufgabe von unabhängigem Journalismus und von NGOs, solche Bereiche zu beleuchten. Bei der Administrativhaft gestaltet sich das als sehr schwierig.
Die «Hauptstadt» analysierte den oben erwähnten NGO-Bericht, der die Administrativhaft schweizweit thematisiert, auf den Kanton Bern. Dabei liess eine Statistik aufhorchen.
Die Autor*innen hatten Zahlen beim Berner Amt für Justizvollzug eingeholt. Diese legen nahe, dass im Kanton Bern Personen in den letzten fünf Jahren im Schnitt zu lange im Regionalgefängnis statt in der Anstalt für Ausschaffungshaft in Moutier untergebracht waren.
Mit diesem Vorwurf konfrontierte die «Hauptstadt» den Kanton Bern im Sommer und bat um Stellungnahme. Es folgte ein mehrere Wochen dauerndes Prozedere.
Die «Hauptstadt» schrieb rund 20 E-Mails und führte sieben Telefongespräche mit Verantwortlichen von verschiedenen Ämtern. Die «Hauptstadt» legte dem Kanton auch dessen eigene E-Mail vor, in der eine Mitarbeiterin des Amts für Justizvollzug die Zahlen an die NGO geschickt hatte.
Schliesslich teilte der Kanton Bern mit: Die im NGO-Bericht verwendeten Zahlen seien falsch. Der Fachbericht wurde als unseriös diskreditiert.
Die laut den Behörden richtigen Zahlen ergeben einen Durchschnitt von vier Tagen Aufenthalt im Regionalgefängnis Bern – das gerade noch rechtmässige Maximum.
Die Geschichte zeigt: Laut eigenen Angaben hält sich der Kanton Bern an die rechtlichen Vorgaben. Das zu verifizieren, kostet eine Medienschaffende allerdings einen beinahe unzumutbaren Aufwand. Ein transparenter, öffentlich verfügbarer Überblick zu diesem Thema ist inexistent. Ein solcher würde auch verhindern, dass der Kanton falsche Angaben macht.
Die Schweiz hat kein zentrales Haftregister
Diese Beobachtungen unterstützt der neuste Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarats zu den Haftbedingungen in der Schweiz. Das Komitee kritisiert die Schweiz für ihre mangelhafte Haftdokumentation. Es fordert ein gesamtschweizerisches Haftregister, auf das alle Behörden Zugriff haben.
Das wäre auch für den öffentlichen Diskurs zwingend. Nur wenn Journalist*innen und NGOs Kantone verlässlich miteinander vergleichen können, lassen sich Missstände und Best Practices überhaupt erkennen.
Kein Recht auf einen Anwalt
Wenige kennen sich mit der Administrativhaft im Kanton Bern so gut aus wie Thomas Wenger. Der 64-jährige Rechtsanwalt empfängt die «Hauptstadt» in seinem Büro im Berner Lorrainequartier. Er nimmt sich Zeit, erzählt in breitestem Berndeutsch aus den letzten 25 Jahren.
So lange berät und vertritt Wenger als Anwalt schon Menschen in Ausschaffungshaft. Er ist noch bis Ende Jahr Geschäftsführer der Kirchlichen Anlaufstelle Zwangsmassnahmen des Kantons Bern (KAZ). Die Stelle wurde 1998 gegründet. Vier Jahre zuvor hatte die Schweiz die Administrativhaft mit einer Volksabstimmung eingeführt, mit dem Ziel, härter gegen ausländische Drogendealer vorzugehen.
Wer in Administrativhaft kommt, erhält nicht automatisch einen Anwalt oder eine Anwältin. Während Personen in Untersuchungshaft sofort eine Rechtsvertretung erhalten, gibt es in Administrativhaft in der Regel erst nach drei Monaten einen Anspruch darauf, und auch dann nur auf Antrag.
Deshalb gründeten die Berner Landeskirchen und die jüdische Gemeinde die KAZ. Inhaftierte Personen können sich bei der Stelle melden und erhalten gratis Rechtsberatung. Thomas Wenger sagt: «Es darf nicht sein, dass Menschen ohne Rechtsvertretung ins Gefängnis kommen.» Etwas härteres als Leute einzusperren, könne der Staat nicht tun.
Erst Klagen verbesserten die Bedingungen
Zur Ausgestaltung der Administrativhaft sagt Wenger: «Es hat sich viel verändert.» Die Haftdauer sei kürzer und die Bedingungen seien in den letzten Jahren besser geworden.
Bis vor einigen Jahren sassen Personen auch viel häufiger und länger in normalen Gefängnissen statt in einer speziellen Einrichtung für Ausschaffungshaft. Das zeigen Statistiken, die der Kanton Bern Thomas Wenger jährlich liefert und die der «Hauptstadt» vorliegen. Warum der Kanton auf die Anfragen von NGOs und Journalist*innen diese Statistiken nicht einfach ebenfalls aushändigt, bleibt offen.
So wurden im Jahr 2015 noch über die Hälfte aller Hafttage im Regionalgefängnis Bern vollzogen. 2024 war es nur noch ein Fünftel.
2015 sassen drei Personen über zwei Monate im Regionalgefängnis Bern, eine Person sogar sieben Monate. 2024 waren die allermeisten nicht länger als neun Tage im Regionalgefängnis Bern.
Diese Praxisänderung hat Thomas Wenger herbeigeführt. Er hat eine Beschwerde vors Bundesgericht gebracht. Das Gericht urteilte, dass sich das Regionalgefängnis Bern nicht für Administrativhaft eigne.
Wenger sagt: «Die Behörden mussten die Administrativhaft anpassen, weil die Gerichte sie zurückpfiffen.» Dazu musste es aber zuerst Anwält*innen geben, die sich um solche Fälle kümmern. Lange Zeit passierte in dieser Hinsicht wenig – viele Personen in Ausschaffungshaft haben ja gerade keine Anwält*innen.
In den letzten vier Jahren haben aber noch weitere Urteile bessere Haftbedingungen vorgeschrieben. So hat etwa die Organisation Asylex einige Fälle vor Bundesgericht gezogen. Es entschied, dass die Zellen länger geöffnet sein und Inhaftierte Zugang zum Internet haben müssen. Der Fall betraf das Regionalgefängnis Moutier.
Moutier ist immer noch ein Gefängnis
Der Berner Professor für Migrationsrecht und ehemalige Präsident der Schweizerischen Anti-Folter Kommission NKVF Alberto Achermann sagt: «Lange Zeit wendeten die Schweizer Behörden bei der Administrativhaft schlicht das härteste Haftregime an, vergleichbar mit der Untersuchungshaft.»
Bei der Einführung des Gesetzes hatte der Bundesrat noch betont, dass diese Haft nicht wie der Strafvollzug sein dürfe. Die Haftanstalten sollten «gesicherte Kollektivunterkünfte» sein. Das Regime müsse «grundsätzlich anders sein als für Untersuchungs- und Strafgefangene». Personen in Administrativhaft seien keine Kriminellen. Das war 1994.
Es brauchte viele Jahre und mehrere Gerichtsverfahren, bis die Behörden diese Versprechen ansatzweise umsetzten.
Und auch heute kritisiert die NKVF noch regelmässig die geltenden Haftbedingungen. Auch im Kanton Bern.
Die Kommission hielt nach ihrem letzten Besuch in Moutier im Jahr 2024 fest: Das Regionalgefängnis Moutier sei keine geeignete Anstalt. Nur schon, weil es schlicht ein Gefängnis ist, das früher vor allem für das harte Regime der Untersuchungshaft genutzt wurde.
Mit dem Wechsel nach Witzwil gelobt der Kanton nun Besserung.
Mehr Komfort in Witzwil
Die «Hauptstadt» erhält als erstes Medium eine Führung durch die zukünftige Hafteinrichtung in Witzwil.
Witzwil ist als progressive Anstalt bekannt. Hier sind Männer im offenen Vollzug. Sie können arbeiten, kochen selbst, dürfen sich auf dem umzäunten Gelände teilweise frei bewegen.
Während draussen Insassen zusammenstehen und rauchen, informiert Gefängnisdirektor Balz Bütikofer in seinem Büro über die Pläne des Kantons. Es ist ein sonniger Dienstag im Oktober.
Balz Bütikofer sagt: «Es wird hier anders als in Moutier.» Die Haftbedingungen seien liberaler, die Einrichtungen besser, es gebe mehr Personal und die Inhaftierten könnten halbtags arbeiten. Frauen und Minderjährige wird der Kanton nicht in Witzwil unterbringen, sondern nach Zürich bringen.
Aber Witzwil ist doch trotzdem ein Gefängnis? «Es ist zwar eine Justizvollzugsanstalt, aber wir haben hier das offenste Regime überhaupt», sagt Bütikofer.
Er zeigt auf einem Rundgang die Räume hinter dem Sichtschutz aus Milchglas und Lochblech.
Es gibt einen grossen Aufenthaltsraum mit eigener Küche. Eine Treppe führt zu aneinandergereihten Einzelzellen. Von sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens werden die Männer in ihren Zellen eingeschlossen sein. Der Spazierhof ist ein Asphaltplatz, umringt von zwei hohen Zäunen, der erste dreieinhalb, der zweite viereinhalb Meter hoch.
Auch eine Turnhalle und einen Fitnessraum können die Männer nutzen, und die Anstalt eröffnet bald eine Matratzen-Recycling-Anlage, wo sie arbeiten werden.
Noch im Bau befinden sich der Besuchsraum und zwei Arrestzellen. Hier können renitente oder selbstgefährdende Inhaftierte bis zu 23 Stunden am Tag eingesperrt werden.
7,65 Millionen Franken hat der Grosse Rat für den Umbau gesprochen. «Der Neubau einer selbständigen, eigenen Anstalt könnte damit unmöglich finanziert werden», sagt Bütikofer. «Aber der Wechsel nach Witzwil bringt eine Verbesserung, angeschoben durch den Kantonswechsel.»
Eine belastende Haftform
Auch Seelsorger David Kneubühler sagt: «Die Haftbedingungen sind in den letzten Jahren besser geworden.» Trotzdem sei die Administrativhaft eine sehr belastende Haftform. «Vielen Personen geht es psychisch schlecht. Es ist die Ausnahme, dass jemand keine psychischen Probleme hat.» Viele bräuchten seiner Ansicht nach psychiatrische Betreuung.
Kneubühler merkt als Seelsorger: Fragen nach Schuld, Vergebung oder Wiedereingliederung in die Gesellschaft, die bei Menschen im Strafvollzug oft aufkommen, seien in Ausschaffungshaft kein Thema. «Die Leute sind am Ende ihrer Geschichte in der Schweiz», sagt er. «Sie sollen gerade keine Perspektive mehr in der Schweiz haben. So sieht es das Gesetz vor. Aber kaum jemand, der länger hier gelebt hat, akzeptiert das einfach so.»
Die Arbeit mit Personen in Administrativhaft, sagt Kneubühler, habe seine Sicht auf das Schweizer Migrationssystem verändert: «Ich sehe jetzt, wie hart dieses System ist. Es geht mehr um den Vollzug der Entscheide als um das Schicksal der Menschen.»
Diese Recherche wurde mit Unterstützung von JournaFONDS realisiert.
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