Bargeld – Stadtrat-Brief #20/25
Sitzung vom 21. November 2025 – die Themen: Zahlungsmittel; Einbürgerungen; Stadtfest 2026; städtische Liegenschaften; Solarenergie; Ratsmitglied der Woche: Natalie Bertsch (GLP).
Oft werden im Stadtrat Vorstösse thematisiert, die am Ende nichts bewirken, weil sie gar nicht in der Kompetenz des Rats liegen. Oder weil sie als schwächeres Postulat überwiesen werden, was für den Gemeinderat heisst, dass er ein Anliegen bloss prüfen muss, damit aber eigentlich machen kann, was er will.
Ein solches Anliegen war am Donnerstag ein Vorstoss, mit dem die SVP den Gemeinderat aufforderte, auf öffentlichen Plätzen dafür zu sorgen, dass weiterhin mit Bargeld bezahlt werden kann. Der Vorstoss wurde bereits im Januar 2024 eingereicht. Weil darin als Beispiel der Berner Sternenmarkt erwähnt wurde, der zeitgleich mit der Stadtratsitzung eröffnet wurde, erhielt er am Donnerstag eine äussere Aktualität.
Ausserdem hatte zuletzt der Weihnachtsmarkt in Zürich Schlagzeilen gemacht. Er hatte Bargeld zuerst abgeschafft, führte es dann auf öffentlichen Druck wieder ein. Dazu hat die Linksaussen-Partei Alternative Liste in Zürich diese Woche eine Motion eingereicht, die ebenfalls die Möglichkeit für Bargeldzahlungen auf öffentlichen Plätzen im Gesetz verankern will.
Und so sorgte das Berner SVP-Anliegen für viel Resonanz in den Medien – bis hin zum nationalen «Blick». Konkrete Folgen hatte es aber letztlich keine. Denn einerseits liegt es im Ermessen des Gemeinderats, ob er solche Auflagen umsetzen möchte. Andererseits hat die SVP den Vorstoss von einer stärkeren Motion in ein Postulat umgewandelt. Und der zuständige Gemeinderat Alec von Graffenried (GFL) machte in seinem Votum klar, was er davon hält: «Bargeld ist für mich verbunden mit Schwarzmarkt, Drogenhandel, Geldwäsche.» Er betonte, dass er eher auf den digitalen Zahlungsverkehr setzen will. «Ich hoffe, dass das Bargeld mehr und mehr zurückgedrängt wird. Alles andere finde ich Voodoo.»
Auch wenn der Vorstoss folgenlos bleiben wird: Interessant sind die Allianzen, die dafür eingegangen wurden. Es ist ein seltener Erfolg für die SVP, die sehr viele Vorstösse einreicht, aber praktisch nie damit durchkommt. Diesmal stellten sich zwar die anderen bürgerlichen Parteien – Mitte und FDP – und die GLP dagegen, dank der geschlossenen Zustimmung von Grünem Bündnis, AL sowie Teilen der SP wurde der Vorstoss doch mit 47 Ja zu 23 Nein mit 2 Enthaltungen angenommen.
Gerade die SP als mit Abstand grösste Fraktion wand sich: «Wir haben keine genaue Linie. Es gibt gute Gründe, den Vorstoss anzunehmen und gute Gründe, ihn abzulehnen», sagte Sprecher Dominik Fitze. Grundsätzlich sei es aber eine unternehmerische Entscheidung, wenn sich ein Veranstalter entscheide, kein Bargeld zu akzeptieren. «Nicht alle Menschen haben Zugang zu elektronischen Zahlungsmitteln», meinte hingegen Katharina Gallizzi (GB). Und davon seien wohl meist Menschen betroffen, die ohnehin prekär lebten.
Natalie Bertsch (45) sitzt seit März 2024 für die Grünliberalen im Stadtrat. Sie hat internationale Beziehungen studiert und einen Masterabschluss der London School of Economics als Entwicklungsökonomin. Bertsch arbeitet als Politikberaterin für Nachhaltigkeit beim Bundesamt für Umwelt (Bafu). Warum sind Sie im Stadtrat? Ich engagiere mich seit vielen Jahren in der Lokalpolitik – viele Jahre im Vorstand der GLP Stadt Bern, im Vorstand der GLP Frauen und nun als Mitglied des Berner Stadtrats. Mich motiviert der Wunsch nach Veränderung, denn ich sehe noch vieles, das aus meiner Sicht verbessert werden kann. Persönlich empfinde ich es als weniger frustrierend, sich aktiv einzusetzen, als nichts zu tun. Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei? Einerseits als Auslandschweizerin, und andererseits als interessiert in Finanz-, Umwelt- und Gleichberechtigungsfragen. Darüber hinaus hoffentlich als konstruktive Ratskollegin. Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat? Als politische Minderheit ist das Unterliegen bei Geschäften im Rat ein wenig unser Tagesgeschäft. Ich sehe das sportlich; es macht bescheiden und pragmatisch. Es überzeugt mich allerdings auch, dass Depolarisierung sowohl im Rat als auch in unserer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe bleibt. Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit? Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt der Politik. Dieses Prinzip versuche ich auch in meiner Ratsarbeit, in der Zusammenarbeit mit anderen Ratsmitgliedern und in meinen Voten stets im Auge zu behalten. Dabei ist es mir besonders wichtig, Argumente stets sachlich und fragend zu formulieren, ohne persönlich anzugreifen. Es freut mich ganz besonders, gemeinsam mit meinem Mann Maurice Lindgren im Rat politisieren zu dürfen – obwohl oder gerade weil wir damit die Grenzen des Milizsystems austesten. Dank einer guten Betreuung für unsere zwei jungen Söhne am Donnerstagabend ist das überhaupt möglich. Jetzt muss ich nur noch meinen Sohn davon überzeugen, dass Papa nicht im «Ständerat», sondern – genau wie ich – im Stadtrat ist. Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum? Wir leben am Cäcilienplatz; und dies äusserst gerne.
Und das wurde im Stadtrat beschlossen:
- Einbürgerungen: In der Stadt Bern kostet es für eine Einzelperson bisher 1650 Franken, wenn sie sich einbürgern lassen will. Davon fordert der Kanton 1150 Franken ein, der Bund 100 Franken und die Stadt selbst 400 Franken. In Zukunft jedoch wird die Gebühr nach dem Willen des Stadtrats tiefer werden: Er beschloss – gegen den Willen des Gemeinderats – die städtische Gebühr auf 0 Franken zu setzen und überwies eine entsprechende Motion der SP/Juso-Fraktion mit 36 Ja- zu 21 Nein-Stimmen bei 9 Enthaltungen. Mit der Annahme der Motion entgehen der Stadt in Zukunft jährlich ungefähr 200’000 Franken an Einnahmen. «Bern kann diesen kleinlichen Betrag einfach sprechen», meinte Raffael Joggi (AL), eine Einbürgerung trage schliesslich mehr zur Integration bei als ein Stadtfest (siehe Bullet weiter unten). Demgegenüber hielt der zuständige Gemeinderat Alec von Graffenried (GFL) fest: Die Gebühr der Stadt sei bereits tiefer als in anderen grossen Gemeinden. «Dabei führen die städtischen Behörden die ganzen Prozesse durch.» Das war auch in Richtung Kanton gerichtet, der seine Abklärungen anhand der von der Stadt zusammengetragenen Unterlagen macht. Gegen die Motion waren die bürgerlichen Parteien und die RGM-Partei GFL.
- Stadtfest: Nach 2022 gibt es nächstes Jahr (19. bis 21 Juni 2026) wieder ein Stadtfest. Organisiert wird es von einem privaten Verein. Sein Budget beträgt 1,4 Millionen Franken. Die Stadt übernimmt indirekt Kosten, indem sie dem Stadtfest alle Gebühren erlässt, was zum Beispiel Signalisation, Polizei und Strassenreinigung umfasst. Insgesamt beläuft sich der geplante Erlass auf geschätzte 407’800 Franken. Der Rat stimmte dem mit 57 Ja- zu 17 Nein-Stimmen zu. Das Grüne Bündnis stimmte dagegen, nachdem diverse Anträge, die Auflagen bezüglich Verkehr, Art des Essens und berücksichtigten Künstler*innen machen wollten, gescheitert waren.
- Liegenschaften: Die Stadt Bern kann den Rahmenkredit für den Erwerb von Liegenschaften bis Oktober 2027 nutzen. Der Stadtrat hat der Verlängerung um zwei Jahre mit 51 zu 21 Stimmen zugestimmt. Den Rahmenkredit gibt es seit 2019. Aus Sicht der linken Ratsmehrheit hat er sich als wirkungsvolles Instrument der städtischen Wohnbaupolitik bewährt, weil er die Entscheidwege beim Immobilienkauf verkürzt. FDP, SVP und GLP stören sich hingegen daran, dass die Stadt als «Spekulantin» auf dem Wohnungsmarkt mitmische. Bis heute hat die Stadt über den Rahmenkredit Liegenschaften im Gesamtwert von 68,51 Millionen Franken erworben, sie umfassen 129 Wohnungen. Aktuell sind noch rund 37 Millionen Franken nicht ausgeschöpft.
- Solarenergie: Der Gemeinderat soll auf die städtische Energieversorgerin EWB einwirken, damit diese den Anteil von Solarflächen auf Berns Dächern von 4 auf 8 Prozent steigert. Das fordert eine SP-Motion, die am Donnerstagabend mit 55 zu 12 Stimmen überwiesen wurde – SVP und FDP stimmten dagegen. Nicht, weil sie grundsätzlich gegen Solarenergie seien, aber es brauche eine gute Vergütung, damit Liegenschaftsbesitzer investieren. «Alles andere ist vergebliche Liebesmüh», sagte Thomas Hofstetter (FDP). Der zuständige Gemeinderat Alec von Graffenried warnte: «EWB wird nicht alle Probleme beim Solarzubau in der Stadt lösen können.» Die Motion liegt in der Zuständigkeit des Gemeinderats, was heisst, dass er selbst entscheiden kann, inwieweit er sie umsetzt.
PS: Glühwein (und anderes) gibt es am Berner Sternenmarkt seit diesem Jahr wieder gegen Bares, wie Alec von Graffenried am Schluss der Debatte zum Bargeld vermerkte. Und «Predigern von Bargeldzahlungen» empfiehlt Stadtrat Michael Ruefer (GFL) die Lorraine. «Dort gibt es mehrere Betriebe, wo man nur bar zahlen kann», sagte er während der Debatte und schaute Richtung SVP.
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