Klettern am aufgehenden Mond

Im legendären Berner Hallenbad Mubeeri entsteht für drei Jahre eine Boulderhalle. Aus viel recyceltem Material. Ab Mitte Januar wird geklettert.

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Das denkmalgeschützte Hallenbad Mubeeri wandelt sich zur Boulderhalle. (Bild: Danielle Liniger)

Feuchte, chlordurchsetzte Luft, versetzt mit einer Prise Eukalyptus von der nahen Sauna. So roch es immer, wenn man am Eingang des Hallenbads Hirschengraben stand. Und die Nase vergisst nicht.

So glaubt man auch jetzt, wenn man die Glastür an der Maulbeerstrasse 14 aufstösst, Hallenbadluft einzuatmen. Obschon das altersschwache Mubeeri-Bad seit Ende Juni geschlossen ist und die Sauna kalt. Für immer. Ersetzt durch die topmoderne Schwimmhalle Neufeld.

Benjamin Herren steht neben der früheren Hallenbadkasse, die Wintermütze zieht er gar nicht aus. Unter seiner Leitung entsteht hier, im von der Denkmalpflege als schützenswert eingestuften Traditionsbad Hirschengraben, eine neue Welt.

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Arbeitet gerade an seinem Traum: Benjamin Herren. (Bild: Danielle Liniger)

Sie hat nichts mehr mit Wasser zu tun. Aber viel mit Bergen, Felsen – und Enthusiasmus. Die O’bloc AG, Betreiberin der Kletterhalle in Ostermundigen, baut das Mubeeri ziemlich abenteuerlich zum Boulderbad um. Zu einer Halle also, in der an künstlichen Wänden über weichen Böden geklettert wird, in Absprunghöhe, ohne Seil und Klettergurt.

Das Boulderbad

Jetzt lehnt Benjamin Herren oben an die Balustrade und blickt hinunter auf das frühere 25-Meter-Schwimmbecken, das gesäumt wird von den braunen Mubeeri-Sitzstufen im grosselterlichen Klinker-Look. Das ausrangierte Bad sieht aus wie die riesige Experimentierwerkstatt einer Zimmerei. Das frühere Schwimmbecken ist ausgekleidet mit Spanplatten, und aus dieser Schicht ragt ziemlich krass eine vier Meter hohe schiefstehende Scheibe. Als würde ein Indoor-Mond aufgehen. 

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Der Mond des Boulderbads: Die grosse Kletterscheibe mitten im früheren 25-Meter-Becken. (Bild: Danielle Liniger)

Benjamin Herren gehört zum Team der Kletterhalle O’bloc, von dem die Idee stammt, aus dem Mubeeri eine Boulderhalle zu machen. Sein Arbeitgeber hat ihm die Verantwortung übertragen, diese Vorstellungen umzusetzen. «Für mich ist es ein Traum, das tun zu können», sagt Herren. Zumal es nicht darum gehe, eine Filiale von O’bloc im Stadtzentrum zu eröffnen. «Das Boulderbad», sagt Herren, «soll einen eigenen Spirit haben.» 

Nutzung bis Ende 2026

Schon vor Jahren hat die Stadt Bern entschieden, dass sie das 1939 ausgebaute Mubeeri nicht als Bad weiterbetreiben wird – die Sanierung des lange vernachlässigten Gebäudes wäre zu teuer. Was aber tun mit dem denkmalpflegerisch wertvollen Bau? Die Frage ist unbeantwortet. 

Vorerst gibt sich die Stadt eine dreijährige Bedenkzeit – so lange dauert die Zwischennutzung des leerstehendes Bads, um die sich vor einem Jahr 25 Interessent*innen beworben haben. Der Gemeinderat entschied sich für «Bouldern und klettern» von O’bloc unter der Bedingung, dass das Projekt auf den Breitensport ausgerichtet wird. Seit Herbst 2023 liegt die Baubewilligung vor, und seither sind die Tage für Benjamin Herren meist zu kurz.

Aufwändiges Recyceln

Getragen wird das Boulderbad laut Herren von zwei Grundsätzen. Erstens: Alles muss wieder zurückgebaut werden können. Wenn die Zwischennutzung Ende 2026 zu Ende geht, wird die Firma O’bloc das Hallenbad so zurückgeben, wie sie es übernommen hat.

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Grosselterliche Klinkerböden treffen auf urbane Kletterwelt. (Bild: Danielle Liniger)

Zweitens: Für den Einbau der Anlage wird so viel Recyclingmaterial eingesetzt wie möglich. «Wir gehen von einer vorübergehenden Nutzung aus», sagt Herren, «deshalb macht es Sinn, möglichst wenig neue Materialien zu verbauen.» Ein Beispiel: Die meisten künftigen Kletterwände im Boulderbad werden aus Holz gefertigt, das von der Aussenwand der Kletterhalle in Ostermundigen. Weil sie ausgebaut wird, musste die alte Wand weg.

Geist des Wandelbaren

Der logistische Zusatzaufwand, auf recyceltes Material zu setzen, sei «nicht zu unterschätzen», sagt Herren, und zieht seine Stirn unter der Mütze in Falten. Neben ihm steht Sarah Liebi, sie wird gemeinsam mit Herren den Betrieb der Boulderhalle verantworten: «Wir möchten, dass der Geist des Unperfekten, des Wandelbaren, des Liebevollen das Boulderbad prägen wird», sagt sie. Eröffnet werde die Halle Mitte Januar, wann genau, würde Anfang Jahr mitgeteilt.

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Geist des Unperfekten: Sarah Liebi und Benjamin Herren. (Bild: Danielle Liniger)

Zu Beginn werde nicht alles perfekt sein. Müsse es auch nicht, sagt Sarah Liebi, je nachdem, wie gross die Nachfrage sei, können die Bedürfnisse unterschiedlich sein: «Darauf wollen wir eingehen können.»

Gut gefüllte Kletterhallen

Ja genau, die Nachfrage: Kletter- und Boulderhallen befinden sich meist in zentrumsfernen Industriegebieten, in Niederwangen, im Stadtberner Zentareal oder Ostermundigen. Die temporäre Berner Boulderhalle hingegen wird ein City-Kletterangebot. Nicht einmal fünf Minuten entfernt vom Bahnhof: «Es ist gut möglich, dass wir dank der zentralen Lage Kundschaft ansprechen, die bisher nicht daran dachte, zu Fitnesszwecken zu bouldern», sagt Herren.

Als unliebsame Konkurrenz werde das Boulderbad von anderen Betreibern sicher nicht wahrgenommen. Die bestehenden Kletterhallen seien sehr gut ausgelastet. Einige operieren auf ihrer Website mit einem Auslastungsbarometer, auf dem man live sieht, wie voll die Halle bereits ist. 

Goldgrube in spe?

Könnte es sogar sein, dass das Boulderbad an der vorzüglichen Publikumslage für O’bloc zur kommerziellen Goldgrube wird? Ganz ausgeschlossen ist es nicht, aber für diesen Fall sind im Vertrag mit der Stadt laut Benjamin Herren Massnahmen angedacht. 

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Charme des Boulderbads: Ehemaliger Beckenausstieg neben Kletterwand. (Bild: Danielle Liniger)

Grundsätzlich läuft der Deal zwischen Stadt und O’bloc so: Die Stadt überlässt der Betreiberin der Boulderhalle das Hallenbad, ohne eine Raummiete zu erheben. Die Nebenkosten jedoch gehen zu Lasten von O’bloc.

Selber finanzieren muss die nicht gewinnorientierte O’bloc AG die Investitionen für den Umbau – laut Herren werden es zwischen 300’000 und 400’000 Franken sein. Das unternehmerische Ziel während der drei Jahre Betriebsdauer besteht darin, diese Investitionen wieder einzuspielen. Etwas, das Benjamin Herren angesichts der Personal- und Nebenkosten als gar nicht so einfach einschätzt.

Brummt das Business, kann trotzdem Gewinn winken. Den dürfte O’bloc aber nicht einstreichen. Die Betreiberin sei gemäss Vertrag verpflichtet, alle drei Jahresabschlüsse Immobilien Stadt Bern vorzulegen. Zeichne sich ein Gewinn ab, würde das Geld in Absprache mit der Stadt in ein noch zu definierendes Projekt oder einen Anlass investiert, zu Gunsten der Öffentlichkeit. 

Kletterzüge im Lernschwimmbecken

Kurz eine Stunde klettern anstatt an der Aare zu joggen? Das wird im Hirschengraben bald zur Mittagspausenoption.   

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Kraftort: Im Ex-Lernschwimmbecken werden Boards für effizientes Fingertraining installiert. (Bild: Danielle Liniger)

Die Eintrittspreise sind noch nicht bekannt, werden laut Benjamin Herren aber etwas tiefer sein als im O’bloc. Im früheren Lehrschwimmbecken des Mubeeri werden zwei exklusive, auch für Einsteiger*innen interessante und supereffiziente Trainingsmöglichkeiten installiert: sogenannte Kilter Boards. Das sind quasi interaktive Wände mit unzähligen Leuchtgriffen, die mit einer App verbunden werden und dann leuchtend dem eigenen Können angepasste Griffkombinationen anzeigen.

Wer es analoger mag, bouldert dem aufgehenden Mond entlang dem eigenen Kletterhimmel entgegen. 

Muberi Bpulderhalle
hauptstadt.be
© Danielle Liniger
Geist des Liebevollen: Retro-Romantik mit grünem Daumen. (Bild: Danielle Liniger)
tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren