Aarehöger – «Hauptstadt»-Brief #370
Samstag, 28. September 2024 – die Themen: Aarehöger, Stadtlandwirtschaft, Asylpolitik, Gastro in der Länggasse, Wahlkampf, Friedenskirche, Schlachthaus, Askforce, YB.
Kennst du das Schneckenhübeli? Den Hüenliwaldhügel? Oder Alt Bubenberg? Bis gestern wusste ich auch nichts von ihnen. Dann blätterte ich im eben erschienenen Buch Aarehöger des Berner Wanderführerautors Daniel Anker. Und jetzt weiss ich: Das sind alles Gipfelziele in Fussgänger*innendistanz zur Stadt Bern. Meist erreichbar in Turnschuhen.
Das gefällt mir.
Ich war schon in Daniel Ankers Studierstube in der Länggasse, wo sich Bergbücher türmen, steil wie die Eigernordwand. Er, der mit Skis und zu Fuss kaum einen Berggipfel ausgelassen hat, erzählte mir unlängst von seiner neusten Faszination: Unbekannte Hubel und Knubel zu besteigen, Buckel ohne bekannten Namen und ohne Weg, wild, aber nicht einmal gross im Gebirge, sondern sogar irgendwo in Stadtnähe. Und sich oben auf dem Hoger über den Ausblick zu freuen, so unspektakulär er auch sein mag.
In seinem Buch präsentiert er 70 Wanderungen zu sagenhaften 200 Högern entlang der Aare zwischen Grimsel und Koblenz. Viele seiner Neuentdeckungen kommen darin vor. Er beschreibt den Weg auf den Hüenliwaldhügel bei Muri. Oder den Abstieg vom steilen Alt Bubenberg bei Frauenkappelen über den urwaldähnlichen Hang hinunter an den Wohlensee. Alles ist akribisch recherchiert und so sorgfältig formuliert, dass nie Provinzialitätsalarm aufkommt.
Und dann das Schneckenhübeli. Es ist die höchste Erhebung im Schosshaldenfriedhof, kunstvoll erschlossen mit einem spiralförmigen Weg. Kein Mensch weiss, schreibt Anker, wann und warum dieser Berg aufgeschüttet worden ist – aber man hat «eine wunderbare Aussicht auf die Umgebung». Als ich das las, hatte ich einen Anfall von guter Laune. Was für ein Gipfel, was für ein Leben!
Stadtlandwirtschaft: Anfang nächsten Jahres übernehmen die neuen Pächter*innen den städtischen Elfenauhof. Es ist, nachdem die Familie Weber vier Generationen lang in der Elfenau gebauert hat, der Anfang einer neuen Ära. Fünf Menschen wollen gemeinsam eine «zugängliche und enkeltaugliche Landwirtschaft» praktizieren und wieder Viehzucht und Ackerbau betreiben. Mein Kollege Nicolai Morawitz war mit den neuen Pächter*innen auf ihrem künftigen Hof unterwegs.
Asylpolitik: Rückkehrzentren, in denen Menschen mit negativem Asylentscheid platziert werden, sind im Kanton Bern überbelegt. Der Grund: Geflüchtete, die auf Basis des Dublin-Abkommens in einen Drittstaat abgeschoben werden sollen, werden gemeinsam mit abgelehnten Asylsuchenden untergebracht – obwohl sie ihr eigentliches Asylverfahren noch vor sich haben und oftmals traumatisiert sind. Lies hier den aufschlussreichen Text der Journalistin Hanna Fröhlich, erschienen auf der Rechercheplattform «Correctiv in der Schweiz».
Gastro: Das koreanische Restaurant Jinny’s Sushi an der Kreuzung Gesellschaftsstrasse/Hallerstrasse in der Länggasse schliesst nach zehn Jahren. Die Betreiber*innen ziehen nach Südkorea. Das Ladenlokal will der Verein OGG übernehmen, der sich für ressourcenschonende Ernährung einsetzt und unter anderem die «Äss-Bar» mitgegründet hat. In den Räumen an der Gesellschaftsstrasse soll ein Treffpunkt für nachhaltige Ernährung entstehen, wie die Quartierpost Länggasse schreibt.
Wahlkampf: Vor wenigen Tagen hat nun auch Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) den Wahlkampf mit einer eigenen Kampagneaufgenommen. Physisch tourt er mit einem Lastenvelo durch die Stadt, online hat er unter dem Stichwort «Lifere statt lafere» eine aufwändige Serie von Videos publiziert. Von Graffenried strahlt Entschlossenheit aus, sein Amt zu verteidigen. Dieses macht ihm vor allem seine linke Regierungskollegin Marieke Kruit (SP) streitig. Ihr werden aufgrund der Stärke der Partei gute Chancen eingeräumt, wie etwa diese Diskussion auf TeleBärn zeigt.
Friedenskirche: Christian Walti ist national bekannt als unkonventioneller Pfarrer an der Friedenskirche im Fischermätteli. Er führte unter anderem das «Death Café» ein, und er engagiert sich im inklusiven Gastrobetrieb Dock8. Auf Februar wechselt Walti als Pfarrer ans Grossmünster in Zürich, sozusagen als entfernter Nachfolger des Reformators Huldrych Zwingli, wie die NZZ diese Woche schrieb (Abo).Walti macht der NZZ klar, dass er den Menschen Zugang zu einer höheren Macht auch dann ermöglichen wolle, wenn sie nicht Christ*innen sind.
Schlachthaus: Wie funktioniert das Schlachthaus Theater, wie versteht es seine Rolle im kulturellen Leben der Stadt Bern? Die Co-Leiterinnen Ute Sengebusch und Maria Spanring teilen Geist und Gedanken neu in einem (Englisch gesprochenen) Videopodcast, dessen erste Ausgabe seit gestern online ist.
Askforce: Der Slang-Ausdruck «gömmer Bahnhof» animiert die Askforce zu einer ferrophilen Gedankenreise.
PS: An diesem Wochenende kannst du die Fussballer*innen der Young Boyszweimal im Wankdorf unterstützen: Am Samstag um 20.30 Uhr spielen die Männer gegen die Grasshoppers und könnten sich mit einem Sieg weiter vom Tabellenende absetzen. Die Frauen treten am Sonntag um 14 Uhr gegen Luzern an. Wenn sie gewinnen, schaffen sie in der Tabelle den Anschluss an die Spitzenteams.